19 Uhr in Deutsch-Weißkirch. Die Sonne steigt langsam vom Himmel herab und kleidet das weltberühmte siebenbürgisch-sächsische Dorf in ein warmes, liebliches Licht. Zahlreiche Menschen spazieren auf der Hauptstraße, alle in dieselbe Richtung: das Haus des britischen Königs Charles III, das ein Museum beherbergt. Doch der Anziehungspunkt am Samstagabend, dem 27. Juli, ist ein gelbes Haus in der Nähe des Königshauses, das Haus Nr. 160, das Anwesen der Familie Markel. Das grüne Tor steht offen, bunte Luftballons deuten auf ein Fest hin, einige Poster kündigen eine Vernissage und Konzerte an. Im Hof stehen Dutzende Leute und unterhalten sich in vielen verschiedenen Sprachen, manche lachen, andere machen Bekanntschaft. Kinder laufen umher, Hunde lassen sich kraulen. Ein Teil der Anwesenden sind Dorfbewohner, die meisten sind Touristen.
Gemeinschaftsgeist weiterführen
Sie setzen sich auf Bänke und Stühle im Hof. Auch im sogenannten Musikzimmer im Haus, wo ein Bechstein-Flügel steht, sitzen bereits viele Musikliebhaber und warten gespannt auf das angekündigte Kulturprogramm. Die ersten Noten werden gespielt, es wird ruhig. Johann Markel, gebürtiger Kronstädter, der seit über zwei Jahrzehnten in den Niederlanden als Pianist tätig ist, spielt klassische Musik. Er hat die Tore seines von den Großeltern geerbten Hauses geöffnet, mit der Absicht „Leute von verschiedenen Herkünften zusammenzubringen, die einander zuhören, sich gegenseitig inspirieren, voneinander lernen und miteinander etwas machen, wie Ausstellung, Konzerte, Lesungen“. Den familienbezogenen Gemeinschaftsgeist, den es seit jeher auf diesem Anwesen gibt, will der Musiker durch die Veranstaltungen, die er seit drei Jahren hier organisiert, auch für Gäste und Freunde erweitern.
Das Haus
1841 haben seine Vorfahren das Haus errichtet. Als Kind hat der Pianist gerne die Großeltern Sara und Michael besucht. Mit seiner Oma teilte er die Liebe zur Musik, der Großvater war Schreiner und züchtete Bienen. Wenige Jahre vor der Wende von 1989 zog Johann mit seiner Familie aus Heldsdorf nach Deutschland. Anfang der 1990er Jahre wanderten auch die Großeltern in den Westen. Eine Weile stand das Haus leer, wonach es von den Dorfbewohnern unter anderen als Bäckerei genutzt wurde. Vor rund 20 Jahren begann Johann Markels Vater das Haus zu renovieren, seit dessen Tod führt der Klavierspieler seine Arbeit weiter. Vor einigen Jahren wurde das Musikzimmer hergerichtet, seit vier Jahren nun auch die Scheune. Ein kleines Familienmuseum soll auch noch entstehen.
Im Sommer, wenn Markel im Dorf ist, organisiert er Events. Im Frühling und Herbst gönnt er sich die Ruhe der Ortschaft, erfreut sich an der Natur und an seinem schönen Obstgarten hinter dem Haus. Gerne trifft er alte und neue Freunde und übt neue Stücke am Flügel ein.
Lebendiges Zusammenkommen
Es ist bereits 20 Uhr. Das Publikum wird in die Scheune eingeladen, wo der vor fünf Jahren ins Leben gerufene Dorfchor „Canta Viscri” (Sing Viscri) ein Konzert gibt. Voller Freude und Begeisterung singen die Choristen unter der Leitung von Marlies Markel-Gherghiceanu bekannte Lieder auf Englisch, Deutsch, Sächsisch oder Französisch. Die Zuschauer jubeln, klatschen und bewegen sich im Rhythmus der Klänge. Siebenbürger Sachsen, Rumänen aus Reps oder Zugewanderte aus Großstädten, eine Amerikanerin und der italienische Pizzabäcker des Dorfes bilden den Chor und haben Spaß miteinander – das wird nach dem ersten Lied bereits deutlich. Auch die Band der Amerikanerin Kathy Alesce, die in Deutsch-Weißkirch sesshaft geworden ist, bringt das Publikum zum Mitsingen. Alesces Gemälde sowie verschiedene andere Malereien, Grafiken, Gravuren oder Keramikobjekte einheimischer Künstler sind im Rahmen der „Folklorium ART“-Ausstellung in der Scheune ausgestellt und sind noch bis Mitte August zu sehen.
Die Veranstaltungen im Anwesen Markel werden bis Mitte August weitergehen. Nähere Informationen sind unter colligere1841.com erhältlich.