Wie haben die Weltkriege das Leben der deutschen Gemeinschaft in Rumänien beeinflusst und welchen Einfluss hatten die historischen Ereignisse auf die Kindheit der Siebenbürger-Sachsen? Was wurde den Deutschstämmigen im Kommunismus verboten und was hat der deutschen Gemeinschaft in Rumänien in schweren Zeiten Halt gegeben? Auf diese und weitere Fragen haben Schüler des „Johannes Honterus“-Nationalkollegs und des „Ioan Meșotă“-Nationalkollegs am vergangenen Montag und Dienstag, dem 18. und 19. November im Festsaal des „Johannes Honterus“-Nationalkollegs, Antworten erhalten. Und zwar direkt von Gleichaltrigen, Schüler der 9., 10. und 11. Klassen, die mehrere Wochen unter der Leitung von Kulturmanagerin Dr. Petra A. Binder Informationen über die Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien aufgearbeitet und dann vorgestellt haben.
Neuheiten für Schüler
Andreea Bica, Mara Chiru, Sophia Neguț, Andreas Păștina, Maria Pricopie, Teodora Ștefănescu sind im Rahmen des Projekts „Akademische JugendTage – Wissenschaftliche Kultur” des Vereins „ZurZeit : Kultur“ (Cu timp pentru cultură) in die Geschichte eingetaucht und haben gelernt, wertvolle Informationen in wissenschaftlichen Texten festzuhalten. Die Regeln für akademische Texte, die sie im Workshop gelernt haben, halfen ihnen, einen roten Faden zu verfolgen und strukturiert zu bleiben, um dem Publikum beispielsweise die Bedeutung von Musik und Glauben in der deutschen Gemeinschaft näher zu bringen. Für manche Schüler war dies die erste Erfahrung mit wissenschaftlichen Datenbanken und Quellenangaben und der erste Kontakt mit diesem Thema, das sie in einer präzisen Sprache und mit einer fundierten Argumentation vorstellen mussten. Auch das Publikum hat einiges hinzugelernt, dazu auch über die Deportation, von der manche anwesenden Schüler nie gehört hatten. Sowohl Lyzeaner, wie auch Lehrer von den beiden Nationalkollegs haben den Vortragenden Fragen gestellt und konstruktive Bemerkungen gemacht.
Zeitzeugenbericht über Deportation
Das junge Publikum war sichtlich beeindruckt, den Zeitzeugenbericht einer Frau zu hören, die deportiert worden war. Diesen hatte der Gast der Veranstaltung, Dr. Corneliu Pintilescu, Historiker am George-Barițiu-Institut für Geschichte Klausenburg der Rumänischen Akademie gehalten. Pintilescu hatte am Montag, dem 18. November, einen umfassenden Vortrag zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen im 20. Jahrhundert im Festsaal des Honterus-Kollegs gehalten. Darin stellte er zahlreiche Daten vor und erklärte der jungen Generation auch, wie Bilder aus Familiensammlungen die Alltagsgeschichte der Menschen in einer Ausstellung wiedergeben können. Der Historiker hat im Mai dieses Jahres im Spiegelsaal des Sitzes des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt/Sibiu eine Ausstellung vorgestellt, mit persönlichen Fotos zur Geschichte der Deutschen in Rumänien. Diese war eine Zusammenfassung zweier Ausstellungen, die anhand von Fotos aus privaten Sammlungen den Alltag der Siebenbürger Sachsen (Saxonica) und der Banater Deutschen (Banatica) im 20. Jahrhundert dokumentierten.
Radu Chivărean, Direktor des Honterus-Nationalkollegs, erzählte im Rahmen des Projekts, wie er als Schüler in Weidenbach vorwiegend Siebenbürger Sachsen als Kollegen hatte und daher deren Gemeinschaft gut kannte. Es sei sehr wichtig für Jugendliche, an Projekten teilzunehmen, die es ihnen ermöglichen, die deutsche Minderheit besser kennenzulernen und zu verstehen. Auch Anina Șoană, Schulinspektorin und Deutschlehrerin, erkannte den Wert des Projekts. Sie schilderte aus eigener Erfahrung, wie sie in Neustadt mit Sachsen aufgewachsen sei und gefeiert habe und wie in den 1980er der deutschen Gemeinschaft die Feste, darunter auch die Faschinge, verboten wurden. „Als Protest haben wir uns alle als Sklaven verkleidet.”
„Ich habe siebenbürgisch-sächsische Wurzeln, bin mit der siebenbürgisch-sächsischen Kultur aufgewachsen und finde mich wieder in ihr. Deshalb liegt es mir am Herzen, die spirituelle Identität, die auf Kultur und Geschichte aufgebaut ist, weiterzuführen“, begründet Petra A. Binder die Themenauswahl für die kulturellen Projekte, die ihr Verein durchführt. Für die Zukunft plant sie regelmäßige Treffen zwischen Jugendlichen und Fachleuten in verschiedenen Bereichen, wie Kunst, Literatur oder Musik, die unter dem Namen „Akademische JugendTage – Wissenschaftliche Kultur“ stattfinden sollen. Die in der vergangenen Woche veranstalteten Treffen waren die ersten in dieser Reihe und wurden vom Deutschen Konsulat Hermannstadt gefördert.
Die Texte der Schüler, die im Festsaal vorgestellt wurden, sollen in der Winterausgabe der Schülerzeitung des Vereins „ZurZeit : Kultur“, „Mein Tagebuch“ abgedruckt werden.