Ein Engel, von oben aus blauem Himmel kommend, der dem Betrachter ein aufgeschlagenes Buch darbietet – mit diesem Umschlagbild (einem Ausschnitt aus dem Deckenfresko im Chorraum der Malmkroger Kirche) präsentiert sich das „Malmkroger Chorbuch“. Bei dem Buch des Engels ist nicht auszumachen, ob es sich um eine Bibel oder ein Gesangbuch handelt. Das Chorbuch jedenfalls soll das Singen fördern und neu beleben. Im Auftrag des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien vom Schiller-Verlag Bonn – Hermannstadt hergestellt, enthält das 92 Seiten starke Heft im Format A4 zwei- und dreistimmige Sätze für kleine Chöre.
Landesmusikwart Kurt Philippi ist diese Sammlung zu verdanken. Er reagiert damit auf die aktuelle Situation der Chöre im Lande. Bedingt durch den starken Rückgang der Sängerzahlen nach 1989 sind viele von ihnen nicht mehr in der Lage, das traditionelle vierstimmige Repertoire für Gottesdienst und Feier zu singen. Mit drei-, manchmal nur zweistimmig singenden gemischten Chören wurde in manchen Gemeinden ein Neubeginn gewagt. Ihnen geeignete Sätze für die altbekannten Lieder bereitzustellen und gleichzeitig neue Lieder bekannt zu machen, ist das Ziel des „Malmkroger Chorbuchs“. Es trägt seinen Namen nach der Gemeinde, die das stärkste Interesse daran gezeigt hat, und ist deren Kirchenchor gewidmet.
Von den 63 Chorsätzen sind einige nicht nur mit deutschem, sondern auch mit rumänischem Text (Übersetzung: Kurt Philippi) versehen. Die Einteilung in verschiedene Rubriken erleichtert die Orientierung. Dabei erscheinen die Kirchenjahreszeiten (Advent, Weihnachten, Passion, Ostern, Pfingsten, Erntedank, Totensonntag), der Tageskreis sowie inhaltliche Charakterisierungen wie Lob und Dank oder Glaube, Hoffnung, Liebe. Besondere Anlässe wie Taufe und Trauung sind ebenfalls berücksichtigt. Hinzu kommt eine Abteilung siebenbürgisch-sächsischer Volkslieder.
Als Komponisten haben mitgewirkt: Hans Peter Türk (7 Sätze), Lothar Graap (eine Komposition) sowie von Kurt Philippi (55 Sätze). Letzterer ist als Autor nur bei den Liedern angegeben, für die bei anderen Verlagen Abdruckgenehmigungen eingeholt werden mussten. (Dort ist die Quellen- und Urheberangabe unmittelbar unter den Noten vorgeschrieben.) Für alle anderen von ihm verfassten Sätze findet man nur im Vorwort den Hinweis: „Die nicht gezeichneten Sätze stammen vom Verfasser dieser Zeilen“. Dies ist zu viel der Bescheidenheit, zumal man im Einzelfall erst den Hinweis im Vorwort finden muss, um die nötigen Angaben zweifelsfrei zusammenzubekommen.
Die Sätze sind durchweg für einfache Verhältnisse bestimmt. Ihre überwiegend homophone Struktur, die Lage der Melodie im Sopran und die ausschließliche Verwendung einfacher Akkorde zur Begleitung entsprechen den Erwartungen an eine praktikable Kirchenmusik. Dabei entstehen überraschend frische und schöne Sätze, z. B. zu „Tröstet, tröstet, spricht der Herr“ (Türk), „Kommet, ihr Hirten“ (Philippi), „Du schöner Ostertag“ (Philippi). An manchen Stellen hätte eine stärkere Linearität den Sätzen mehr musikalisches Gewicht verliehen, ohne dass die Singbarkeit beeinträchtigt worden wäre.
Unter den 63 Sätzen befinden sich acht, die nur für zweistimmigen, gemischten Chor geschrieben sind. Bei den dreistimmigen Kompositionen ist eine Oktavversetzung der Männerstimme nach oben oder unten möglich und vorgesehen.
In einigen Fällen stützen Instrumente den Klang. So gibt es vier Sätze mit (ein oder zwei) Glocken. Eine Komposition ist mit einer Continuo-Stimme ausgestattet; eine weitere wird mit zwei Violinen und einem Violoncello begleitet.
Die Liedauswahl orientiert sich an dem den Gemeinden vertrauten Liedschatz. Sie wird durch neue geistliche Lieder ergänzt, die gleichwohl gut singbar bleiben und keine rhythmischen Finessen bieten, die ihre praktische Verwendbarkeit beeinträchtigen könnten.
Einzelne Kompositionen des Chorbuchs sind für spezielle Anlässe entstanden und sollen deshalb hier hervorgehoben werden. Der ostdeutsche Komponist Lothar Graap schrieb für das Kirchenchor-Treffen in Mühlbach 2008 eine Motette für dreistimmigen Chor mit dem Titel „Glaube, Hoffnung, Liebe“. In ihrer mehrteiligen Anlage (Psalmvers, neutestamentliche Lesung, Choral) bildet sie eine etwas größere Form, innerhalb derer die Choralmelodie auch nicht ausschließlich im Sopran liegt. Weitere Kompositionen dieses Formats wären durchaus wünschenswert.
Einige Chorsätze sind historisch überliefert, z. B. „Heut triumphieret Gottes Sohn“ aus dem „Senndorfer Cantionale“ oder „Auf, auf und singt, Brüder, Schwestern singt!“ aus dem Archiv der Gemeinde Kirchberg. Leider geht aus dem Notentext nicht hervor, ob die Ausgabe ausschließlich die originalen Quellen wiedergibt oder von Kurt Philippi bearbeitet worden ist. Beim letztgenannten Werk ist eine Textstrophe für das Kirchenchor-Treffen in Malmkrog eingerichtet. Dem diesbezüglichen Hinweis ist jedoch nicht zu entnehmen, ob es sich um einen Zusatz oder die Veränderung einer bestehenden Strophe handelt. Eine Bearbeitung stellt auch „Wir grüßen euch alle“ dar; dieser für das Burzenländer Chortreffen in Heldsdorf 1997 eingerichtete Satz ist eine Bearbeitung des „Augsburger Tafelkonfekts“ von Valentin Rathgeber.
Die Ausstattung des Chorbuches durch den Verlag ist sehr zu loben. Die Bindung verspricht eine längere Nutzungsdauer als bei vielen vergleichbaren Neuerscheinungen. Zu loben ist auch die Verwendung stärkeren, widerstandsfähigen Papiers. Nicht zuletzt machen sieben farbige Illustrationen im Innern, die extra eingeklebt sind, das Chorbuch zu einer sehr schönen Ausgabe.
Insgesamt ist das „Malmkroger Chorbuch“ eine sehr begrüßenswerte, wohl gelungene, praxisorientierte Neuerscheinung, für die dem Autor und Herausgeber sowie allen weiteren Beteiligten großer Dank gebührt. Inhalt und Ausstattung entsprechen dem hohen Zweck: Gottes Lob auch in kleineren Verhältnissen aufleuchten zu lassen.
Das „Malmkroger Chorbuch“ wird in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien kostenlos an die Chöre verteilt und ist im Handel nicht erhältlich.