Genau 20 Foto-Ateliers bestanden 1925 in Temeswar laut Register der zugelassenen Gewerbetreibenden. Es ist eine verhältnismäßig hohe Zahl, die Verschiedenes aussagt, bzw. Schlüsse ziehen lässt. Einer wäre über die alte, langjährige Tradition der Berufsfotografen in der Stadt, eine andere Schlussfolgerung wäre die über einen relativen Wohlstand der Bewohner, der diesem doch nicht lebensnotwendigen Berufsstand eine gesicherte Existenz bot. Die Liste der Ateliers und Inhaber umfasst renommierte Namen, wie den des mehrfach preisgekrönten Hof- und Kammerfotografen Josef Kossak. Aber auch neue Namen, die erst nach dem Ersten Weltkrieg in der Stadt erschienen sind, stehen in den Listen. Vertreten waren alle ethnischen Gruppen, zahlenmäßig vor allen Juden, Deutsche, Ungarn und Serben.
Die weit über das Banat hinaus bekannten Foto-, Kopier- und Vergrößerungswerkstätten Kossak bestanden auch nach dem Tod des Begründers am 2. Januar 1922 weiter (Str. General Praporgescu 3, heute Nr. 2). Viele der erhaltenen großformatigen belichteten Fotoglasplatten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Temeswarer von städtischen Treibhäusern als Sonnenschutz für die Pflanzensetzlinge in den Aufzuchtbeeten benützt.
Mit diesem hier erstveröffentlichten Familienbild aus dem Jahre 1910 erinnern wir an einen der bekanntesten Meister der Fotokunst in Temeswar. Kossak stammte aus Deutsch-Bokschan, wo er 1855 geboren wurde. Zu diesem Beruf und nach Temeswar kam er wohl über seinen Hess-Onkel, dessen Fotoatelier er nach der Walz und Lehre u. a. in Wien, München und Szeged ab 1879 pachtete und dann übernahm. An Kossak erinnert heute noch das palazzoartige Neorokoko-Palais mit Innenhof an der Südseite des alten innerstädtischen Sankt-Georg-Platzes und mit der Klapka-Gedenktafel, rechts neben dem jüngeren Haus mit den Eulen an der Fassade (heute Enrico Caruso 3, früher Cabaret Alhambra), die sich auf den vergessenen, 1938 zwangsweise aufgelösten Temeswarer Schlaraffen-Verein „Temesia“ beziehen. (Siehe dazu auch Opriș/Botescu: Arhitectura istorică din Timișoara, 2014).
Eine ausführlichere Biografie veröffentlichte der Autor dieser Zeilen über den Altmeister der Fotografie in der „Neuen Banater Zeitung“ vom 4. November 1984 in der Reihe „Kleines NBZ-Lexikon Banatdeutsche Persönlichkeiten“. Das Bild zeigt den wohlhabenden Meister – als Virilist war er Mitglied im Munizipalausschuss der Stadt – mit einer seiner Medaillen an der Taschenuhrkette und seiner Frau Natalie. Das Bild aus der Sammlung des Autors stammt aus dem Familienarchiv und war mit Passepartout gerahmt. Rechts unten ist der Kossak-Firmenstempel auf dem Karton ungarisch aufgedruckt mit dem Werbevermerk eines k. u. k. Hof- (ab 1896) und Kammerfotografen (1903).