St. Wolfgang am Wolfgangsee im Salzkammergut (Österreich) hat das einzigartige Glück, in seiner Pfarrkirche zwei Altäre von Weltrang zu beherbergen: den einen von Michael Pacher, dem Meister der Gotik, und vom Barockmeister Thomas Schwanthaler den anderen.
Gründer von St. Wolfgang war Bischof Wolfgang von Regensburg, der 976 auf der Flucht vor dem dortigen Bürgerkrieg in das Benediktinerkloster Mondsee kam. Er lebte lange Zeit als Einsiedler auf dem Falkenstein nächst St. Wolfgang. Um den richtigen Platz für eine Kirche zu finden, warf er sein Beil – und wo es niederfiel, steht die heutige Wallfahrtskirche. Aus dem ursprünglichen kleinen „Kirchlein im Wolfgangsland“ wurde eine der schönsten Wallfahrtskirchen der Welt, bei deren Betreten man zu atmen vergisst, so überwältigend ist sie. Die Kirche wurde von den bedeutendsten Künstlern ihrer Zeit mit prächtigen Altären ausgestattet. Der bekannteste davon ist der Flügelaltar von Michael Pacher.
Michael Pacher, das mittelalterliche Genie
Dieser berühmte gotische Flügelaltar wurde in zehnjähriger Arbeit von Michael Pacher zusammen mit seinem Bruder Friedrich in deren Werkstatt im Pustertal geschaffen. Es ist der schönste unter allen bekannten Flügelaltären, und der einzige von Pachers zahlreichen Altären, der hervorragend und komplett erhalten geblieben ist – eine Seltenheit unter den mittelalterlichen Flügelaltären. Michael Pacher wird oft als phänomenaler Bildhauer beschrieben. Er war aber ein ebenso genialer Maler und Altarbauer, im Bereich der bildenden Kunst also ein Universalgenie. Gebürtig im Pustertal, etwa um 1430, absolvierte Michael Pacher in Bruneck eine Werkstattlehre. Anschließend an seine Gesellenfahrt nach Padua gründete er in Bruneck auch selbst eine Werkstatt. Abt Benedikt Eck vom Kloster Mondsee, zu dessen Herrschaftsbereich St. Wolfgang gehörte, gab für die berühmte Pilgerstätte einen Altar in Auftrag. St. Wolfgang gehörte damals zu den wichtigsten vier Wallfahrtsorten in Europa, es musste also etwas ganz Besonderes sein. In Michael Pacher fand der Abt den passenden Meister.
Der Altar wird übergeben
1481 war der Altar fertig. Auf Wägen und per Schiff wurde er von Bruneck etwa 340 Kilometer über die Alpen nach St. Wolfgang transportiert – jedenfalls ein gewaltiges Unternehmen, denn die Straßen waren damals alles andere als glatt asphaltiert. Zudem wies der fünfteilige Flügelaltar eine Höhe von elfeinhalb Metern auf und im geöffneten Zustand eine Breite von über sechs Metern, er musste also zerlegt transportiert werden. Er umfasst 71 geschnitzte Skulpturen und 24 Gemälde. Auf der geschlossenen, der Werktagsseite, zeigen Tafelbilder Szenen aus dem Leben des hl. Wolfgang: links, wie der Teufel seine Predigt stört, und darunter, wie er seine erste Kirche baut; rechts zeigt das obere Bild, wie Wolfgang Getreide unter den Armen verteilt, und darunter, wie er eine Besessene heilt. In diesem geschlossenen Zustand sind auch die Skulpturen dahinter zu sehen: links der hl. Georg und darüber Katharina, rechts Florian und darüber Margarethe.
Die Sonntagsseite, die Schauseite mit den geöffneten Außenflügeln, präsentiert die Innenseite der Außenflügel und die Außenseite der geschlossenen innersten Flügel. In allen acht Szenen, jeweils über die ganze Breite und vier in einer Reihe, werden Motive aus dem Leben Jesu vorgestellt: in der oberen Reihe von links die Taufe Jesu im Jordan, die Versuchung Jesu, die Hochzeit zu Kana, die wunderbare Brotvermehrung; darun-ter von links die versuchte Steinigung Jesu, Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel, Jesus und die Ehebrecherin, Auferweckung des Lazarus. Besonders interessant ist auch, dass meist gotische Architektur im Hintergrund und noch viele Menschen zu sehen sind, was interessante Einblicke bezüglich Kleidung und Bauweise der gotischen Zeit zulässt.
Bei der Festtagsseite schließlich sind alle vier Flügel geöffnet und geben den Blick auf den geschnitzten Hauptschrein frei: die Krönung Mariens durch Christus, umgeben von 16 Engeln, auf den beiden Seiten flankiert durch die großen Figuren des hl. Wolfgang und des hl. Benedikt. Dieser gefasste und reich vergoldete Innenteil des Altares ist wahrhaft atemberaubend und zeigt die ganze großartige Kunst Michael Pachers. Auf der Innenseite der Innenflügel sind links die Geburt Christi und die Beschneidung Jesu zu sehen, rechts die Darbietung Jesu im Tempel und der Tod Mariens.
Beachtenswert ist auch noch die Predella – der Sockel des Altars – mit den vier lateinischen Kirchenvätern und der Anbetung der Heiligen Drei Könige, sowie das Gesprenge. Dieses wird gebildet von geschnitzten Fialen, filigranen Türmchen, Rankenwerk, Ornamenten und einem spitzenartigen Fries. Eingebaut sind mehrere Figuren des Neuen Testaments, dominiert vom gekreuzigten Christus. Wer sich vom überwältigenden Anblick des Altars trennen kann, begibt sich zu seiner Rückseite, auf der sich in voller Schreinhöhe das Bild des hl. Christophorus befindet, umgeben von acht weiteren Heiligen: In der oberen Hälfte sind links der hl. Otmar und Franz von Assisi dargestellt, rechts Eustachius und Ägidius, unten links Erasmus und Ulrich, unten rechts Klara und Elisabeth.
Kunst im Übermaß
Der Pacher-Altar beschäftigt die Aufmerksamkeit des Betrachters meist so sehr, dass der barocke Altar Thomas Schwanthalers leicht zu wenig Beachtung erfährt. Dabei war es gerade Thomas Schwanthaler, dem es zu verdanken ist, dass der Pacher-Altar erhalten blieb. Mit der bei Menschen oft vorhandenen Einstellung, das Alte habe ausgedient, etwas Neues müsse her, fand Abt Cölestin Colb 200 Jahre nach der Vollendung des Pacher-Altares, dieser gehöre entfernt und ein moderner, zeitgemäßer Hochaltar müsse stattdessen her. Er beauftragte damit den Bildhauer Thomas Schwanthaler. Dieser kam dem Auftrag nach, aber er fand mit der bei Konkurrenten selten vorhandenen Bescheidenheit, Pachers Altar sei so großartig, dass er nicht entfernt werden dürfe, sein eigener Altar solle im rückwärtigen Teil der Kirche aufgestellt werden. Der Abt ließ sich überreden, und so kam St. Wolfgang zu zwei Altären von Weltrang. Der bei Schwanthaler durch gedrehte Säulen unterteilte Doppelaltar ist überreich mit Figuren versehen, allein 68 Engel, von denen zwei beidseits des Tabernakels ein Weihrauchfass schwenken. In der linken Hälfte des Altars steht die Figur des hl. Wolfgang, seit 1430 als Gnadenbild das Ziel der Pilger. Ihm gilt wohl ebenso der Weihrauch, wie sich ein wenig davon auch der großherzige Thomas Schwanthaler verdient hat. Ein kunstvoll geschmiedetes Gitter von 1559 fasst den Altar ein.
Nicht genug der außerordentlichen Kunstwerke, sind auch noch zwei marmorne Altäre von 1713 des Hofkünstlers Jakob Zanussi zu bewundern. 25 Jahre später fertigte Anton Koch den Annenaltar für die weiblichen und den Josephsaltar für die männlichen Wallfahrer an. Meinrad Guggenbichler, berühmter Stiftsbildhauer des Klosters Mondsee, schuf 1706 den Gertrudsaltar, an dem für die armen Seelen gebetet wird, den Rosenkranzaltar und die Kanzel.
Wenn man die Kirche verlässt, stößt man gleich auf das nächste Kunstwerk, den Wolfgangi-Pilgerbrunnen. An dieser Stelle gab es von alters her zwei Heilquellen. Abt Wolfgang Haberl ließ zu Ehren seines Namenspatrons 1508 vom Bronzegießer Lienhard Rännacher und Peter Mülich die Quellen fassen. Der kunstvoll mit vielen Relief-Figuren und Sinnsprüchen auf der großen Brunnenschale versehene Brunnen der Frührenais-sance wurde der Hausbrunnen des Konvents und des ganzen Viertels.
In einer kleinen Seitenkapelle ist der manchmal wenig beachtete Wolfgang-stein zu sehen. Von ihm sagt die Legende, dass Wolfgang an einem Sonntag seine Gebetszeit verpasste. Voll Reue warf er sich auf dem harten Felsen zu Boden. Der Fels aber wurde weich, und es zeigten sich darin die Abdrücke seiner Hände und Füße. Da wusste Wolfgang, dass ihm verziehen worden war.
Wäre interessant zu wissen, bei welchen namhaften Leuten sich wohl heute der Stein erweichen würde!