Auf einem Plakat im Zentrum Klausenburgs hält der Riesenaffe King Kong eine Frau in weißem Kleid in seiner Hand, während er auf ein Gebäude klettert. Es ist nicht das Empire State Building aus New York, wie im Originalfilm, der 1933 Sensation in den Kinos machte, sondern die Klausenburger Michaelskirche. Und es ist nicht Fay Wray, die vom Monsteraffen entführt wird, sondern das rumänische Model Mădălina Ghenea. In jedem Jahr sind die Plakate und Werbespots des internationalen Filmfestivals „Transilvania“ (TIFF) Parodien von Kultfilmen. Dabei spielt die Handlung in Klausenburg.
Auf der Facebook-Seite von TIFF werden Filmfans aufgefordert, ein Foto von sich, mit einem „Alain Delon“ bekleidet, in einen Wettbewerb einzusenden. Die Gewinner werden die Chance haben, den französichen Schauspieler bei der Galavorstellung seines Films „Rette deine Haut“ hautnah zu erleben. Für diejenigen, die es nicht wissen: ein „Alain Delon“ (eigentlich: Alendelon) ist ein Trenchcoat mit Pelzmantel, den die Rumänen in den 60er Jahren nach dem legendären französischen Schauspieler benannt haben. Delon selbst erklärte auf einer Pressekonferenz, er hätte selbst nicht gewusst, dass es in Rumänien einen Mantel gibt, der seinen Namen trägt. Kult ist nicht nur der „Alendelon“, sondern auch das Lokal „Vărzărie” auf der Eroilor-Straße, in unmittelbarer Nähe des Victoria-Kinos. In diesem Jahr erscheint es sogar in einem TIFF-Werbespot. Im kleinen Restaurant, das an die Zeiten vor 1990 erinnert, herrscht jedes Jahr Anfang Juni Hochbetrieb. Während sie Hackfleisch mit Sauerkraut servieren, tuscheln zwei Kellnerinnen über Alain Delon. „Er sieht alt aus“, sagt die eine. Ein Kollege mischt sich ins Gespräch ein: „Habt ihr gehört, dass ein Manele-Konzert beim Tiff war? Ganz verrückt, nicht wahr?“
Das Filmfestival, das in diesem Jahr vom 2. bis zum 11. Juni stattfand, bietet zu Sommeranfang überall in Klausenburg Stoff für Gespräche. Die Stadt ist stolz auf das Festival und jeder macht mit: Blumenfrauen lesen aus der Festivalzeitschrift AperiTIFF, Schaufenster werden mit dem rot-weiß-schwarzen Logo des Festivals geschmückt, Bars tragen bunte Aufkleber mit dem Text „Wir unterstützen TIFF“. Im „Casa Tiff“, das nicht nur während des Festivals Treffpunkt von Filmemachern und Filmliebhabern ist, trinkt man nicht Limonade, sondern Tiffonade.
Auch in diesem Jahr hat TIFF alle möglichen Rekorde gebrochen. Sein 16. Geburtstag war ein riesiges Fest der Diversität: Twin Peaks, Virtual Reality, King Kong, erotische Filme, Alain Delon, kulinarisches Kino, ein Manele-Konzert, Filme auf dem Dorf, ein Wochenende im Banffy-Schloss aus Bontida, Ulrich Seidl, Filmkritik-Seminare für Kinder, von Musik begleitete Stummfilme, Armand Assante, romantische Komödien, Horror-Kurzfilme, viel Regen, weiße Partynächte – bunter und vielfältiger geht’s kaum. „TIFF ist wie ein riesiger Hut, unter ihm haben alle Platz“, sagte Festivalleiter Mihai Chirilov bei der Abschlussgala im Nationaltheater. Die 16. Auflage des Internationalen Filmfestivals „Transilvania“ war für mich die 12. konsekutive. Seit 2006 ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich den Junianfang in der Dunkelheit der Klausenburger Kinosäle verbringe. In diesem Jahr waren es 2737 Minuten. Also 45,6 Stunden – fast zwei Tage. Dabei habe ich 38 Filme gesehen (davon waren 12 Kurzfilme) – im Durchschnitt 4 Filmprojektionen am Tag.
Das Wichtigste bei TIFF bleibt jedoch: man sieht den Film dort, wo er zu sehen ist – im Kinosaal. Und das ist immer eine Freude, besonders wenn der Saal voll ist. Das ganze Jahr hindurch wartet man auf den Vormittag, an dem man, mit einem Programmheft in der einen und einem Kaffee-Pappbecher in der anderen um 10 Uhr morgens ins Kino geht.
Als Zuschauer ist man immer ein wenig frustriert, weil man dauernd etwas verpasst. Auch als Journalist kann man nicht über alles schreiben, was man gesehen hat. Man muss eine Auswahl treffen – und diese folgt in der nächsten Nummer der KR.