Fröhlich, flink und brillant klingen die ersten Takte der Ouvertüre zu Mozarts „Hochzeit des Figaro“ – und schon weiß man, dass es in dieser Oper weder um die brave Aneinanderreihung von Arien und Ensembles geht, noch um den technischen Wetteifer zwischen den Sängern, sondern vielmehr um eine humorvolle Darstellung von Charakterzügen mithilfe von Text, Musik und Schauspiel.
Dank einer jungen, energischen Besetzung gelang am Sonntagabend an der Nationaloper Bukarest eine eindrucksvolle Aufführung. Das minimalistisch gehaltene Bühnenbild (Adriana Urmuzescu) bestand aus einem riesigen Gemälde, das dem Schloss des Grafen Almaviva Glanz verlieh – und bei bedarf zu einer Spiegelwand umgestaltet werden konnte, denn die ganze Oper spiegelt und kritisiert die Gesellschaft und macht sich über menschliche Charakterschwächen lustig. Die Aktualität des Themas wurde vom Regisseur (Alexander Rădulescu) dadurch angedeutet, dass die Sänger während der ersten drei Aufzüge klassische Kostüme des 18. Jahrhunderts trugen, um dann zum Schluss modern gekleidet aufzutreten. Die Regie selbst legte mehr Wert auf kleine Gesten und vielsagende Mimik, als auf bühnenfüllende Choreografie.
Das Orchester und der Dirigent (Vlad Conta) haben vor allem in ausdrucksstarken Instrumentalsolos, spannungsvollen Steigerungen und lebhaften musikalischen Kommentaren des Bühnengeschehens bewiesen, dass sie Kenner der Mozartschen Tonkunst sind. Allerdings gibt es zwei „typische“ Fehler, die oftmals in der Gesangbegleitung begangen werden, und die sich zum Teil auch an diesem Abend in den Orchestergraben eingeschlichen haben. Fehler Nummer eins: Das Orchester ist zu laut, sodass man die Stimmen in der Mittellage nicht deutlich vernehmen kann. Fehler Nummer zwei: Das Orchester lässt sich von den Sängern begleiten (statt umgekehrt). Beide Fehler werden automatisch behoben, wenn man noch aufmerksamer lauscht, was die Stimmen auf der Bühne tun.
Und die Stimmen haben am Sonntag gerade das getan, was man in „Figaros Hochzeit“ tun sollte: sie hatten ihren Spaß am Ehestreit des gräflichen Paars, an den verstrickten Hochzeitsvorbereitungen der Kammerdiener, an Figaros diskreter Frechheit, Susannas Tricks und Cherubinos erwachendem Verlangen.
Den Kern der gesamten Aufführung bildeten die Eifersucht und die Rachegelüste der männlichen Protagonisten. Vielleicht etwas zu rachelüstern-bedrohlich war Figaro (Vicenţiu Ţăranu) in der Arie „Se vuol ballare, Signor Contino“, in der es zwar um Rache geht, diese aber von Mozart ironisch und elegant mit tänzerischer Musik umhüllt wird. Dafür war „Non più andrai, farfallone amoroso“ besonders spritzig und inspiriert.
Der Gastsänger Yuriy Tsiple gab einen äußerst temperamentvollen Grafen, dem Machtfantasien und erotische Gier keine Ruhe geben, doch dessen Selbstbewusstsein so maßlos ist, dass er ständig in die Fallen seiner Diener gerät. Der rumänisch-ukrainische Bariton, der dem Ensemble des Opernhauses Zürich angehört, zeigte Freude am Schauspiel und bezauberte mit seiner Stimme, die übrigens auch an der Bukarester Musikuniversität geschult wurde. Er verfügt technisch sowohl über Leichtigkeit, als auch Dramatik (siehe den Soloauftritt „Hai gia vinta la causa... Vedrò mentr’io sospiro“) und überzeugt außerdem mit einer Expressivität, die er ganz bewusst einsetzt.
Voller Witz waren auch Cherubino (Olga Privalova), der dauernd nur Ärger bereitete, der angeschwipste Gärtner (Paul Basacopol), der durch den Souffleurkasten verschwand, Basilio (Florin Budnaru), der aus dem Orchestergraben auf die Bühne kletterte, sowie das karikierte Paar Bartolo und Marcellina (Iustinian Zetea und Sidonia Nica). Außerdem gab nicht nur Barbarina (Cristina Eremia) eine erstklassige Nebenrolle, sondern auch … der Dirigent, der Figaro einige Repliken gab, während dieser im Publikum saß und seine Frauenkritik „Aprite un po’ quegli’occhi“ sang.
Der Sopranistin Simonida Lu]escu gelang eine Gräfin Almaviva, die ihr Niveau wahrt, auch wenn sie auf ihren Mann wütend ist, Beruhigungspillen schluckt und gelegentlich mit dem Pagen flirtet. Die Rezitative und die beiden Arien, die viel Dosierung fordern („Porgi amor“ und „Dove sono i bei momenti“), klangen rund, durchdacht und elegant. Schließlich verlieh Narcisa Brumar in der Rolle der Susanna der ganzen Oper Würze und Finesse. Hübsch, pikant, pfiffig, stimmlich auf Hochniveau – genau so muss eine Susanna sein, und der Applaus bestätigte, dass das Publikum die Gastsolistin aus Temeswar/Timişoara ins Herz geschlossen hat.