Infolge der Kommunalwahlen vom 10. Juni 2012 ist das Demokratische Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt (DFDKK) im Kronstädter Kreisrat mit zwei Vertretern (Wolfgang Wittstock und Dieter Drotleff) präsent. Nach dem ersten der vier Mandatsjahre wollte die KR vom DFDKK-Vorsitzenden Wolfgang Wittstock erfahren, wie in diesem Gremium gearbeitet und wie das Forum dabei mit einbezogen wird.
Wie wird das Forum im Kreisrat betrachtet? Wie sieht die politische Konstellation aus? Wo situiert sich das Forum?
Der Kronstädter Kreisrat besteht aus 35 stimmberechtigten Mitgliedern, einschließlich des direkt gewählten Kreisratsvorsitzenden. Die Parteien, die die Sozial-Liberale Union (USL) bilden, stellen 19 Kreisräte (samt Kreisratsvorsitzendem), die Demokratisch-Liberale Partei (PDL) hat 12 Kreisratsmandate erzielt, und drei weitere politische Organisationen außer dem DFDKK noch die Volkspartei Dan Diaconescu (PP-DD) und der Ungarnverband (UDMR) – sind mit je zwei Kreisräten in diesem Gremium vertreten. USL und PP-DD haben gleich nach der Konstituierung des Kreisrates nach den Kommunalwahlen im Sommer 2012 ein Protokoll über politische Zusammenarbeit vereinbart und unterzeichnet. Auch dem DFDKK hat die USL ein derartiges Bündnis angeboten, das wir aber höflich ablehnten. Wir wollten unsere Eigenständigkeit wahren, trotz der geringen Zahl unserer Kreisratsmandate. Andernfalls hätten wir unseren Wählern von vornherein empfehlen können, nicht uns, sondern die USL zu wählen. Allerdings ist unsere Situation im Kreisrat – angesichts der Tatsache, dass wir über bloß zwei Mandate verfügen – nicht gerade komfortabel. Laut einschlägiger Gesetzgebung können sich Kreisratsfraktionen erst ab drei Kreisratsmitgliedern konstituieren. Die zwei DFDKK-Kreisräte gehören infolgedessen keiner Fraktion an. Unser Status ist eher der von unabhängigen, parteilosen Kreisratsabgeordneten. Andrerseits gibt es natürlich zwischen den beiden DFDKK-Kreisräten eine ständige Kommunikation, Beratung und Koordination zu den aktuellen Aspekten unserer Tätigkeit im Kreisrat. Und das Verhältnis zu allen anderen Kreisratsmitgliedern – egal, ob es sich um Vertreter der USL-Mehrheit oder der Kreisrats-Minderheiten handelt – kann als durchaus kollegial bezeichnet werden.
In welchen Bereichen ist eine Zusammenarbeit mit der einen oder anderen Fraktion besonders wichtig?
Im Kreisrat dreht sich eigentlich alles oder fast alles ums Geld, um die Zuteilung der verfügbaren Geldmittel an einzelne Tätigkeitsbereiche, an die dem Kreisrat untergeordneten Dienststellen und Institutionen, z. B. Spitäler, Sonderschulen für Kinder mit verschiedenen Arten von Behinderungen, mehrere Museen und andere Kulturinstitutionen etc. Setzt man sich z.B. zum Ziel, bei der Verteilung der Gelder mitzusprechen, dass etwa für ein Projekt oder eine bestimmte Einrichtung im Jahreshaushalt des Kreises eine bestimmte Summe vorgesehen wird, so empfiehlt es sich natürlich, zur Fraktion der USL-Mehrheit und zu deren Vertretern im Budget-Ausschuss, vor allem aber zum Kreisratsvorsitzenden und zu den zwei stellvertretenden Kreisratsvorsitzenden gute Beziehungen zu unterhalten.
Wie effizient arbeiten die Fachausschüsse, denen Sie mit angehören?
Im Kronstädter Kreisrat funktionieren neun Fachausschüsse. Als sich diese Ausschüsse konstituierten, wurde jedes Kreisratsmitglied einem Ausschuss zugeteilt. Außerdem konnte jeder Kreisrat für die Mitgliedschaft in einem zweiten Ausschuss optieren, was aber kein Muss, keine Pflicht darstellte. Ich wurde dem Ausschuss für urbane Organisation und Entwicklung, die Realisierung öffentlicher Arbeiten, die Konservierung der Geschichts- und Baudenkmäler zugeteilt und optierte außerdem für den Ausschuss für Wissenschaft, Unterricht, Kultur und Kulte (Glaubensgemeinschaften). Ich kann nicht sagen, dass mich die Art und Weise, wie diese Ausschüsse funktionieren, voll zufriedenstellt. Die Hauptaufgabe der Ausschüsse ist ja, die Beschlussvorlagen, die dem Kreisratsplenum zur Annahme unterbreitet werden sollen, zu prüfen und Gutachten zu erstellen, in denen die Annahme des betreffenden Beschlusses empfohlen oder abgelehnt wird. Das letzte Wort hat allerdings das Kreisratsplenum. In der Regel finden die Ausschusssitzungen wenige Tage vor den Plenarsitzungen statt. Sie werden kurzfristig einberufen, und man hat wenig Zeit, sich mit der Tagesordnung vertraut zu machen. Außerdem lässt die Anwesenheit der Kreisratsmitglieder bei diesen Ausschusssitzungen zu wünschen übrig. Dafür muss man allerdings ein gewisses Verständnis aufbringen. Kreisratsmitglied sein ist ja kein Fulltimejob, man kann das auch schwerlich als nebenberufliche Tätigkeit bezeichnen, es ist eher ein Ehrenamt. Die Kreisratsmitglieder sind berufstätig oder tragen als Geschäftsleute Verantwortung für ihre Firmen und deren Belegschaft. Kurzfristig, von heute auf morgen angekündigte Sitzungstermine wahrzunehmen, ist nicht immer einfach und nicht immer möglich. Trotzdem bemühen sich die Ausschüsse – dies ist mein Eindruck -, ihre Aufgaben wahrzunehmen und diesen gerecht zu werden.
Welche Prioritäten berücksichtigt der Kreisrat zur Bestimmung der wahrscheinlich unzureichenden Geldmittel?
Das Hauptkriterium bei der Haushaltsgestaltung ist und bleibt das reibungslose Funktionieren der rund 30 dem Kreisrat unterstellten Dienststellen und Institutionen. Leider sind wir weit davon entfernt, sagen zu können, dass der Kreisrat über genügend Geldmittel verfügt, um allen seinen Aufgaben gerecht zu werden, allen Notwendigkeiten zu entsprechen. Ein Bereich, der darunter spürbar zu leiden hat, ist beispielsweise die Instandhaltung der Kreisstraßen. Die dafür zur Verfügung stehenden Fonds reichen nicht mal für die Schneeräumung aus. Bekanntlich befindet sich die Kreisstraße 104 von Schirkanyen/Şercaia nach Hoghiz in einem katastrophalen Zustand, und momentan fehlen die Mittel, diese viel befahrene Landstraße instand zu setzen. Als Alternative nutzen viele Autofahrer die Kreisstraße 104 D/105 A von Fogarasch über Scharosch/Şoarş, Leblang/Lovnic, Seiburg/Jibert und Stein/Dacia nach Reps/Rupea, doch auch diese Landstraße befinden sich in einem zweifelhaften Zustand, der sich laufend verschlechtert.
Wie wichtig sind politische Kriterien bei der Ausarbeitung des Kreishaushaltes (Zuteilung der Gelder an Städte und Gemeinden, Zuwendungen für Kulturbehörden, Haushaltsumschichtung)?
Wenn man den Massenmedien Glauben schenkt, so soll es landesüblich sein, dass die Gelder, über die der Kreisrat verfügt, in großem Maße nach politischen Kriterien vergeben werden. Immer wieder hört man z. B., dass Bürgermeister, die zum Regierungslager gehören, Gelder für die Aufstockung ihrer Kommunalhaushalte, für den Ausgleich von Defiziten in den kommunalen Haushaltskassen zugewiesen bekommen, während Bürgermeister, die den Oppositionsparteien angehören, leer ausgehen. Mein persönlicher Eindruck ist der, dass das, zumindest im Kreis Kronstadt, nicht hundertprozentig der Fall ist. In vielen Fällen ist der Kreisrat nur eine Durchlaufstelle für Fonds aus dem Staatshaushalt, die an die Kommunen, an die Städte und Gemeinden, weitergereicht werden. Die Verteilung dieser Mittel an die einzelnen Kommunen wird nicht vom Kreisrat, sondern von der Regierung oder dem Ministerium für öffentliche Finanzen im Vorhinein festgelegt. Die jetzige Kreisratsleitung ist übrigens sichtlich darum bemüht, den Eindruck zu vermeiden, dass die Vergabe der nicht sehr üppigen Geldmittel auf politische Zugehörigkeiten Rücksicht nimmt. Ob es im Laufe der nächsten Wochen oder Monate eine Umschichtung des Staatshaushaltes geben wird, die sich auf die finanzielle Situation der Kreisräte und damit auch des Kreisrates Kronstadt/Braşov positiv auswirken wird, ist eher fraglich.
Inwieweit gibt es eine finanzielle staatliche Unterstützung über den Kreisrat für Institutionen und Organisationen der deutschen Minderheit? Wenn es sie gibt, ist sie ausreichend?
Bekanntlich verwaltet das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien das seit mehr als 20 Jahren funktionierende Altenheim in Schweischer/Fişer bei Reps. Für das Haushaltsjahr 2013 hat das Landeskonsistorium erstmals, unter Berufung auf die einschlägige Gesetzgebung, beim Kreisrat Kronstadt um die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für dieses Altenheim angesucht. Wir haben uns bemüht, für dieses Ansuchen die nötige Lobby zu machen. Das ist uns zum Teil gelungen. Angefordert wurden 120.000 Lei, genehmigt wurden im Kreisratshaushalt für diesen Zweck 50.000 Lei. Immerhin mehr als nichts. Andrerseits wurde in der gleichen Kreisratssitzung, in der der Jahreshaushalt abgesegnet wurde, die Liste der juristischen Personen genehmigt, deren Projekten der Kreisrat Kronstadt in diesem Jahr finanzielle Unterstützung gewähren wird. Darunter befinden sich u. a. der Siebenbürgische Karpatenverein (SKV), der Deutsche Wirtschaftsklub Kronstadt, die Stiftung Nowero (Reps) und auch mehrere Schulen (darunter die Honterusschule).
Welches wären, Ihrer Meinung nach, die Hauptaufgaben eines Kreisrates in einer größeren, mehr oder weniger deszentralisierten Verwaltungseinheit („Region“). Oder wird dann der Kreisrat überflüssig?
Ich muss sagen, dass ich dem Regionalisierungsprojekt, das zurzeit in der rumänischen Öffentlichkeit intensiv diskutiert wird, äußerst skeptisch gegenüberstehe. In dieser ganzen Diskussion ist mir kein einziges logisches Argument zu Ohren gekommen, das die Einführung von regionalen Verwaltungseinheiten als wünschenswert erscheinen ließe. Eine zusätzliche regionale Verwaltungsebene bedeutet zusätzliche Bürokratie und zusätzliche Kosten. Meiner Meinung nach war die Verwaltungsreform von 1968, in deren Zuge die Auflösung der Regionen und die Wiedereinführung der Landkreise als administrativ-territoriale Einheiten durchgeführt wurde, ein Schritt nach vorn, der die gleichmäßigere Verteilung der Ressourcen, über die unsere Land verfügt, zur Folge hatte. Zum Beispiel wurde damals die Gründung des Kreises Hermannstadt/Sibiu in gewisser Hinsicht als Befreiung von der Kronstädter Bevormundung empfunden. Die Gründung der Landkreise wirkte sich damals auf lokale Initiativen in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur förderlich aus. Die Einführung von Regionen, die willkürlich voneinander abgegrenzt werden und z. B. historische Kriterien kollektiven Identitätsbewusstseins ignorieren, ist m.E. nicht zu empfehlen. Die Landkreise hingegen gab es in Siebenbürgen sowohl in der Zwischenkriegszeit wie auch – unter der Bezeichnung Komitate – in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, auf ehemaligem sächsischem „Königsboden“ ab ungarischer Verwaltungsreform von 1876.