Auch wenn der hier besprochene Band schon vor einigen Monaten erschienen ist, so wird er künftig durchaus als Vermächtnis von Anselm Roth in die Welt der vielen Bücher eingehen, die er selbst geschrieben oder produziert hat. Anselm Roth hat für seine Bücher und den Schiller Verlag gelebt. Die Buchreihe „Über Siebenbürgen“ hat er mir gegenüber einmal als sein ganz persönliches Lieblingsprojekt und seinen Lebenstraum bezeichnet, den er verwirklichen konnte. Acht Bände hat er geschafft, bevor sein irdisches Leben nun viel zu früh endete. Die Reihe ist ein Meisterwerk im Gesamt-oeuvre dieses Autors und Verlegers geworden, der uns so viele gedruckte Schätze geschenkt hat.
Hermannstadt, Michelsberg und Siebenbürgen haben einen großen Kulturschaffenden verloren, der die breite Öffentlichkeit eher mied und am glücklichsten in seinem Rundhaus mit Panoramablick in Michelsberg war, der genau dieser Öffentlichkeit aber Bücher, Buchreihen und Sonderdrucke hinterlässt, die sich nicht nur in die Themen siebenbürgisch-sächsischer Geschichte, Volkskunde oder Küche einsortieren lassen.
Sein Haus und die märchenhafte Landschaft, in die Michelsberg eingebettet ist, waren der nötige beflügelnde Lebensraum, in dem Anselm Roth mit dem Blick nach draußen und gleichzeitig den Augen am Monitor und den Fingern an der Tastatur seine Bücher produziert hat. Und das mit einem Fleiß, einer Ausdauer und einer Leidenschaft, einer Professionalität und Präzision und gleichzeitig einer Geschwindigkeit, die ihresgleichen suchen. Wobei Quantität bei ihm nie zu Lasten von Qualität ging und Tempo nie auf Kosten der Tiefenschärfe.
Auch wenn der erste äußere Eindruck seiner gewaltigen körperlichen Erscheinung bei Unwissenden andere Assoziationen geweckt haben mag, war Anselm Roth bei aller barocken Lebensart immer auch ein hochgebildeter Ästhet, ein Sprachtalent, ein Foto- und Bildkünstler, ein Perfektionist. Neben seiner temperamentvollen, wuchtigen, bei Bedarf auch aufbrausenden Art war er ein sensibler und liebenswürdiger Feingeist mit Sinn für Humor, Ironie und Wortwitz. Und er war ein origineller, echter und authentischer Typ, dabei trotz seiner weit überdurchschnittlichen Begabungen ohne jeden Hochmut oder Attitüden von Arroganz. Nichts hasste dieser kreative Geist freilich mehr als Durchschnitt, Mittelmaß oder unangebrachte Bescheidenheit in der Zielsetzung. Das machte es ähnlich gestrickten Individualisten so erfreulich, mit ihm zusammenzuarbeiten und gemeinsam um das Optimum zu ringen.
Die gemeinsame redaktionelle Arbeit an Büchern oder Korrekturen waren stets ein legendäres und erinnerliches Erlebnis mit manchem Wortgeklüngel und auch funkensprühenden Frotzeleien, ob am Telefon oder neben ihm am PC. Man konnte mit ihm dabei in der Sache auch trefflich streiten. Das war immer ein Geben und Nehmen. Anselm konnte sich stur in Details verbeißen, verteidigte manchen extravaganten Bildschnitt wie Gläubige ihr Bekenntnis und freute sich dann doch genauso ehrlich und aufrichtig wie ein glückliches Kind über die Anerkennung seiner Arbeit durch manche Rezension.
Anselm Roth war nie gefangen im manchmal etwas engen siebenbürgischen Horizont. Und so übernahm der studierte Religionswissenschaftler 2011 auch ohne zu zögern die Verantwortung für unsere Buchreihe „Deutsch-Rumänische Theologische Bibliothek“, die er seither mit Hingabe betreute und als feste Buchreihe und „Institution“ im Schiller Verlag etablierte, so wie vorher schon die Buchreihe „ACADEMIA – Veröffentlichungen der Evangelischen Akademie Siebenbürgen“.
Und so produzierten wir gemeinsam ganz besondere Titel wie etwa „Halbmond über der Dobrudscha. Der Islam in Rumänien“ oder auch die mehrsprachigen wissenschaftlichen Dokumentationen theologischer Tagungen und die deutschsprachige Ausgabe des rumänischen orthodoxen Kirchenstatuts. Er liebte auch solche Nischenthemen und stürzte sich in die Arbeit an diesen Büchern mit gleicher Freude und Begeisterung wie bei den Büchern, Alben und Sonderdrucken über sein geliebtes Siebenbürgen. Die gemeinsame Arbeit an dem aufwendigen Islam-Band und sein Entzücken über die historischen Islam-Fotos aus der Dobrudscha werden mir persönlich besonders unvergessen bleiben.
Für den Herausgeberkreis unserer Buchreihe mag es daher auch als sein Vermächtnis gelten, dass die beiden letzten von ihm fertiggestellten Bücher des Schiller Verlags aus unserer Buchreihe stammen: der jüngst erschienene Band „Die Orthodoxie zwischen Tradition und Moderne“ mit gesammelten Beiträgen von Metropolit Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa sowie das Buch „Beichte und Kommunion. Seelsorge und Lebensbegleitung durch Geistliche Väter in der orthodoxen Glaubenspraxis“ des Metropoliten Andrei von Klausenburg, dessen Druck im Moment wegen der Corona-Krise stockt.
Nun mach’s gut, lieber Anselm, im Reich der Erlösten, wo es weder Krankheit noch Schmerz gibt. Es war eine Freude, mit Dir zu arbeiten. Wir werden Dich nie vergessen. Du warst als Freund für uns ein Geschenk des Himmels und kannst nun von dort oben auf Dein geliebtes Siebenbürgen schauen.