Im Museum der Kunstsammlungen (Muzeul Colecţiilor de Artă) in der Calea Victoriei 111, das nach längerer Schließung seit anderthalb Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugänglich ist, ist noch bis 11. März dieses Jahres, täglich (außer donnerstags und freitags) von 10 bis 18 Uhr, in zwei Erdgeschossräumen des rechten Seitenflügels eine Ausstellung von grafischen Arbeiten des rumänischen Malers Corneliu Baba zu besichtigen, die ausnahmslos der Sammlung der Gattin des Künstlers, Constan]a Baba, entstammen. Die insgesamt 130 grafischen Werke sind in verschiedenen Techniken ausgeführt: Bleistift-, Buntstift-, Kohle- und Tuschezeichnungen, Gouachen, Aquarelle und Pastelle, Arbeiten in Tempera, Beiz- und Mischtechnik. Auch drei Ölgemälde (Selbstporträt, 1985; Der wahnsinnige König, 1987; Der Schrecken, 1992) finden sich in der temporären Ausstellung, die die permanente Präsentation von Werken des großen rumänischen Malers im ersten Stock des Hauptflügels des Museums bereichernd ergänzt.
Wenn man die expressive Farbgebung, die breite Flächigkeit und die bunte Bewegtheit der Ölgemälde Corneliu Babas kennt, hält man es zunächst kaum für möglich, dass die Zeichnungen des Künstlers mehr zu sein vermöchten als ein bloß matter Abglanz seines Malgenies, das sich allererst auf der Leinwand in Öl entfalten zu können scheint. Schnell wird der Besucher der Ausstellung aber eines Besseren belehrt! Babas grafische Arbeiten bestechen durch Differenziertheit in der Komposition, sie lenken den Blick aufs Detail und betonen den Entwurf-, Skizzen- und Experimentcharakter seines Werkes, das beharrlich und unermüdlich um bestimmte, zum Teil obsessiv und obstinat verfolgte Themen und Motive kreist.
So sind zahlreiche der in der Ausstellung gezeigten Werke Vorstudien zu den Ölgemälden des Künstlers, vielleicht aber auch nur Variationen der betreffenden Sujets in einem anderen materiellen und technischen Bedingungszusammenhang. Zugleich wird deutlich, dass sich Baba, als Maler und als Zeichner, Jahre, ja Jahrzehnte lang immer wieder mit denselben Themen und Motiven befasst, sie umkreist, sie malerisch und zeichnerisch durchdrungen hat, ihnen künstlerisch auf den Grund gegangen ist. So finden sich in der Ausstellung allein sieben Studien zu „Der wahnsinnige König“, sieben Studien zu „Pietà“, sechs Studien zu „Der Schrecken“, ferner Einzelstudien zu „Die Erde“ und „Der Schlaf“, allesamt berühmten Gemälden des 1906 in Craiova geborenen und 1997 in Bukarest gestorbenen Tonitza-Schülers Corneliu Baba.
Wie Pablo Picasso sich malerisch an „Las Meninas“ von Diego Velázquez abgearbeitet hat, so hat sich Corneliu Baba künstlerisch am Werk Rembrandts abgearbeitet, der ihm in der Chiaroscuro-Technik immer ein besonderer Lehrmeister gewesen ist. So finden sich in der Ausstellung im Museum der Kunstsammlungen sechs Skizzenblätter mit dem Serientitel „Eu jucându-mă de-a Rembrandt“ (Ich, den Rembrandt spielend), die Rembrandts „Geschlachteten Ochsen“, seine Paulusfigur, seinen „Lachenden Mann“ und verschiedene seiner Kopfstudien zeichnerisch weiterentwickeln.
Zahlreiche Selbstporträts Corneliu Babas (aus den Jahren 1948, 1949, 1951, 1954, 1971 und 1984) finden sich unter den grafischen Arbeiten der Ausstellung, aber auch Studien zu Porträts von bedeutenden Vertretern der rumänischen Kunst-, Literatur-, Musik-, Theater- und Kulturgeschichte wie Constantin Tănase, Jean Alexandru Steriadi, George Enescu, Camil Ressu, Mihail Sadoveanu, Krikor H. Zambaccian, Tudor Arghezi, Theodor Pallady, Lucia Sturdza Bulandra, Maria Tănase, George Călinescu, um nur einige der in der Ausstellung porträtierten Künstler und Intellektuellen zu nennen. Zu erwähnen sind nicht zuletzt zwei sehenswerte Porträts Corneliu Babas von seiner Gattin, eines aus dem Jahre 1957, das andere aus dem Jahre 1982.
Illustrationen zu Werken der rumänischen Literatur setzen den Reigen von Corneliu Babas grafischen Arbeiten in der Ausstellung im Museum der Kunstsammlungen fort. Es handelt sich im Einzelnen um fünf Illustrationen zu Ion Luca Caragiales Komödie „O scrisoare pierdută“, um eine Illustration zu George Călinescus Roman „Bietul Ioanide“ und um eine Illustration zu Mihail Sadovenaus Roman „Mitrea Cocor“.
Bauerngestalten und in diesem Zusammenhang auch das Thema des Bauernaufstandes 1907 nehmen in der Bukarester Baba-Ausstellung einen breiten Raum ein. Besonders beeindruckend ist hier eine Bleistiftzeichnung eines breitbeinig dastehenden Bauern mit Mistgabel, dessen Gestalt durch einen handschriftlich wiedergegebenen Text von Tudor Arghezi gerahmt wird. Auch andere grafische Arbeiten, wie z. B. die Tuschezeichnung „Lektüre“ (1971), bedienen sich dieses Mittels der bildnerischen Rahmung durch Texte, wie zum Beispiel auch ein mit Tusche auf ein Textblatt hingeworfenes Porträt Enescus aus dem Jahre 1957.
Studien zu verschiedenen Berufen (Stahlarbeiter, Bergarbeiter, Schuster, Näherinnen, Büglerinnen), Landschaftsbilder, Seestücke, Stillleben, zwei Darstellungen von Kampfhähnen, sieben Aktzeichnungen, mehrere Skizzen von Harlekins, eine Tuschezeichnung von ganz in schwarze Gewänder gehüllten arabischen Frauen (1958) und andere grafische Arbeiten mehr runden die Baba-Ausstellung im Bukarester Museum der Kunstsammlungen ab.
Bewegend ist neben den Porträts der Eltern (Mutter, 1927; Vater, 1934) auch die handschriftliche Wiedergabe einer Passage aus Corneliu Babas Tagebuch, in dem er von spiritistischen Sitzungen im Elternhaus berichtet, wo die Mutter abwechselnd die Geister Goethes, Napoleons und anderer Größen anrief. Eines Abends fragte sie den in der Séance spirituell herbeizitierten Nicolae Grigorescu, ob ihr Sohn eines Tages auch so berühmt werden würde wie der Mitbegründer der modernen rumänischen Malerei. Der Geist des Meisters bestätigte dies und die Mutter umarmte daraufhin ihren Sohn Corneliu, der in besagter Tagebuchpassage mit Bedauern erwähnt, dass seine Mutter die schlussendliche Bewahrheitung der Grigorescuschen Prophezeiung nicht mehr selbst erleben durfte.
Wer nach dem Besuch dieser Ausstellung von grafischen Arbeiten Corneliu Babas noch Zeit und Lust hat, kann im Anschluss daran die zahlreichen Ölgemälde in der im Hauptflügel des Museums befindlichen ständigen Ausstellung der „Sammlung Baba“ bewundern, und darüber hinaus die Staffelei, die Palette und verschiedene Pinsel des Künstlers, seinen Schreibtisch und etliche weitere persönliche Gegenstände besichtigen, die nochmals ein anderes, intimes Licht auf die Gestalt des Malers und Zeichners Corneliu Baba werfen.