KULTURHAUPTSTADT TEMESWAR 2023: Alte Musik ganz neu entdeckt

Eufonia-Festival bringt zum zweiten Mal Bernhard Forck nach Temeswar

Ein abwechslungsreiches Konzert mit verspielten bis lamentierenden Stücken, mit Serenaden und dramatischer Kampfmusik, kurz „Contrasts“, bei dem jedes Stück in einer anderen Besetzung gegeben wurde. Foto: Astrid Weisz

Ein Abend - vier Konzerte, alle mit „klassischer“ Musik, und kein Veranstalter klagte über zu wenig Publikum am 3. September in Temeswar/Timșoara. Die Kulturereignisse häufen sich langsam wieder in der Kulturhauptstadt und man hat die Qual der Wahl, ob man nun dem französischen Intercontemporain- Ensemble im Rahmen des Enescu-Festivals, dem Orgelkonzert mit Bläserensemble im reformierten Zentrum „Neues Millennium“, Vivaldis „Jahreszeiten“ in der innenstädtischen Synagoge oder doch in der Piaristenkirche dem barocken Contrasts-Konzert beiwohnt. 

Mit einem richtigen Ohrenschmaus und einer Augenweide zugleich wurden die Besucher der Baroque-Academy-Konzerte im Rahmen des Eufonia-Festivals in Temeswar letzte Woche belohnt, ob in der besagten Piaristenkirche, in der gotischen Kirche von Vinga oder im anmutigen, selbst barocken Sankt-Georgs-Dom. Junge Musikschüler, ab 14 bis 15 Jahren, und Studenten aus Rumänien musizieren neben Profimusikern von Weltruhm – dem hat sich auch bei der 6. Auflage das Temeswarer Eufonia-Festival, man kann sagen erfolgreich, verschrieben. Nach Meisterkursen mit über 70 Teilnehmern aus der halben Welt in der ersten Festivalwoche vereinte unter dem Motto Baroque-Akademy die zweite Woche sehr gute Musiker aus Berlin mit begeisterten und begnadeten rumänischen Nachwuchskünstlern. Der musikalische Leiter des Festivals, Vlad Popescu, hätte mit 18 bis 20 Jahren nur davon träumen können, mit hochkarätigen, internationalen Musikern zusammenzuarbeiten, eine Chance, die das Festival nun Schülern und Studenten eröffnet. Zu den Stars zählten Professor Diego Cantalupi aus Bari (Italien) an der Laute, Florian Schmidt-Bartha, Solocellist im Bielefelder Stadttheater, Mladen Somborac (Mitglied im Mahler Chamber Orchestra), einer der berühmtesten Bratschisten der Welt, die Japanerin Mimoe Todo am Cembalo, Vlad Popescu an der Violine und Bernhard Forck, der Konzertmeister und Mitbegründer der Akademie für Alte Musik Berlin, die in diesem Jahr das 30. Jubiläum feierte. Nach Tagen des intensiven gemeinsamen Studiums (8 bis 9 Stunden pro Tag) entstand das Contrasts-Konzert in der Piaristenkirche. 

„Es war sehr farbenreich. Wir hatten frühen italienischen Barock, also Buonamente und Maggini, dann die österreichische böhmische Musik mit Schmelzer und Biber, das sind die großen Violin-Virtuosen ihrer Zeit, wobei Biber sehr viel und auch mit wahnsinnig viel Humor Programmmusik gemacht hat, aber auch die Rosenkranzsonaten, die sehr religiös sind. Dann hatten wir natürlich auch deutsche Komponisten, Erlebach, ein eigentlich ostfriesischer Komponist, hat in Thüringen sehr wunderbare Vokalmusik geschrieben, Georg Philipp Telemann, einfach der vielseitigste Komponist seiner Zeit, und dann mein Favorit, der Engländer Henry Purcell“,  beschreibt Bernhard Forck den Abend in der stimmig beleuchteten Kirche, in der bei manchen Stücken sich die Musiker im Raum bewegten und mit den Echos spielten. Im Orchesterprogramm, das im Vinga und im Dom gegeben wurde, standen englische Komponisten, wobei Forck damit die Komponisten meint, „die in London, einer der wichtigsten Musikmetropolen des 18. Jahrhunderts, gewirkt haben“, also Henry Purcell und sein Vorgänger Matthew Locke, Georg Friedrich Händel, Charles Avison und Francesco Geminiani, der aus der berühmten „La Follia“ von Corelli ein Concerto Grosso gemacht hat. Bernhard Forck: „Es war total schön, ich habe mich gefreut, wieder hierherzukommen, weil es im letzten Jahr so viel Spaß gemacht hat. Es ist spannend, was man in knapp vier Tagen zusammen an Musik erarbeitet, wie man dann zusammenwächst. Ich habe mir ganz bewusst ein Programm ausgesucht, das niemand vorher gespielt hat, weil es wahrscheinlich auch niemand vorher, wahrscheinlich nicht einmal die Komponisten, kannte. Denn dann geht man ganz neu an die Musik heran, so ein bisschen wie die Zuhörer damals, die das zum ersten Mal gehört haben. Es war ja irgendwann mal zeitgenössische Musik.Und dann kann man mit dieser Frische ganz neue Dinge entdecken. Das ist das, was ich gerne auch weitergeben will: Dass man die Musik immer wieder lebendig hält, auch den Witz, den Tanz, da herauszuholen und nicht nur schöne Noten spielen. Die osteuropäische Violinschule ist sehr gut und streng. Man merkt, dass alle sehr, sehr fleißig in ihrem Leben gearbeitet haben. Ich bin immer bemüht, ein bisschen mehr Lockerheit und Freiheit hineinzubringen, weil der musikalische Standard hier unglaublich hoch ist.“