Das Nationale Kunstmuseum Rumäniens in Bukarest zeigt derzeit und noch bis zum 15. April in seinen beiden Kretzulescu-Sälen in Verbindung mit der Rumänischen Architektenvereinigung und dem Berufsverband der Architekten Rumäniens eine Reihe von Exponaten, die mit dem Werk des Architekten Horia Creangă in Zusammenhang stehen: Fotografien, historische und zeitgenössische, von Gebäuden, die Creangă im Laufe seines Lebens realisiert hat, Originalzeichnungen des Architekten sowie verschiedene seiner Architekturprojekte.
Horia Creangă, Enkel des berühmten rumänischen Dichters Ion Creangă, wurde 1892 in Bukarest geboren und starb nach einer vergleichsweise kurzen Karriere als Architekt im Jahre 1943 in Wien. Er gehörte, neben George Matei Cantacuzino, Octav Doicescu und Henrieta Delavrancea-Gibory, zu den Begründern der modernen rumänischen Architekturschule und entwarf eine Vielzahl von Gebäuden, die heute das Stadtbild Bukarests prägen, wie zum Beispiel das ARO-Gebäude aus den Jahren 1929 bis 1931 am Boulevard Magheru, in dessen Erdgeschoss heute das Kino „Patria“ untergebracht ist.
Creangăs architektonisches Werk umfasst Verwaltungsgebäude, Bauten mit sozialer und kultureller Bestimmung, Wohnungen, aber auch Industriekomplexe wie die im Jahre 2004 privatisierten Faur-Werke, die bei ihrer Errichtung im Jahre 1921 Malaxa-Werke hießen – so genannt nach dem rumänischen Großindustriellen griechischer Herkunft Nicolae Malaxa – und in kommunistischen Zeiten in Werke „23. August“ umbenannt worden waren. Creangăs Stil, der Elemente der Tradition mit solchen der Modernität verbindet, folgt dem Credo der Einfachheit – „Crezul simplităţii“ lautet auch der Originaltitel der Ausstellung –, das für die rumänische Großstadtarchitektur der Zwischenkriegszeit von form- und stilbildender Bedeutung war.
Die Ausstellung selbst trägt, gemäß dem Konzept der Kuratorin Miliţa Sion, keinen analytischen oder akademischen, sondern vielmehr einen kinematografischen Charakter: Sie versteht sich als eine Art Kurzfilm, in dem in einer schnellen Abfolge von Bildern die wichtigsten Arbeiten Horia Creangăs in chronologischer Ordnung präsentiert werden, wobei die charakteristischen Merkmale seines Stils – Authentizität, Reinheit, Knappheit, Konzentration und Sparsamkeit der architektonischen Mittel – sowie seines Verständnisses von Schönheit im Sinne von Maß und Gleichgewicht in der Ausstellung in besonderem Maße ans Licht gehoben werden.
Unter den luxuriösen Wohnhäusern, die Horia Creangă entworfen hat, ragen vor allem die beiden Villen Ion Miclescu (Strada Paris Nr. 56) und Bunescu (Aleea Alexandru Nr. 12) hervor, die aus den Jahren 1930 bzw. 1932 stammen. Insbesondere die Villa Ion Miclescu besticht durch ihre herrliche Fassadenkomposition, bei der das leuchtende Weiß der Hauswand, das heute einem überwucherten Schmutzgrau gewichen ist, mit dem Fensterfries des Erdgeschosses und dem Lichtdom des Eingangsbereichs in ein kontrastreiches Spiel tritt. Eine Innenansicht des Hauptraumes mit seiner generösen Geschosstreppe zeigt, wie sich dieses äußere Spiel im Inneren lichtmächtig fortsetzt. Noch deutlicher wird dieses architektonische Spiel in der Villa Bunescu, bei der eine wunderbare Terrasse mit Bassin in das architektonische Ensemble integriert ist und bei der Innen und Außen vollendet miteinander kommunizieren, wie dies z. B. auch der französische Architekt Le Corbusier gefordert hatte.
Wie Le Corbusier und neben ihm Peter Behrens, Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe am Bau der für die Architektur der Moderne höchst bedeutsamen Stuttgarter Weißenhofsiedlung aus dem Jahre 1927 mitgewirkt hatten, so schuf auch Horia Creangă in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschwinglichen Wohnraum mit modernsten architektonischen Mitteln. Die Bukarester Ausstellung zeigt hierfür Beispiele aus dem Stadtviertel Vatra Luminoasă in der Hauptstadt.
Vom Bukarester ONEF-Stadion, das im Jahre 1980 von Ceauşescu im Rahmen seiner stadtplanerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses des Volkes demoliert wurde, sind Originalzeichnungen von Horia Creangă aus dem Jahre 1933 erhalten, auf denen er die geplanten Tribünenzugänge zu dem 1926 eingeweihten Stadion skizziert hat. Bedauerlicherweise sind in der Bukarester Ausstellung kaum Originalexponate zu sehen: Eine lakonische Notiz der Ausstellungsmacher weist darauf hin, dass nach der Gedächtnisausstellung 1992 aus Anlass des hundertsten Geburtstages des Architekten das gesamte Creangă-Archiv verlorengegangen sei.
Neben dem bereits erwähnten ARO-Gebäude am Boulevard Magheru hat Horia Creangă auch den ARO-Palast an der Calea Victoriei (Nr. 91-93) entworfen, ein Gebäude aus den Jahren 1937 bis 1939, das sich heute leider, wie so viele Werke Creangăs, in einem deplorablen Zustand befindet. Auch das ARO-Palasthotel in Kronstadt/Braşov wurde von Horia Creangă im modernistischen Stil entworfen und in den Jahren 1937 und 1938 gebaut.
Neben der Rumänischen Versicherung (Asigurarea Românească) war vor allem der Großindustrielle Nicolae Malaxa ein wichtiger Auftraggeber für Horia Creangă: der Malaxa-Block am Boulevard Magheru ist hier ebenso zu erwähnen wie die zahlreichen Fabrikhallen (Triebwagen, Lokomotiven, Rohre) des riesigen Malaxa-Industriekomplexes, dessen Ensemble, wiewohl unter Denkmalschutz stehend, heute leider mehr oder weniger zerstört ist. Ein auf einer Schautafel angestellter imaginativer Vergleich setzt die überlange Fassade einer Malaxa-Fabrikhalle, wobei diese aus der Horizontale um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn in die Vertikale gedreht wurde, in Beziehung zur Säule der Unendlichkeit von Constantin Brâncuşi.
Weitere informative und reich bebilderte Schautafeln zu verschiedenen Architekten aus Rumänien und aus aller Welt, die in der Bukarester Ausstellung ebenfalls zu sehen sind, stellen das Werk Horia Creangăs in den größeren Rahmen einer Zeitgenossenschaft von modernen Architekturschaffenden, die mit den Mitteln architektonischer Sparsamkeit und kompositorischer Einfachheit gestalterischen Reichtum und künstlerische Komplexität hervorbrachten.