Man muss kein Deutsch verstehen, um sich einen Reim auf das Drama „Styx“ von Regisseur Wolfgang Fischer zu machen. Am 16. Februar 2018 war der 94 Minuten lange Spießrutenlauf durch Grauzonen transkontinentaler Flüchtlingspolitik während der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin erstmals auf Kinoleinwand zu verfolgen. Rike, eine von Su-sanne Wolff gespielte Notärztin, die einen Segeltörn auf dem Atlantik unternimmt, und der von Gedion Oduor Wekesa interpretierte afrikanische Jugendliche Kingsley sprechen wenige Worte miteinander. Sobald einem von beiden Hauptdarstellern aber ein Satz über die Lippen rollt, fliegen auf hoher See die Fetzen. Unter schlimmstmöglichen Bedingungen müssen Rike und Kingsley in jenem Korridor, der Tod und Leben voneinander scheidet, miteinander klarkommen. Am Samstagabend, dem 20. Oktober, wurde der von Wolfgang Fischer und Ika Künzel gedrehte Langspielfilm „Styx“ in der Aula Magna der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt/Sibiu (ULBS) ausgestrahlt.
War der Schlusspunkt des Hermannstädter Astra-Filmfestivals am darauffolgenden Sonntag, dem 21. Oktober, Aufhänger für den Ausverkauf der Aula Magna der ULBS gewesen oder hatte die kontroverse Synopsis des Filmdramas „Styx“ das Interesse der Zuschauer geweckt? Zurück zum Segeltörn der Notärztin Rike, die ihren Parcours auf dem Atlantik auf das Ziel Ascension Island (Himmelfahrtsinsel), eine tropische Insel auf dem Südatlantik zwischen Afrika und Südamerika, abstimmt. Am Gibraltar rüstet sie sich auf ihrer Yacht „Asa Gray“ mit Proviant und Funktionsbekleidung für alle auf hoher See erdenklichen Witterungen aus, um literarischen Spuren des Autors und Evolutionstheoretikers Charles Darwin zu folgen. In ihrem Alltag ist Rike Ärztin mit Leib und Seele. Trotzdem geht sie davon aus, während der Reise auf dem Segelboot Beruf und Leistungsdruck schlichtweg vergessen zu dürfen. Die Dinge nehmen ihren unlösbaren Lauf, als sie von dem Containerschiff „Pulpca“ per Funk eine Unwetterwarnung erhält. Rike wirft sich in den roten Schutzanzug und übersteht die Sturmnacht vor der Küste Mauretaniens.
Mittags danach schwimmt 150 Meter von ihrer Yacht „Asa Gray“ entfernt ein in Seenot geratenes Boot mit über hundert Flüchtlingen an Bord über den Atlantik. Über Funk fordert Rike die Hilfe des Containerschiffes „Pulpca“ an, doch verweigert dessen Sprecher jegliche Unterstützung. Sein Arbeitgeber verbietet es ihm, Flüchtlingen Rettungshilfe zu geben. Noch herber ist die Funkantwort der Küstenwache, die Rike mit der Information, dass Rettungsboote bereits unter-wegs seien, lügnerisch abspeist, und der Notärztin obendrein befiehlt, sich dem Flüchtlingsboot kei-nesfalls zu nähern. Allein der 14-jährige Kingsley, der sich verzweifelt schwimmend mit Rikes letzten Körperkräften und deren ambulanter Behandlung auf „Asa Gray“ vor dem Erfrierungstod retten kann, bleibt vom Schicksal verschont.
Als alle Funkrufe nicht zünden, meldet die deutsche Seglerin Rike, selber in Seenot zu stecken. Jetzt werden tatsächlich Rettungsboote der Küstenwache sichtbar. Nach Feststellung des Todes von mehr als 100 Flüchtlingen wird Rike vorgeworfen, falsch gehandelt zu haben. Ihr wird mitgeteilt, dass ein Gerichtsverfahren gegen sie läuft. Hinter ihrem Gesicht und in der Erinnerung der Kinobesucher kommt die Frage auf, warum Menschenrechte für einige Personen ratifiziert werden, für andere aber nicht? Der Spielfilm „Styx“ zeigt klar, was global aktiv verbreitete Passivität ist: eine Krux.