Am 17. Dezember 2015 wurde im Nationalen Kunstmuseum Rumäniens eine Ausstellung eröffnet, die noch bis zum 17. April dieses Jahres in vier Sälen im Erdgeschoss des ehemaligen Königspalastes an der Bukarester Calea Victoriei besichtigt werden kann. Gezeigt werden dort Werke rumänischer Künstlerinnen, die über ihr künstlerisches Schaffen hinaus auch feministisch engagiert waren und sich für die Gleichberechtigung der Frauen in Rumänien eingesetzt haben.
Die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen Kunstwerke, die in der Bukarester Ausstellung mit dem Untertitel „Kunst und Feminismus im modernen Rumänien“ zu sehen sind, stammen aus den Beständen des Nationalen Kunstmuseums Bukarest, der Rumänischen Akademiebibliothek, des Bukarester Stadtmuseums, des Museums „Frederic Storck şi Cecilia Cuţescu-Storck“, des Kunstmuseums Konstanza, des Museums für Visuelle Kunst Galatz sowie – im Falle der Künstlerinnen Olga Greceanu und Theodora Cernat Popp – aus Privatbeständen der beiden Familien.
Die von Valentina Iancu kuratierte und von Monica Enache koordinierte Ausstellung betrachtet die Jahre 1916 und 1938 als Eckdaten jenes Zeitraums, innerhalb dessen sowohl im künstlerischen, als auch im gesellschaftlichen und politischen Bereich in Rumänien Emanzipationsprozesse in Gang gekommen sind, die einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Mann und Frau bedeuteten. Im Jahre 1916, als es in Rumänien noch kein Frauenwahlrecht gab, schlossen sich hier erstmals Frauen zu einer Künstlerinnenvereinigung zusammen. Und im Jahre 1938 wurde in Rumänien zum ersten Male eine internationale Ausstellung weiblicher Kunst eröffnet.
Betritt man die Bukarester Ausstellung, so fühlt man sich sogleich in eine weibliche Welt versetzt, wie man sie derzeit auch im Kino – in dem Spielfilm „The Danish Girl“ mit dem für einen Oskar nominierten Eddie Redmayne in der Hauptrolle – genießen kann. Das Aktgemälde in Öl aus den zwanziger Jahren von Elena Popea (1879-1941), das im ersten Ausstellungssaal zu bewundern ist, platziert die lässig auf einen Diwan hingestreckte Aktfigur in ein Ambiente aus reichen Tuchen und Stoffen, das Exterieur und Interieur ineinander verschwimmen lässt.
Die Kronstädterin Elena Popea, die in Leipzig, Berlin, München und Paris studierte, stellte auch in London und Amsterdam aus, bevor sie nach einem längeren Aufenthalt in der Bretagne nach Rumänien zurückkehrte. In der Bukarester Ausstellung ist sie auch mit Frauenporträts und Marktszenen aus Siebenbürgen (in einer Stadt und in einem Dorf am Fuße einer Kirchenburg) vertreten.
Von Maria Ciurdea Steurer (1878-1967), die in Roman geboren wurde und in Bukarest und München Malerei studierte, sind in der Ausstellung im Kunstmuseum Selbstporträts zu sehen, eines mit Brille, ein zweites mit Kopftuch, daneben ein Porträt der Schauspielerin Maria Filotti sowie ein Porträt Evdochia Ciurdeas als Rückenakt.
Cecilia Cuţescu Storck (1879-1969), die erste weibliche Professorin an einer staatlichen Kunst-akademie in Rumänien und darüber hinaus in ganz Europa, bildete zusammen mit den Künstlerinnen Olga Greceanu (1890-1978) und Nina Arbore (1888-1942) die „Gruppe der drei Damen“, die gemeinsam ihre beruflichen und feministischen Interessen verfochten. „Wenn du eine Frau bist“, so wird Cecilia Cuţescu Storck in der Ausstellung zitiert, „brauchst du die Energie einer Wahnsinnigen und den Wahnsinn einer Verzweifelten, um alle Hindernisse zu überwinden, die die Gesellschaft mutigen Frauen in den Weg stellt.“
Zahlreiche Frauenporträts Cecilia Cuţescu Storcks, deren Schaffen in Bukarest in einem eigenen Museum dokumentiert ist, sind gegenwärtig im Kunstmuseum zu sehen, darunter die Porträts einer Blumenverkäuferin und einer Zigeunerin, zwei Porträts dunkelhäutiger barbusiger Schönheiten, antagonistisch „Statisch“ und „Dynamisch“ betitelt, ferner Frauenakte, ein Selbstporträt mit Palette und ein Pastellbild auf Karton mit dem Titel „Beim Flüstern“, das an Frauenporträts Gauguins aus der Südsee gemahnt. Von Cecilia Cuţescu Storck stammt auch das Titelbild der Bukarester Ausstellung, das wunderbare Gemälde „Zwei Schwestern“, das an die Tradition der Renaissanceporträts anknüpft und gleichwohl durch das Spiel der Hände und die Gruppierung der Gesichter geradezu nach einer modernen psychologischen Deutung ruft. Grandios ist auch ein Aktgemälde voller Ausdruckskraft der erst 20-jährigen Künstlerin, das einen älteren abgehärmten, gleichsam in sich zusammensackenden Frauenkörper mit abgewandtem und von Haaren verdecktem Gesicht zeigt!
Zahlreiche Werke der Bildhauerin Miliţa Petraşcu (1892-1976) findet man in der Ausstellung im Kunstmuseum, hauptsächlich aus Bronze und Marmor, darunter eine Porträtbüste von Cella Delavrancea und eine „Fisch“ betitelte goldglänzende Bronze, die an Werke ihres großen Vorbildes Constantin Brâncuşi erinnert.
Von Merica Râmniceanu (1891-1972) begeistert das neusachliche, „Baronin“ betitelte, Porträt, das insbesondere durch die künstlerische Gestaltung der Frisur besticht, ferner ein Fresko „Stillleben mit Blumen“, zwei Aktdarstellungen, ein Porträt der Schwester der Künstlerin und ein grandioses Bild mit Lilien, Himbeeren, einer französischen Zeitung, Büchern und höchst interessant gruppierten anderen Gegenständen. Eine Künstlerin, die zu entdecken sich lohnt!
Genauso aufregend ist das künstlerische Werk der bereits erwähnten Olga Greceanu, zumal in der Bukarester Ausstellung Werke aus Familienbesitz zu sehen sind, die danach wieder den Blicken der Öffentlichkeit entzogen sein werden. Eine Frau mit Harfe, eine Frau mit einer Gebetskette aus blauen Perlen, weitere Frauenporträts, Spielleute, ja sogar – eine Rarität in dieser Ausstellung! – das Porträt eines Mannes. Größten Eindruck macht ein zwischen eine Vase und eine Flasche platzierter Frauenakt, der als doppelte Mandorla wirkt und bei dem man unwillkürlich an Edvard Munch denkt: ein schwarzer Mantel umhüllt den Frauenleib, so wie die schwarzen Haare der Frau ihr Gesicht umhüllen. Ein weiteres Aktgemälde drapiert in erlesenem Ambiente eine überdimensionale Vase neben den in etwa gleich großen Oberkörper der Frau, die von einem Kaktus, einer Schale mit Äpfeln und einem veritablen weißen Pelikan umrahmt wird.
Von der ebenfalls bereits erwähnten Nina Arbore sind nicht nur zahlreiche Frauenporträts zu bewundern, darunter eines mit Hut, ein anderes mit Hund, ferner ein Selbstporträt und ein Porträt der Schriftstellerin [tefania Zotoviceanu Rusu, sondern von ihr findet man auch ein Zitat, das die Thematik „Kunst und Feminismus“ der Bukarester Ausstellung näher beleuchtet: „Es gibt keine spezifisch weibliche Empfindung in der Kunst aus dem einfachen Grund, weil die Kunst kein Geschlecht hat.“
Abschließend seien wenigstens noch die Namen weiterer rumänischer Künstlerinnen genannt, die in der Bukarester Ausstellung ebenfalls mit Werken vertreten sind: Theodora Cernat Popp, Lola Schmierer Roth, Margareta Cosăceanu Lavrillier, Rodica Maniu, Céline Emilian, Irina Codreanu, Lucia Demetriade Bălăcescu, Florenţa Pretorian, Micaela Eleutheriade, Magdalena Rădulescu, Nadia Bulighin, Margareta Sterian, Nutzi Acontz und Mina Byck Wepper.