In Siebenbürgen gibt es bekanntlich Hunderte von Kirchenburgen. Einige sind touristisch bestens erschlossen und bei Reisenden überaus bekannte und beliebte Prestigeobjekte wie etwa Heltau/Cisnădie, Birthälm/Biertan oder Tartlau/Prejmer. Doch es gibt auch viele unbekanntere, gleichzeitig aber nicht weniger sehenswerte Beispiele. Dazu zählen etwa die Bauwerke entlang der Großen und der Kleinen Kokel. Dabei sind auch dort so manche majestätische Perlen der Baukunst zu finden, wie etwa in Bulkesch oder Kleinschelken.
Der jüngst erschienene dritte Band der Reihe „Über Siebenbürgen“ mit Luftbildern zu Kirchenburgen aus dem Hermannstädter Schiller Verlag ist ein echter Prachtband geworden. Er widmet sich nun genau den imposanten Kirchenburgen zwischen Marktschelken und Mediasch sowie aus dem Kokelgebiet. Diese werden wie gehabt in beeindruckenden Luftbildern sowie Kurztexten präsentiert und dokumentiert. Dabei sind auch winterliche Impressionen zu sehen, die genauso einladend sind wie die Bilder aus dem Sommerhalbjahr. Der vorliegende Band dokumentiert die Kirchenburgen in 21 Dörfern und Städten: Marktschelken/Şeica Mare, Arbegen/Agârbiciu, Schaal/Şoala, Frauendorf/Axente Sever, Kleinprobstdorf/Târnăvioara, Wurmloch/Valea Viilor, Mortesdorf/Motiş, Großprobstdorf/Târnava, Eibesdorf/Ighişu Nou, Kleinschelken/Şeica Mică, Abtsdorf/Ţapu, Scholten/Cenade, Langenthal/Valea Lungă, Donnersmarkt/Mănărade, Schönau/Şona, Bulkesch/Bălcaciu, Seiden/Jidvei, Bonnesdorf/Boian, Baaßen/Bazna, Wölz/Velţ und Mediasch/Mediaş.
Form, Gestaltung, Aufmachung und Methode des Bandes folgen konsequent dem Konzept der im letzten Jahr 2015 gestarteten Reihe aus dem Schiller Verlag. Beeindruckende ganzseitige Bilder wie auch Detailaufnahmen zeigen die Kirchen und Wehranlagen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die Texte sind instruktiv und informativ, dabei kurz und knackig. Die Herausgeber Anselm Roth (Texte, Innenaufnahmen) und Ovidiu Sopa (Luftbilder) lassen auch hier wieder die Bilder für sich sprechen.
Neben den bemerkenswerten Luftbildern sind auch manche stimmungsvolle Innenaufnahmen zu sehen, wie etwa aus Kleinprobstdorf (S. 27), Wurmloch (S. 31), Eibesdorf (S. 42) oder Schönau (S. 67). An einigen Fotos wird deutlich, wie der Zahn der Zeit an und auch in diesen Kirchen nagt und manche auch wirklich der Vergänglichkeit preisgegeben sind. Besonders sinnbildlich wird dies an der Kirchenburg Wölz, deren ruinöser Verfall dokumentiert wird, aber auch am Kirchenraum von Abtsdorf (S. 50). Dort leben nach Angaben des Buches auch keine Sachsen mehr.
Es werden pro Kirchenburg mehrere Bilder präsentiert, die stets auch deren Lage und Präsenz mitten in den Orten demonstrieren. Immer wieder wird dabei deutlich, wie sehr diese Wehrkirchen die bauliche Optik, das Ortsbild und damit gewiss auch das Leben und die Mentalität vor Ort geprägt haben. Die meisten „thronen“ buchstäblich mitten in den sächsischen Dörfern, oft auf Anhöhen. Und sie beherrschen das landschaftliche Bild manches Tals einprägsam und nachhaltig. Besonders aussagekräftig ist das am imposanten Beispiel von Kleinschelken zu sehen, aber auch an kleineren Anlagen wie etwa in Bonnesdorf, das auch den Buchtitel ziert. Die Luftbilder von Ovidiu Sopa fangen auch wieder ganz besondere Stimmungen ein. Dazu zählen neben mancher Abenddämmerung dieses Mal besonders einige Winterbilder. Eine dünne Schneedecke und der frostig-klare Winterhimmel tauchen etwa die Kirchenburgen von Bulkesch, Schönau und Seiden an der Kleinen Kokel, aber auch Bonnesdorf und Mediasch in ein zauberhaftes und nachgerade erhabenes Licht. Eine wunderbare Ergänzung und Abwechslung zu den vielen üblichen Sommer- und Herbstbildern. Wobei zu den Winterbildern immer auch Bilder aus warmer Jahreszeit beigefügt sind.
Pathetisch und massiv, manchmal märchenhaft, immer aber imponierend legen diese Kirchenburgen ein bemerkenswertes und einzigartiges Zeugnis ab für die große Vergangenheit dieser Kirchenburgenlandschaft sowie des Volkes der Siebenbürger Sachsen und der Kirche, die diese erbaut und über Jahrhunderte bis zum großen Exodus nach 1990 mit so viel Leben erfüllt haben. Angesichts des hervorragenden Gesamteindrucks dieses Bandes fallen minimale Lappalien gar nicht mehr ins Gewicht. Wenn hier überhaupt etwas angemerkt werden kann, dann höchstens die Frage, warum vereinzelt Kirchtürme abgeschnitten sind, wie etwa bei Großprobstdorf (S. 36/38) oder Mediasch (S. 95). Das erschließt sich dem Leser nicht unbedingt. Verbuchen wir es deshalb unter künstlerischer Freiheit im Bildzuschnitt. Auch kann nach dem Aussagewert des Bildes von Scholten auf Seite 54 gefragt werden mit recht viel Grün statt Burg. Aber das sind schon Petitessen im Promillebereich des Kritikwürdigen.
Der neue Band der Reihe „Über Siebenbürgen“ gefällt und überzeugt in jeder Hinsicht, er verdient Lob, Aufmerksamkeit und viele Leser. Erfreulich ist auch, dass dieses Mal eine Karte beigegeben ist, die dem Leser die Zuordnung der Kirchenburgen erleichtert. Das Werk kann höchste Erwartungen erfüllen, nachdem der zweite Band in manchen Punkten nicht die puristische Qualität des ersten Bandes erreichte. Dieser dritte Bildband hingegen setzt Maßstäbe für die weiteren sechs Ausgaben der neunteiligen Reihe. Es ist der bisher beste, gelungenste und schönste.
„Über Siebenbürgen. Bd. 3: Kirchenburgen im westlichen Kokelland und Mediasch“. Fotografien und Text: Anselm Roth, Luftfotografie: Ovidiu Sopa; Schiller Verlag Bonn/Hermannstadt 2016, 96 S., geb., ISBN 978-3-944529-75-2, 90 LEI/23,90 Euro