„Wir haben eine große Verantwortung, den Namen und den Ruf unserer Minderheit korrekt zu vertreten“

Interview mit Robert Marian, DFDR-Kandidat für den Kronstädter Stadtrat

Nur noch 10 Tage sind es bis zu den Kommunalwahlen. Die vom Demokratischen Forum der Deutschen in Kronstadt (DFDR Kronstadt) festgelegten Kandidaten stehen seit einiger Zeit auch amtlich fest. An erster Position der Liste für den Stadtrat befindet sich Robert Marian, ein besonders aktiver junger Mann, der sich mit im Ausland gesammeltem Know-How seit einigen Jahren ins Gemeinschaftsleben einbringt. Robert Marian stammt aus einer multikulturellen Familie bestehend aus Siebenbürger Sachsen, Rumänen und Szeklern. 2018 absolvierte er das Honterus-Lyzeum, anschließend die Wirtschaftsuniversität Wien und arbeitete in Wien und Rotterdam, bevor er 2014 nach Hause zurückkehrte. In Kronstadt hat er bei verschiedenen internationalen Unternehmen gearbeitet und sich parallel dazu als Freiwilliger in verschiedenen kulturellen und erzieherischen Projekten engagiert. Sein wichtigstes und erfolgreichstes Projekt ist der Honterus-Alumniclub, dessen Vorsitzender er ist. Der Verein wurde im Dezember 2015 auf seine Initiative gegründet und vereint Honterus-Absolventen aus vielen verschiedenen Jahrgängen. In den letzten Jahren haben die Mitglieder des Clubs angefangen, ihre zahlreichen Vorhaben schrittweise in die Tat umzusetzen: sich untereinander besser zu vernetzen, der Schule zu helfen und sich aktiv im Stadtleben Kronstadts zu beteiligen.

Über die guten und schlechten Seiten Kronstadts, die zukünftigen Pläne für die Stadt und über die diesjährige Wahlkampagne sprach mit Robert Marian die KR-Redakteurin Elise Wilk.

 

Für diejenigen, die dich noch nicht kennen: Wer ist Robert Marian?

Als allererstes: Kronstädter. Ich bin Absolvent des Honterus Lyzeums – heute Honterus Nationalkolleg, Ausgewanderter (für die Studienzeit) und seit 2014 Rückkehrer, Vorsitzender des Honterus Alumni-Clubs (Verein der Honterus Absolventen), Vorstandsmitglied im Ortsforum Kronstadt.

Wie kommt es dazu, dass du dich entschieden hast, seitens des Deutschen Forums für den Lokalrat zu kandidieren?

Den Gedanken, mich für Kronstadt auch politisch einzusetzen habe ich schon seit der Schulzeit. Schon damals war ich sehr interessiert daran, wie die Stadt läuft, wie sich unsere Stadt national und europaweit positioniert und wie sie sich langfristig entwickelt. Im Ausland habe ich täglich die Kronstädter online-Lokalpresse gelesen. 2012 war ich noch im Ausland, habe aber versucht, so viel Wahlkampf wie möglich für das Forum zu machen. 2016 war ich dann Kandidat seitens des Forums und habe mich aktiv in die Kampagne eingebracht. Dieses Jahr hab ich den Entschluss gefasst, mich für eine der oberen Positionen auf der Stadtratsliste des Forums aufstellen zu lassen. Die Leute, die ich darauf angesprochen habe, waren über meine Entscheidung glücklich, haben mich unterstützt und unterstützen mich auch weiterhin. Am Ende wurde ich dann auf den ersten Platz der Stadtratsliste gewählt. Zusammen mit Uwe Simon, Olivia Grigoriu und Thomas Șindilariu sind wir die Spitzenkandidaten des Forums und sehen es als unsere Verantwortung an, das Forum erneut in den Stadtrat und den Kreisrat zu bringen und gleichzeitig aber auch mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein auf den Namen und den Ruf des Forums und der deutschen Minderheit zu achten.

Du hast während der Studienzeit und auch danach Erfahrung im Ausland gesammelt. Welches know-how wirst du in den Stadtrat mitbringen?

Man bringt einiges mit, wenn man in Ländern gelebt hat, die keinen Kommunismus hatten und nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurden und sich weiterentwickelt haben, so wie sich wohl auch Kronstadt ohne Kommunismus organisch entwickelt hätte. Man sieht in solchen Ländern, dass die Stadt als erstes für seine Bürger hergerichtet wird, dass eine Stadt Lebensqualität bieten muss. 2014 bin ich nicht mit leeren Händen zurückgekehrt. Man hatte zu der Zeit intensiv über die Entwicklung eines Fahrradwegnetzes in Kronstadt diskutiert. Ich war damals im Transportausschuss des Stadtrats und habe den damaligen Stadträten die Kontaktdaten der zwei Hauptverantwortlichen für Verkehr aus Rotterdam zur Verfügung gestellt. Der Verantwortliche für die Architektur der Straßen, Kreuzungen usw. und der Verantwortliche für die Vorschriften – Geschwindigkeitsbegrenzungen, Vorfahrten usw. Das Fahrradwegnetz ist heute nicht viel mehr entwickelt als damals. Das ist vielleicht auch eine Chance, es direkt richtig zu machen und alles anzuwenden, was Länder wie die Niederlande über Jahrzehnte gelernt haben. Fünf Jahre habe ich in Wien gelebt, die Stadt mit dem weltweit höchsten Lebensstandard. In so einer Stadt zu leben, gibt einem ein Bild davon, wo Kronstadt wachsen kann, um uns als Bürger noch viel mehr Lebensqualität zu bieten.

Was gefällt dir an Kronstadt? Nenne drei positive Aspekte der Stadt.

Die Innere Stadt, die Bürger, die Zinne. Ich glaube, das ist der Grund dafür, warum Kronstadt die beliebteste Stadt Rumäniens ist. Die Innere Stadt, die einen zum Wohlfühlen und Entspannen einlädt. Zum Auftanken gehe ich immer gerne hin. Die Zinne, die imposant hervorragt und die man – immer noch – aus fast jedem Teil der Stadt sieht. Wir haben diesen Vorteil, von so viel Natur umgeben zu sein. Und vor allem die Leute in der Stadt. Wir sind etwas flinker als in anderen Teilen des Landes, auch viel ruhiger und entspanter. Und ich mag es, dass sich Kronstädter so viel in das Geschehen ihrer Stadt einbringen. Sei es kulturell, sozial oder wirtschaftlich.

Was fehlt Kronstadt heute, deiner Meinung nach? Nenne drei negative Aspekte der Stadt. Wie würdest du sie verbessern?

Der Puls – das kulturelle und soziale Leben in der Stadt. Ich komme hier darauf zurück: Kronstädter bringen sich viel in das Geschehen der Stadt ein, auch in das kulturelle und soziale Leben. Seit 2014 habe ich mit mehreren dieser Leute als Freiwilliger bei verschiedenenVerantstaltungen und Festivals zusammengearbeitet.  Leute gibt es, die mehr Leben in die Stadt bringen wollen und können. Sie brauchen nur Freiraum und Hilfe mit der nötigen Infrastruktur.
Mobilität ist in Kronstadt noch sehr PKW-lastig. PKW fahren ist aber sehr teuer für rumänische Verhältnisse.

Eine realistische Rechnung kommt auf 500 bis 900 Lei pro Monat. Wenn man eine PKW-Fahrt öfter durch öffentliche Verkehrsmittel, Fahrrad, Elektroroller oder andere Verkehrsmöglichkeiten ersetzen kann, dann beginnt man schon viel zu sparen. Von diesem Geld gönnt man sich dann etwas anderes. Da steigt die Lebensqualität dann nochmal.
Ein ganz konkreter Punkt in unserer Agenda für das Mandat 2020-2024 sind auch die Müllcontainer in den Wohnblockvierteln. Da wird viel herumgewühlt, teilweise von Obdachlosen, teilweise von Hunden und Katzen – manchmal von Bären, ein spezifisches Problem von Kronstadt. Das hinterlässt Müll rund um die Container. Stinken tut es dort auch. Eine Lösung, die man in den neuen Vierteln der Stadt schon anwendet, sind vergrabene Müllcontainer. Durch die Konstruktion ist das Wühlen unmöglich. Hunde, Katzen, Mäuse oder Ratten kommen auch nicht mehr zu dem Müll. Bei diesem Konzept geht der Deckel immer von alleine zu, das sorg dafür, dass der Geruch fast komplett drinnen bleibt. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass Schritt für Schritt immer mehr der jetzigen Müllcontainer durch vergrabene Container ersetzt werden.

Was empfiehlt deiner Meinung nach das Forum für die Stadtverwaltung?

Die deutsche Minderheit setzt sich in allen Bereichen für die Stadt ein. Im Schulbereich, in der Kultur, in der Industrie, im Tourismus, in der Architektur usw. Auch im Stadtrat setzen wir uns für die Stadt und ihre Entwicklung und ihren Fortschritt ein. Und, wie gesagt, haben wir eine große Verantwortung den Namen und den Ruf unserer Minderheit korrekt zu vertreten.

Bei den Lokalwahlen 2016 meinte Thomas Șindilariu, dass jede Wahlkampagne eine Gelegenheit für die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls sei. Wie kann man während der Kampagne konkret helfen?

Da hat Thomas recht. Das Gemeinschaftsgefühl haben wir schon während dem Unterschriftensammeln gespürt. Unsere Mitglieder haben sich engagiert und das hat unsere Mission, die nötigen Unterschriften zusammen zu bringen, viel leichter gemacht.

Genauso ist das in der Kampagne für die Wahlen. Wenn jeder von uns mit zwölf Nachbarn, Freunden, Kollegen oder Bekannten erzählt und erwähnt, dass das Forum ein junges, motiviertes Team bei der Wahl 2020 hat, dann macht das mehr als jedes Geld, dass das Forum in den Wahlkampf investieren könnte. Weil wir alle viel mehr auf persönliche Empfehlungen hören, als auf Werbeplakate. Im Ortsforum sind wir mehr als 600 Mitglieder, da kann man sich mal ausrechnen, wie viele Leute wir über persönliche Empfehlungen erreichen.

Auf jeden Fall ist Wählen dieses Jahr besonders wichtig. Die Wahlbeteiligung scheint wieder extrem gering auszufallen – vor 4 Jahren lag sie bei 37%, dieses Jahr soll sie noch kleiner werden. Damit hat jede Stimme für das Forum jetzt doppelt oder sogar dreifaches Gewicht, aber auch jede Stimme, die das Forum nicht bekommt, wiegt viel mehr und macht ein erfolgreiches Wahlergebnis viel schwerer.

Mit welchen Argumenten würdest du einen noch unentschiedenen Wähler überzeugen, das Deutsche Forum zu wählen?

Die deutsche Minderheit setzt sich und wird sich auch immer für Kronstadt einsetzen. Wir sind nicht viele, aber wir haben viele hochqualifizierte Leute in unseren Reihen, in allen Bereichen, die die Stadt braucht – Architektur, Energie, Kultur, Gesundheit, Erziehung, Geschichte und Kulturerbe, Tourismus, Wirtschaft usw. Außerdem sind wir ein Berührungspunkt zwischen dem deutschsprachigen Ausland und Kronstadt. Ein Berührungspunkt, von dem Kronstadt viel profitiert.

Wir danken für das Gespräch!