Die Konzertsaison 2014/2015 des Rumänischen Rundfunks wurde am 8. Oktober im Bukarester Mihail-Jora-Saal offiziell mit einem feierlichen Instrumental- und Vokalkonzert eröffnet, bei dem das Radiokammerorchester sowie der Akademische Chor des Rumänischen Rundfunks zum Einsatz kamen. Ein weiteres Ensemble des Rumänischen Radios, das Nationale Rundfunkorchester, wird seine Konzertsaison heute mit einem Tschaikowsky- und Penderecki-Programm eröffnen, wobei der polnische Komponist Krzysztow Penderecki diesem Ereignis persönlich beiwohnen wird.
Auch das Konzert vom 8. Oktober konnte mit einer außerordentlichen Präsenz aufwarten. Als Solist des Beethovenschen Violinkonzertes trat der junge rumänische Violinvirtuose Răzvan Stoica in Erscheinung, der nicht nur, wie viele aufstrebende Geiger, durch die perfekte Beherrschung seines Instruments beeindruckte, sondern der auch mit einer markanten Interpretation von Beethovens op. 61 begeisterte.
Nach einem verhaltenen Beginn, der auf klare Linienführung Wert legte und auf kräftige Setzungen bewusst verzichtete, entführte Stoica den Zuhörer vor allem in den von Achteltriolen geprägten Passagen seines Parts in Mozartsche Welten voller Leichtigkeit und Verspieltheit, die man im gewohnten Kontext Beethovenscher Wuchtigkeit zunächst einmal ungläubig staunend vernahm, bevor man sich ihnen schwerelos überließ und mit ihnen sanft entschwebte. Herrliche Trillerpassagen begleiteten die Reise durch den ersten Satz, unnachahmlich dann auch der – vom Dirigenten Gerd Schaller behutsam moderierte – Übergang vom Schluss der Kadenz in die reine und einfache Melodie des Themas, das in diesem Konzert erstmals von den Oboen intoniert wird.
Auch den zweiten Satz beließ Stoica in der Welt ätherischer Klänge, deren Reinheit allenfalls durch Intonationsschwierigkeiten der Bläser beeinträchtigt wurde. Im „attaca subito“ folgenden Rondoschlusssatz ließ Stoica dann aber doch etwas von Beethovens Kraft und Wucht aufscheinen, die freilich durch das schnelle Tempo des Hauptthemas musikalisch wiederum gebändigt wurden. Hier hätte man sich im Zusammenspiel zwischen Solist und Streichergruppen noch mehr Synchronizität und harmonisches Spielverständnis gewünscht, zumal Stoica auch manche Tutti-Passagen der ersten Violinen in den Pausen seines Soloparts mit intonierte und so einen lebendigen Kontakt zum Orchester herstellte.
Ein besonderes Erlebnis waren die Kadenzen des Beethovenschen Violinkonzertes, die allesamt aus der Feder Fritz Kreislers stammten. In ihnen ließ Stoica seinem überragenden Können und seiner Interpretationslust, die er in den gemeinsamen Passagen mit dem Orchester moderat und gleichsam mit Understatement praktiziert hatte, freien Lauf. Selten hat man die triolischen Doppelgriffpassagen der Kreislerschen Kadenz zum ersten Satz derart rasant vorgetragen gehört, selten konnte man das zweistimmige Hauptthema derart klar und rein aufsteigen, selten die Kadenz so gekonnt in das Schlusstutti übergehen hören wie in Stoicas Interpretation, die auch in der Kadenz zum dritten Satz verblüffende Wendungen enthielt und überraschende Hörerlebnisse bescherte.
Es versteht sich von selbst, dass das Publikum den 1986 geborenen Solisten, der als einer der ganz Großen seiner Generation gehandelt wird, nicht ohne Zugabe von der Bühne gehen ließ. Răzvan Stoica bedankte sich mit Paganinis Introduktion und sieben Variationen zu Giovanni Paisiellos Sopranarie „Nel cor più non mi sento“, einem Werk, bei dem Stoica seine stupende Technik und zugleich seine sprühende Musikalität unter Beweis stellen konnte. Veredelt wurde das Spiel Stoicas noch durch seine Stradivari-Geige aus dem Jahre 1729, die Leihgabe eines anonymen Salzburger Mäzens, die dem vielfach preisgekrönten Solisten seit seinem Gewinn des Salzburger „Strad Prize“ im Jahre 2009 zu spielen vergönnt ist. Paganinis Werk für Solovioline (op. 38 in G-Dur) wurde von Stoica als Zugabe übrigens nicht ohne Seitenblick auf Beethoven gewählt. Auch Beethoven hatte einst Variationen zu Paisiellos Arie komponiert: die sechs Klaviervariationen WoO 70.
Der zweite Teil des Konzertabends war dann Franz Schuberts fünfter lateinischer Messe in As-Dur (D 678) gewidmet. Der von Dan Mihai Goia einstudierte Radiochor und das von Gerd Schaller geleitete Rundfunkkammerorchester interpretierten das Schubertsche Spätwerk gemeinsam mit den Solisten Paula Iancic (Sopran), Iulia Merca (Mezzosopran), Tiberius Simu (Tenor) und Árpád Sándor (Bass). Ganz besonders beeindruckten die Stimmen der jungen Sopranistin, die an der Musikakademie „Gheorghe Dima“ in Klausenburg/Cluj-Napoca studiert, sowie des jungen Tenors, der neben seiner internationalen Konzerttätigkeit auch im Regiefach tätig ist: Im März dieses Jahres führte er in der Rumänischen Nationaloper Klausenburg Regie bei Franz Lehárs „Lustiger Witwe“.
Schuberts hochkomplexes sechssätziges Werk, das den Komponisten seit 1819 jahrelang beschäftigte und das er immer wieder veränderte und umschrieb, lebt vom beständigen Wechsel zwischen den Parts der Chöre wie der Solisten, von seiner reichen inneren Dynamik und von seiner redundanten Struktur. Grandios beispielsweise das mehrfach erklingende „Osanna in excelsis“, bei dem der Akademische Radiochor seine gesamte impulsive Kraft und seine gewaltige Stimmfülle einsetzen und ausleben konnte! Auch die lyrischen Duette von Solosopranistin und Solotenor machten die Aufführung der Schubertschen Missa solemnis zu einem erhabenen Erlebnis, zu dessen Glanz nicht zuletzt die Orgel beitrug, die bei dieser Messe an entscheidenden Stellen zum Einsatz kommt. Also ein würdiges Eröffnungskonzert der laufenden Saison, von der wir uns in der kommenden Zeit noch viele Höhepunkte dieser Art erhoffen!