Im Palais Suțu am Bukarester Universitätsplatz ist derzeit und noch bis zum 1. November dieses Jahres eine Ausstellung mit Werken des 1884 in Kronstadt/Bra{ov geborenen und 1960 ebendort gestorbenen Malers, Grafikers, Dichters, Kunsttheoretikers und Kunstpädagogen deutscher Abstammung Hans Mattis-Teutsch zu sehen. Es handelt sich dabei um insgesamt 38 Kunstwerke: zehn Linolschnitte, neun Aquarelle, vier Pastelle, acht kleinformatige Skulpturen und sieben Ölgemälde. Die in zwei Sälen im Obergeschoss des Palais Suțu gezeigten Werke stammen, bis auf vier Ölbilder, die der Pinakothek des Bukarester Stadtmuseums gehören und auf vier Staffeleien stehend ausgestellt sind, allesamt aus den Beständen des Kronstädter Kunstmuseums.
Die von Radu Popica kuratierte Werkausstellung im Bukarester Stadtmuseum trägt nicht von ungefähr den Titel „Im Zeichen der Avantgarde“, denn Hans Mattis-Teutsch zählt zu den repräsentativen Künstlern der europäischen Moderne. Er war Mitglied zahlreicher avantgardistischer Künstlervereinigungen, so etwa der Münchner Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ um Wassily Kandinsky und Franz Marc oder der expressionistischen Künstlergruppe „Der Sturm“ um Herwarth Walden in Berlin.
In Rumänien war Hans Mattis-Teutsch im Künstlerzirkel um die in Bukarest herausgegebene avantgardistische Zeitschrift „Contimpo-ranul“ aktiv, neben Victor Brauner, Max Hermann Maxy und Marcel Iancu, wie auch in der in Kronstadt wirkenden Gruppe „Das Ziel“, ferner in den Zirkeln um die Avantgardezeitschriften „Integral“, „Punct“ und „Alge“.
Die ersten Schritte seiner künstlerischen Ausbildung tat Hans Mattis-Teutsch in seiner Heimatstadt Kronstadt, bevor er um die Jahrhundertwende nach Budapest, später auch nach München, Paris und Berlin aufbrach, um seine künstlerischen Studien fortzusetzen. Im Jahre 1908 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er seine Lehrtätigkeit am Kronstädter Industrie-Lyzeum begann, der er mit kurzen Unterbrechungen zeit seines Lebens nachging. Er stand ständig in lebendigem Kontakt mit avantgardistischen Künstlergruppen des europäischen Kontinents, was sich auch an der Spannbreite seines Werkes, vom Spätimpressionismus und Symbolismus über den Expressionismus bis hin zum Konstruktivismus, ablesen lässt.
Seit dem Anfang der dreißiger Jahre zog sich Hans Mattis-Teutsch nicht nur gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück, sondern er ließ auch seine künstlerische Aktivität völlig ruhen. Erst im Jahre 1944 trat er wieder hervor, indem er die Gruppe der bildenden Künstler Kronstadts gründete, die später der Vereinigung der bildenden Künstler Rumäniens eingegliedert wurde.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg leitete er die von ihm gegründete Freie Kunstakademie in Kronstadt und entwickelte seine Idee eines konstruktiven Realismus im Sinne einer lebendigen Synthese von Gegenständlichkeit und Abstraktion. Bereits im Jahre 1931 hatte Hans Mattis-Teutsch in Potsdam ein Buch mit dem Titel „Kunstideologie. Stabilität und Aktivität im Kunstwerk“ veröffentlicht, das kunsttheoretische Anschauungen mit künstlerischer Kompositionslehre verband, vergleichbar etwa Wassily Kandinskys im Jahre 1926 in München erschienenen Bauhausbuch „Punkt und Linie zu Fläche“.
Da Hans Mattis-Teutschs Vorstellung von einem konstruktiven Realismus der offiziellen Doktrin des sozialistischen Realismus nicht entsprach, fiel er beim kommunistischen Regime in Ungnade und verlor 1950 auch sein führendes Amt in der Künstlergewerkschaft. Bis 1953 durften seine Werke nicht mehr öffentlich ausgestellt werden und erst 1957, drei Jahre vor seinem Tod, wurde er partiell rehabilitiert und bekleidete danach das Amt des Präsidenten der Vereinigung der bildenden Künstler Kronstadts.
Die Bukarester Ausstellung „Im Zeichen der Avantgarde“ präsentiert Werke von Hans Mattis-Teutsch aus den Jahren 1915 bis 1932. Die einzelnen Werke sind museographisch exzellent erfasst und mustergültig beschriftet. Informationstafeln an den Wänden geben einen hervorragenden Überblick über das Leben von Hans Mattis-Teutsch sowie den Wandel seiner künstlerischen Stile. Ein auf einer Schautafel wiedergegebener Zeitstrahl mit Werken Mattis-Teutschs, die für seine einzelnen Schaffensepochen repräsentativ sind, zeigt dabei in nuce die Vielfalt der Formensprache des Künstlers und zugleich die Einheit in dieser Vielfalt.
Die Linolschnitte aus den Jahren 1915 bis 1923 zählen zu den zeitlich frühesten Exponaten der Ausstellung. Dominieren bis 1917 schwarze Flächen und klobige Gegenstände, die Heuhaufen oder Tannen abbilden, so lichtet sich nach 1918 das dichte und undurchdringliche Schwarz, dynamische Linien werden sichtbar, schwingen sich durch die Kompositionen, schaffen ein Gleichgewicht zwischen Statik und Dynamik, vermischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Die Linolschnitte dieser Phase sind hauptsächlich quadratisch angelegt, wobei der viereckige Rahmen in lebendigen Kontrast zur Kreisförmigkeit der Kompositionen tritt, in denen der schwarze Gesamteindruck zusehends aufgelockert und von hellem Licht durchflutet wird. In den vertikalen und diagonalen Kompositionen der zwanziger Jahre verlieren die Linolschnitte dann ihre Flächigkeit und gewinnen plastische und skulpturale Qualitäten.
Die in der Ausstellung gezeigten Aquarelle umfassen in etwa dieselbe Schaffensphase wie die Linolschnittexponate. Hier lässt sich nicht nur, wie bei den Linolschnitten, der Prozess der Abstrahierung, der Abwendung vom Gegenständlichen und der Hinwendung zu reinen Formen, studieren. Vielmehr kann man hier auch die Freisetzung der Farbe beobachten, die sich, wie etwa bei Franz Marcs „Blauen Pferden“, gänzlich vom natürlichen Objekt löst. In der Landschaft mit Birken (1918/19) etwa erstrahlt die dargestellte Gegend in bunten Farben, als wollten diese in ihrer Gesamtheit das Fehlen just der schwarzen und weißen Farbe der schimmernden Birkenrinde vergessen machen. In vielen Aquarellen ist die Nähe zum Schaffen Paul Klees spürbar, bis in die poetischen Titel der Bilder hinein, man denke etwa an Mattis-Teutschs Bilderfolge „Seelenblumen“.
Die Pastelle vom Anfang der zwanziger Jahre, die in der Ausstellung im Bukarester Stadtmuseum gezeigt werden, sind ganz im Stile der Aquarelle gehalten, nur sind sie weniger stark konturiert, vielmehr zarter, luftiger, weicher. Die Ölgemälde (zumeist auf Karton, seltener auf Leinwand) stammen durchweg aus den zwanziger Jahren und kreisen um das Motiv der „Seelenblumen“ oder um abstrakte Kompositionen, die gleichwohl konkrete Titel tragen wie etwa „Orange“: ein Ölbild, das man genauso gut auch „Tulpe“ hätte betiteln können. Besonders interessant ist ein rechteckiges Ölgemälde, das in die Bildmitte einen Sockel platziert und schräg über diesen hinweg verschiedene Diagonalen legt. Der Bildhintergrund wird hier aber ausnahms-weise einmal nicht ausgemalt, sondern bleibt weiß und hebt damit den skulpturalen Charakter des Gemäldes umso deutlicher hervor.
Die in der Mattis-Teutsch-Schau gezeigten kleinformatigen Holz- und Aluminiumskulpturen, die bis auf eine – „Florales Ornament“ betitelte – durchweg männliche und weibliche Akte repräsentieren, stammen aus den Jahren 1922 bis 1932 und erinnern stark an das plastische Schaffen Alexander Archipenkos. Hans Mattis-Teutsch lässt dabei die jeweilige Materialität des gewählten künstlerischen Stoffes souverän hervortreten und der dargestellten menschlichen Gestalt dienstbar werden. Die Holzskulpturen finden sich im Medium der Malerei auch in einem Gemälde (Öl auf Leinwand) von Hans Mattis-Teutsch aus dem Jahre 1927 wieder, das den Titel „Körperliche Arbeiter und Geistesarbeiter“ trägt. Ein künstlerisches Selbstzitat, das gleichwohl die Differenz von flächigem Gemälde und frei im Raum stehender Skulptur unterstreicht!