Knapp ein Jahr nach dem viel zu frühen Tod von Anselm Roth legt der Schiller Verlag den nächsten Bildband seiner Reihe „Über Siebenbürgen“ vor. Als der erste Band im Jahr 2015 erschien, schrieb Anselm Roth im Vorwort: „Wer sich länger mit den Kirchenburgen beschäftigt, entwickelt eine regelrechte Zuneigung zu ihnen.“ Diese Zuneigung Roths ist bei allen Bänden bisher zu spüren. Und auch der neue posthume und von anderen vollendete Band spiegelt das wieder, dieses Mal mit Bildern und Impressionen von Kirchenburgen aus dem Schäßburger Land.
Es war Anselm Roths erklärte Absicht, 18 Jahre nach Erscheinen des Klassikers „Siebenbürgen im Flug“ von Luftfotograf Georg Gerster eine aktuelle Bestandsaufnahme aller noch existierenden Kirchenburgen zu versuchen. Seither entstand viel mehr als eine bloße „Bestandsaufnahme“. Anselm Roths Bücher sind eine Liebeserklärung an die Kirchenburgenlandschaft seiner siebenbürgischen Heimat, an die alte Würde, die neue Einsamkeit und das Leben, das dort bisweilen noch in diesen Kirchenburgen herrscht, auch wenn es meist nicht mehr pulsiert. Die gesamte Reihe nimmt die Leser mit auf eine atemberaubende Reise durch Zeit und Raum. Zusammen mit dem Fotografen Ovidiu Sopa entwarf Anselm Roth acht farbenfrohe Tableaus der Landschaft, der Dörfer und Städte und der wehrhaft gerüsteten Kirchen.
Im Herbst 2019 begann er selbst noch die Arbeit an einem weiteren Band. Leider war es ihm nicht vergönnt, diesen abzuschließen. Mit diesem neuen, nun neunten Band mit den Bildporträts von Kirchenburgen im Schäßburger Land schreibt der Schiller Verlag das bisherige achtbändige Projekt Roths und damit dessen Vermächtnis nicht nur fort, sondern führt es auch einen Schritt weiter zur Vollendung. Ein Band über das Nösnerland steht nun noch aus. Von Anselm Roth stammen hier noch die ersten drei Beschreibungen und Innenfotografien des Bandes zu den Kirchenburgen von Waldhütten/Valchid, Großkopisch/Copșa Mare und Malmkrog/Malâncrav. Die Fotos und Texte zu den weiteren Kirchenburgen stammen von Bogdan Muntean, sämtliche Luftfotografien von Ovidiu Sopa.
Dieser Band widmet sich den Kirchenburgen im Schäßburger Land, das gleichzeitig das letzte, Anfang des 14. Jahrhunderts von den Siebenbürger Sachsen besiedelte Gebiet in Siebenbürgen darstellt, wie Hansotto Drotloff und Bogdan Muntean in ihrem Vorwort schreiben. Neben den erwähnten drei Orten kommen hier Dunesdorf/Daneș, Peschendorf/Stejareni, Großalisch/Seleuș, Schäßburg/Sighișoara, Nadesch/Nadeș, Maniersch/Magheruș, Felldorf/Filitelnic, Zendersch/Senereuș, Rode/Zagar und Kleinalisch/Seleuș zum Zuge.
Drotloff und Muntean betonen: „Die meisten dieser Ortschaften gehörten zum Komitatsboden, der vom ungarischen Adel beherrscht wurde. zwar erfreuten sie sich anfangs der gleichen Rechte und Privilegien wie die Sachsen auf Königsboden, doch mit der Zeit verloren sie immer mehr von ihren Freiheiten und blieben bis Mitte des 19. Jahrhunderts Hörigendörfer. Diese Situation widerspiegelt sich in der Bescheidenheit einiger Kirchen und deren Verteidigungsanlagen.“ Beide verleihen ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Besucher des Touristenmagneten Schäßburg sich auch in die Nebentäler der Stadt und die Dörfer des Zwischenkokelgebiets locken lassen.
In der Tat sind auch die Luft- und Innenbilder dieses Bandes wieder eine Einladung zum Besuch dieser Orte und Kirchenburgen. Luftfotografien massiver Kirchenburgen wie etwa in Großkopisch (S. 11-15) kommen neben etwas einfacheren Gotteshäusern und Anlagen wie aus Nadesch (S. 50-57) und sehr alten, aber doch bescheidenen Kirchenburgen wie aus Maniersch zu stehen (S. 56-59). Wobei der Band in der Darstellung und Beschreibung keine Unterschiede macht und die Würde all dieser Gotteshäuser wertschätzend in Wort und Bild wiedergibt. Die Kurztexte sind wieder prägnant, informativ, konzentriert und gut lesbar.
Stimmungsvolle Ortsbilder zeigen einmal mehr auch in diesem Bildband die Bedeutung der sächsischen Kirchen in diesen Dörfern als bauliche Ortsmitte, ganz besonders schön sichtbar an den Bildern aus Großalisch (besonders S. 41). Wobei manche zwar durchaus die optische Mitte des Ortes bilden, baulich aber fast auf freiem Feld stehen wie auf den Fotografien von Malmkrog, Maniersch oder Felldorf zu sehen. Die Innen- wie Außenbilder atmen tiefe Ehrfurcht und künden vom Respekt der Erbauer und der späteren Gemeinden für ihre Gotteshäuser.
Neben den Luftbildern sind sehr aussagestarke und eindrucksvolle Innenfotos zu sehen von Chor- und Altarräumen (etwa Waldhütten, S. 10, oder Rode, S. 75), eleganten, aber auch einfachen Altären, schmucken Deckengewölben, Orgeln oder Taufsteinen. Auch manches Kunstwerk wie Malereien aus Malmkrog sind zu bewundern (S. 27). Trutzig stehen sie da, manche dieser Burgen wie etwa jene aus Großkopisch oder Zendersch. Aber auch mancher Verfall wird mit fast schon ästhetischen Bildern in der Tradition von „Lost Places“ gezeigt, so aus dem Kircheninneren von Felldorf (S. 65).
Die Bildauswahl, die Motive und deren Druckqualität knüpfen insgesamt an das Niveau der bisherigen Bände an. Zu kritisieren gibt es recht wenig. Statt des recht abendsonnig-dunklen und schattenreichen Titelbildes hätten sich andere eher angeboten. Echte Ausrutscher im Bildniveau sind außerdem die Aufnahmen aus Schäßburg, die verschattet, dunkelstichig und teilweise vernebelt sind (S. 44-46, 48-49). Auch die drei Innenstadtbilder von S. 47 wirken recht uninspiriert und langweilig. Das hat man schon besser gesehen. Aber angesichts der fotografischen und dokumentarischen Gesamtleistung auch dieses Bandes fallen solche Petitessen nicht weiter ins Gewicht. Und gute Bildbände speziell zu Schäßburg gibt es auch genug. Anselm Roth hätte jedenfalls zu Recht seine Freude auch an diesem Band, den seine Nachfolger verantwortet und veröffentlicht haben.