Ioan Holender, der künstlerische Leiter des Festivals „George Enescu“, sprach am Donnerstag der vergangenen Woche, im Rahmen eines Gesprächs über Kultur und Identität, über die Wichtigkeit des Festivals im internationalen Kontext. Der in Temeswar geborene Holender erzählte zu Beginn über seinen erfolgreichen Lebenslauf und erläuterte seinen Werdegang vom Tennistrainer, über seine Zeit als Regieassistent bis hin zum Opernbariton. Inzwischen war er der am längsten amtierende Direktor der Wiener Staatsoper seit Bestehen des Hauses. Holender ist zudem künstlerischer Berater der Metropolitan Opera New York und des Spring Festivals Tokyo.
Zum Ehrendirektor des Festivals wurde Holender vor 12 Jahren ernannt. Zunächst wollte er auf diese Tätigkeit verzichten, da er mit der ursprünglichen Gestaltung der Mammut-Veranstaltung unzufrieden war. Auf einen Vorschlag hin übernahm er jedoch die künstlerische Leitung des Festivals. Das Programm strukturierte er umgehend neu: Seither wurden vermehrt erstklassige, weltweit bekannte Orchester eingeladen. Der diesjährige Höhepunkt ist die Tetralogie Wagners „Der Ring des Nibelungen“, die seit dem Zweiten Weltkrieg hierzulande nicht mehr aufgeführt wurde und heuer vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, unter der Leitung des Dirigenten Marek Janowski, gespielt wird. Sonntag findet noch die Aufführung der „Götterdämmerung“ statt.
Die große Bedeutung des George-Enescu-Festivals zeigt, dass es in Rumänien nicht nur Probleme gibt: „Es gibt auch ein Festival von internationaler Qualität. Das ist Rumänien auch! Das ist leider nur einer der wenigen Faktoren, aus denen das Bild des Landes zusammengesetzt ist“, behauptete der ehemalige Wiener Operndirektor. Hervorgehoben wurden vor allem die vorteilhaften Aspekte des Musikfestivals: Aufgrund des Interesses der internationalen Presse an dem großartigen Programm werden auf diese Weise positive Nachrichten über Rumänien verbreitet.
„Dem Publikum soll man nicht geben, was es sehen will“, antwortete der erfahrene Kulturvermittler auf die Frage, was dem Erfolg beim Publikum zugrunde liegt. Wichtig sei, die Zuhörerschaft ständig neugierig zu machen. „Ich habe es lieber riskiert, einen Fehler mit einem jungen Künstler zu machen, anstatt die Zusammenarbeit mit einem etablierten Sänger fortzusetzen“, fügte er hinzu.
Die Politiker heutzutage zeigen aber immer weniger Interesse an der Kunst, die Finanzierung solcher kulturellen Aktivitäten zählt nicht zu ihren Prioritäten. „Wir sind eine vernachlässigbare Minderheit. Sie denken, dass es besser ist, in populistische Aktivitäten zu investieren, die mehr Sicherheit für die Wahlen bringen“, meinte Holender.
Das George-Enescu-Festival ist das einzige Musik-Festival Rumäniens von internationaler Bedeutung und findet alle zwei Jahre statt. Holender machte darauf aufmerksam, dass das Festival stets von außergewöhnlich vielen Zuschauern besucht wird: „Die Menschen sind hungrig nach dieser Musik“, stellte er fest, „und das sollten die Entscheidungsträger als Signal verstehen.“