In seinem Buch „Alte und neue Heimat“, „Stories aus dem Tage- und Nächtebuch eines Hermannstädters“ blickt der Autor Heinrich Heini – natürlich hat der Künstlername nicht zufällig große Ähnlichkeit mit einem berühmteren Schriftsteller – auf sein Leben zurück, das mittlerweile über sieben Jahrzehnte umfasst. Und die sind – wenn man dem Verfasser glauben darf – randvoll mit amüsanten und außergewöhnlichen Erlebnissen, die dem Leser oft ein Lächeln auf das Gesicht zaubern und Erinnerungen an längst vergangene Zeiten und „legendäre“ Orte, wie etwa die Schreyer-Mühle, wecken.
Auf 317 Seiten stellt sich Heini originell und lebenslustig vor, indem er Stilmittel der Satire verwendet, wie etwa Überzeichnung und Persiflage der Sachverhalte. Die Persönlichkeit, die man zwischen den Buchdeckeln kennenlernt, erscheint als umtriebiger Hansdampf in allen Gassen, der immer wieder das Abenteuer sucht, keine Herausforderung scheut und in allen Lebenslagen seinen Humor behält. Ob es um die Jugendzeit in Siebenbürgen, das Eingewöhnen in Westdeutschland, die berufliche Karriere oder eine seiner vielen Reisen geht, man ist sofort mittendrin im Geschehen, entdeckt längst vergessen Geglaubtes und Altbekanntes wieder und spürt von Anfang an: Das ist keine Geschichte, sondern das echte Leben.
Heinrich Heini schreibt aufrichtig und offenherzig, wie es ihm ergangen ist, nennt die Dinge beim Namen und hält mit seiner Meinung – die von Neugierde und echtem Interesse am Ausprobieren geprägt ist – nicht hinter dem Berg. Der Spaß beim Lesen rührt auch von dem speziellen Sprachstil her, der sich ergibt, wenn man Sprachen mischt, dem Sprachwitz, der entsteht, wenn Heini Begriffe aus dem Rumänischen wörtlich übersetzt. Und auch für die, die des Rumänischen nicht mächtig sind, zeigt er deutlich auf, wie das Neben- und Miteinander der unterschiedlichen Kulturen (deutsch, rumänisch, ungarisch) ihn geprägt haben. Frech schlägt er „dem Gestrengen“ ein Schnippchen nach dem anderen und fällt sogar wieder auf die Füße, nachdem die Militärpolizei ihn in die Mangel genommen hat. Die Freiheiten, die er sich innerhalb der Diktatur nimmt, sind auch weiter-hin Thema in seinem Leben, etwa wenn er als Pharmareferent in Deutschland die Vorgaben „intelligent“ umgeht.
Außerdem ist Heini gerne unterwegs und somit ist die Ausreise aus dem kommunistischen Rumänien für ihn „eine Mischung aus einem 6er im Lotto, Flug zum Mond und Dauerurlaub auf den Malediven“. Seine Reiseerlebnisse beschreibt er so anschaulich, dass sich beim Lesen schnell ein richtiges Kino im Kopf abspielt: Die Bahnfahrten, die Segeltörns, die Großstädte und kleinen Dörfer mit ihren Eigenheiten und Besonderheiten und natürlich die vielen unterschiedlichen Menschen, die die Wege des Autors kreuzen, ziehen wie in einem Film vor dem geistigen Auge vorbei.
In den folgenden Jahren kommt er weit herum, aber seine Touren führen ihn immer wieder zurück nach Siebenbürgen und ans Schwarze Meer. Wie der Titel schon verrät, ist er hin- und hergerissen zwischen der alten und der neuen Heimat. Er fragt sich: „Ist es an der Zeit, im siebenbürgischen Hochland Selbstversorgung mit Selbstfindung zu verbinden…?“ Dieses Zerrissen-Sein äußert sich in der humoristisch dargestellten Autobiographie mit Sprüngen zwischen Zeiten, Welten und Themen, die bunt zusammengewürfelt mal hier und mal da auftauchen, meistens unerwartet und manchmal ohne Bezug zum Vorherigen.
Der Autor führt häufig einen inneren Monolog, in dem er Gedanken und Gefühle zu Erlebtem, auch Konflikten, gelösten und ungelösten, verarbeitet. Er unterstreicht die Situationskomik mit eigenen Wortkreationen und nimmt sich die Freiheit, erzählende Prosa, Poesie und sonstige Textformen zu vermischen; was das Buch authentisch macht im Sinne eines „seltsamen Vaganten“, wie sich Heini selber nennt.
Auch wenn der belustigte Leser vordergründig die Ironie und den Schalk zwischen den Zeilen hervorblitzen sieht, regt das autobiographische Werk auch zum Nachdenken an. Heini stellt Fragen, deren Antworten offen bleiben und den Leser dazu animieren, eigenen Überlegungen nachzugehen, etwa über den Preis der Freiheit oder den Sinn des Lebens.
Ferner ist Musik ein wichtiges Thema in seinem Leben: Die besondere Affinität zur (Rock-)Musik der 1960er und 1970er Jahre spiegelt sich verdeckt in der Zwischenbilanz „Ten Years After“(„Zehn Jahre danach“) oder in dem Kapitel „Himmelsleiter“ (benannt nach Led Zeppelins bekanntem Lied „Stairway to Heaven“). Offen tritt sie in der selbstironischen Schilderung „Idolii“ als gescheiterte Rockerkarriere in Erscheinung.
Hat man den letzten Satz gelesen, schlägt man das Buch mit einem Schmunzeln zu. Einerseits weckt es Erinnerungen an die Zeit vor 1990, andererseits wirft der Autor auch aktuelle Themen in den Ring, so dass es durchaus kein Schnee von gestern ist.
„Alte und neue Heimat“ ist besonders für Kenner Siebenbürgens ein unterhaltsames und lesenswertes Buch, denn wie der Untertitel verspricht, spielen Hermannstadt und Umgebung eine Hauptrolle. Das Titelbild glänzt in der gleichen roten Farbe wie das Hermannstädter Wappen und zeigt die Wahrzeichen der Stadt am Zibin - die Lügenbrücke bei Nacht, umgeben vom Turm der Stadtpfarrkirche und den mittlerweile berühmten Häusern mit den Dachluken, die wie Augen über dem nächtlichen Panorama wachen. Auch der Autor Heinrich Heini macht hier regelmäßig halt, wenn er seine Heimatstadt besucht, und lässt seinen Blick über die Häuser schweifen, dann geht er seinen alten Schulweg ab – die Schule steht hier ganz in der Nähe, am Huet-Platz. Und wie einen guten Kameraden möchte man ihn begleiten, über seine Scherze und Wortspiele lachen, ihn nach der letzten Seite ungern ziehen lassen. Denn wer hört nicht gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt? Und Heini hätte sicherlich noch viele zu erzählen.
Mit dem aktuellen Buch erscheint nach „Die verborgenen Seiten des Herrn Siegerius“ und „Die 100 Seiten des Herrn Siegerius“ schon das dritte Werk des siebenbürgischen Satirikers Heinrich Heini, der - in die Fußstapfen seines Großvaters, des österreichischen Schriftstellers Anton Maly, und seiner Mutter, der Schriftstellerin Irmgard Höchsmann-Maly, tretend – sich mittler-weile eine kleine, aber begeisterte Leserschaft erschrieben hat.