Im Herbst 2024 erschien im TREI-Verlag der Debütroman Packerl der österreichischen Autorin Anna Neata in der rumänischen Übersetzung von Laura Karsch.
Anna Neata erzählt die Geschichte einer Familie über mehrere Generationen (etwa 80 Jahre) mit kollektiven und persönlichen Geheimnissen und Traumata. Im Mittelpunkt stehen Frauen verschiedener Generationen – Elisabeth (1928), die die NS-Zeit und Nachkriegsjahre erlebt hat, ihre Tochter Alexandra (1951), ein Kind der Nachkriegszeit und die Enkelin Eva (1986). Jede Frau stellt ihre persönliche Geschichte aus der Perspektive ihrer Beziehungen zu Mutter, Großmutter und Tochter dar, wobei Geheimnisse und seelische Belastungen meist unbewusst von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, was sich im Roman in Symp-tomen wie Ängsten oder psychischen Erkrankungen äußert. Besonders betroffen ist Eva als Vertreterin der dritten Generation.
Die Erzählung verläuft nicht chronologisch, was die Lektüre anfangs erschwert. Einerseits sind die Kapitel in sich geschlossen, andererseits spiegelt sich die Vergangenheit im gegenwärtigen Leben der Protagonistinnen wider, sodass die Kapitel verwoben sind.
Nationalsozialismus und die Frage nach der Selbstbestimmung des Frauenschicksals sind die Hauptthemen, sodass es nicht verwundert, dass moralische Fragen in Sprachlosigkeit und Tabuisierung münden. Die NS-Zeit, Abtreibungen und Familienkonflikte werden über Generationen hinweg verdrängt und zermürben den Familien- und Gemeinschaftsfrieden. Ferner prägt die Auflehnung gegen patriarchale Strukturen und gesellschaftliche Zwänge das Leben der Frauen. Doch gelingt es der Jüngsten, Eva, die Last der Vergangheit, das Packerl, zu versprachlichen. Die Kamera wird zu ihrem Instrument der Vergangenheitsbewahrung und -bewältigung.
Jede Frau im Roman hat ihre eigenen Herausforderungen, „jede(r) hat sein Päckchen zu tragen“, wie Neata sich selber im Literaturhaus Salzburg zu ihrem Roman äußert. Indem die Frauen, jede auf ihre Weise und vor ihrem sozialen und privaten Hintergrund, versuchen, sich ihrem Packerl, sprich ihrer Vergangenheit zu stellen, entsteht ein differenziertes Porträt der Frauenbeziehungen sowie weiteren Familienverflechtungen. Zudem spannt die Autorin Anna Neata den Bogen vom Individuellen zum Allgeimen und liefert gleichzeitig einen kompakten historischen Überblick über rund 80 Jahre österreichische Geschichte.
Es ist erfreulich, dass dieser Roman bereits nach einem Jahr seit der Veröffentlichung nun in rumänischer Sprache vorliegt. Laura Karsch, eine erfahrene Übersetzerin, findet den treffenden Ausdruck in der Titelübersetzung – Povara. Im rumänischen Text wird geschickt zwischen Texttreue und kultureller Anpassung an die Zielsprache changiert, denn Laura Karsch optiert berechtigterweise für zahlreiche Fußnoten, in denen sie historische Hintergründe und Kontexte erklärt, etwa wie Verbände in der NS-Zeit, lokale Bräuche und Besonderheiten sowie intertextuelle Bezüge. Darüber hinaus meistert die Übersetzerin mit kultureller Sensibilität die Herausforderung, die zahlreichen Austriazismen zu übersetzen.
Thematisch dürfte Neatas Text das rumänische Publikum ansprechen, da sich stellenweise Isotopien (ähnliche Themen) zum Roman der rumänischen Autorin Marta Petreu Acas˛ pe câmpia Armaghedonului erkennen lassen. Dieser thematisiert ebenfalls die Selbstbestimmung des Frauenschicksals und die Suche nach Glück in einer konservativen und patriarchalischen Gesellschaft.
Der Roman Packerl lädt ein, über die Notwendigkeit eines offenen Umgangs mit Tabuthemen der Vergangenheit, über Diskriminierung und die Verarbeitung von Traumata nachzudenken. Frauenschicksale sind universale Themen, die ein breites Publikum berühren, weshalb die Übertragung dieses Romans ins Rumänische besonders zu begrüßen ist und vielleicht eine schöne Idee für ein Weihnachtsgeschenk darstellt.