Wie bereits im ersten Teil der Arbeit erwähnt (siehe ADZ vom 14. Juli 2023, Subtitel: „Die ersten Wirtschaftsbeziehungen von Bukarest zum deutschsprachigen Raum und die Anfänge der örtlichen evangelischen Gemeinde“), geht die evangelische Gemeinde in Bukarest auf den Beginn des 18. Jahrhunderts zurück. Die Evangelische Kirche C.A. in Bukarest stand bis 1838 unter dem Schutz der schwedischen Krone und ab 1939 unter dem gemeinsamen Schutz Preußens und Österreichs. Dies war zwar eine zusätzliche Verantwortung für die Regierungen von Berlin und Wien, aber sie ermöglichte ihnen, den Einfluss in Bukarest zum Nachteil Russlands und des Osmanischen Reiches zu stärken. Seitdem die evangelische Gemeinde unter den doppelten Schutz von Preußen und Österreich gestellt wurde, erfuhr die Evangelische Kirche mehrere Reformen und Veränderungen in ihrer Organisation und Leitung.
Bau der neuen evangelischen Kirche in Bukarest
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der evangelischen Gemeindemitglieder in Bukarest plötzlich zu und die alte Kirche erwies sich als zu klein, daher wurde die Notwendigkeit, eine neue Kirche zu bauen, sehr dringend. Nach mehreren erfolglosen Versuchen von Kirchenmitgliedern, Spenden zu sammeln und Sponsoren aus dem deutschen Raum anzuwerben, erhielt nur der damalige Pfarrer Rudolf Neumeister ein Stipendium des Leipziger Gustav-Adolf-Vereins.
Am 10. Oktober 1846 wurde Rudolf Neumeister zum Pfarrer der Evangelischen Kirche in Bukarest ernannt. Der gebürtige Weimarer hatte seine Begabung für das Schreiben durch die Veröffentlichung einiger Gedichte in der 1845 gegründeten „Bukarester Deutschen Zeitung“ bereits bewiesen und um die Gemeinde bekannt zu machen, veröffentlichte Neumeister zugunsten des Kirchenneubaus eine Predigtsammlung mit dem Titel „Klänge einer lutherischen Glocke in der Walachei“, wie es im Buch „Geschichten der evangelischen Gemeinde zu Bukarest. Von den Anfängen bis 1938“ von Hans Petri, Stadtpfarrer der evangelischen Kirche in Bukarest von 1921 bis 1951, heißt. Ursprünglich wollte er es dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. widmen. Dieser nahm die Widmung aber nicht an, wohl aus Rücksicht auf seinen österreichischen Partner, mit dem er das Protektorat über die Gemeinde teilte, spendete aber dennoch eine stattliche Summe für das erhaltene Exemplar. Auch der Kaiser von Österreich schloss sich diesen Spenden für den Bau der neuen Kirche an, und zwischen 1851 und 1853 steuerte der Leipziger Gustav-Adolf-Verein eine große Geldsumme bei. Auch die evangelische Kirche in Hermannstadt beteiligte sich finanziell. So wurde am 10. September 1851 der Grundstein gelegt.
Die Kosten für den Bau der Kirche erwiesen sich als hoch, und das hätte eine Verringerung der Größe des Kirchturms bedeutet. Derjenige, der dies verhinderte, war jedoch Baron von Meusebach, der 1850 mit der Leitung der preußischen diplomatischen Vertretung in Bukarest betraut worden war. Während seiner 10-jährigen Tätigkeit in diesem Amt erwies sich der Konsul als ein sehr ergebener Freund dieser Gemeinschaft. In einer an die Kirchenleitung gerichteten Ansprache verpflichtet er sich, die durch die Einhaltung des ursprünglichen Bauplans entstehenden Mehrkosten persönlich zu tragen: „Das Haus des Herrn, als Zeugnis der Kraft des evangelischen Glaubens bei unseren deutschen Landsleuten, muss, wie wohl jeder will, als Symbol dieses Geistes in den Himmel steigen, ebenso wie die frommen Denkmäler unserer Eltern in der deutschen Heimat.“ So fand am Palmsonntag, dem 24. April 1853, die Einweihung der neuen lutherischen Kirche statt.
Der Turm war nun tatsächlich das höchste Gebäude der Stadt. An diesem Tag hatte der preußische Konsul Baron von Meusebach, obwohl er krank war, extra für diesen Anlass das Haus verlassen und dem König von Preußen einen langen und ausführlichen Bericht über dieses Ereignis gesandt, aus dem Hans Petri einige Abschnitte in seinem Buch wiedergibt. „Die lutherische Gemeinde hatte noch nie so viele Teilnehmer(...)Von der alten Kirche brachen die beiden Pfarrer zur neuen Kirche auf, denen als Vertreter der hohen Schutzmächte sofort der österreichische Reichsagent und Seine Exzellenz der preußische Generalkonsul folgten(...) Dieses Ereignis großer Freude war eine Ehre für die evangelische Gemeinde, für die Deutschen hier und besonders für die Preußen“.
An dieser Veranstaltung nahmen Menschen aus der hohen Bukarester Gesellschaft, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, teil, aber auch eine große Anzahl hochrangiger Staatsbeamten, Minister, anderer Generalkonsuln ausländischer Mächte und der Sohn des damaligen walachischen Herrschers Barbu [tirbei. Dies ist zweifellos ein Zeichen der Toleranz und der Freundschaft, die die Regierung in Bukarest gegenüber der evangelischen Gemeinde und den Deutschen zeigte. Aus Meusebachs Bericht geht noch hervor, dass die Deutschen in Bukarest nicht nur Preußen waren, sondern auch Deutsche aus anderen Königreichen wie Sachsen oder Bayern.
Wahl des Prinzen von Hohenzollern-Sigmaringen
Nach der Vereinigung der walachischen und moldauischen Fürstentümer 1859 unter der Führung des Herrschers Alexandru Ioan Cuza wurde Anfang 1866 die Entscheidung getroffen, den Herrscher durch eine starke Opposition zu entthronen. Es wurde angenommen, dass ein prominenter Vertreter einer westlichen Dynastie den Staat in Bezug auf die Beziehungen zu den Großmächten auf eine vorteilhaftere Ebene bringen würde. Ein unparteilicher ausländischer Fürst sollte die internen Machtkämpfe beenden.
Da der Graf von Flandern, der Bruder des Königs von Belgien, nicht zur Übernahme zu bewegen war, wurde der Kontakt zu Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen hergestellt, Sohn von Karl Anton, Oberhaupt des Hauses Hohenzollern und ehemaliger preußischer Ministerpräsident. Im Alter von 27 Jahren erklärte Prinz Karl sich bereit, die Herrschaft der vereinigten Rumänischen Fürstentümer zu übernehmen, nach Diskussionen und Verhandlungen mit dem Gesandten aus Bukarest, dem liberalen Politiker Ion C. Br²tianu, Ende März in Düsseldorf. Dann wurde im April in der Hauptstadt der Vereinigten Fürstentümer ein Referendum abgehalten, wo man sich fast einstimmig für diese Wahl aussprach.
Am 10. Mai 1866 wurde Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen zum Herrscher der vereinigten rumänischen Fürstentümer gesalbt. So nahmen die rumänisch-deutschen Beziehungen erheblich zu und der neue Herrscher setzte viele Reformen für die Zukunft der evangelischen Gemeinde von Bukarest um.
Der von Prinz Karl gesteuerte Ausbau der Infrastruktur und der Eisenbahnbau zog viele deutsche Ingenieure, Beamte, Handwerker und Arbeiter ins Land. Viele von ihnen ließen sich hier mit der ganzen Familie dauerhaft nieder, so dass die Zahl der Deutschen in Bukarest stark zunahm. Zu beachten ist auch, dass die deutsche Volksgruppe nicht nur in Bukarest zugenommen hatte, sondern auch in anderen Städten.
Im Laufe der Jahre wurde die Deutsche Evangelische Schule in Bukarest mit Hilfe des Königs von Preußen, Wilhelm I. und des Fürsten Karl ausgebaut und renoviert.
Dann fand am 15. November 1869 ein wichtiges Ereignis auch für die evangelische Gemeinde statt, die Vermählung des Prinzen Karl mit der Prinzessin Elisabeth zu Wied. Bei dem Empfang zu Ehren der jungen Prinzessin waren auch die beiden Pfarrer der evangelischen Kirche anwesend, die Prinz Karl seiner Gattin als ihre zukünftige Seelsorger vorstellte.
Von den vereinigten Fürstentümern zum Königreich
Nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877-1878 erlangten die Vereinigten Fürstentümer die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich, sodass der neue Staat am 14. März 1881 in Form einer konstitutionellen Monarchie zum „Königreich Rumänien“ ausgerufen wurde. So erhielt Prinz Karl von Hohenzollern am 10. Mai 1881 nach fünfzehnjähriger Herrschaft die Königskrone und wurde König von Rumänien.
Durch einen Festgottesdienst und offizielle Grüße an Ihre Majestäten beteiligte sich die evangelische Gemeinde voll und ganz an diesem Ereignis. Die Deutschen in Bukarest, wiedervereint in verschiedenen Verbänden, huldigten dem königlichen Paar durch einen Konvoi mit Fackeln, der am Abend des 1. April organisiert wurde.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche und die Schutzmächte
Es gab verschiedene neue Projekte in der Kirche, zum Beispiel ein Projekt, um die Regeln und die Organisation der Kirche zu ändern. Zur Durchführung dieser Änderungen musste die Zustimmung der Schutzmächte, in diesem Fall der Generalkonsulate von Preußen und Österreich, eingeholt werden. Stimmte eines der Konsulate nicht zu, konnten die neuen Beschlüsse nicht umgesetzt werden, dies lässt sich aus der Aussage des preußischen Konsuls nachvollziehen: „Nach Erhalt der erwarteten Weisungen aus Berlin werde ich mit dem österreichisch-ungarischen Generalkonsulat entscheiden, ob die Änderung der Kirchenordnung zum jetzigen Zeitpunkt angemessen erscheint…“. Schließlich dauerte die Änderung der alten Ordnung etwas länger, in der Zeit des preußischen Konsuls von Radowitz, der am 29. Juli 1870 persönlich an der Generalversammlung der Kirche teilnahm, um endgültige Entscheidungen zu treffen. Das kaiserlich-königliche Generalkonsulat war bei derselben Generalversammlung nur durch einen hochrangigen Beamten vertreten.
Es muss erwähnt werden, dass die evangelisch-lutherische Kirche in Bukarest unter dem Protektorat des Deutschen Reiches bleiben wollte, da Österreich eher ein katholischer Staat war, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Mehrheit der Kirchenmitglieder Preußen oder Siebenbürger Sachsen waren.
Außerdem wurde die Gemeinde kurz nach der Änderung der Verordnung in „evangelisch“ statt in „evangelisch-lutherisch“ umbenannt. Grund für die Veränderung war die in den letzten Jahrzehnten wachsende Zahl von in Bukarest lebenden Schweizern, die zwar reformiert waren, sich aber aufgrund sprachlicher Unterschiede nicht der eigenen Konfession anschließen konnten, da die reformierte Mehrheit in Bukarest aus Ungarn bestand.
Diakonissenhaus in Kaiserswerth
Seit Konsul von Meusebach wollte man in Bukarest eine Mädchenschule errichten, die Ausbildung in einem nach religiösen Grundsätzen organisierten Internat war nicht nur für Deutsche, sondern auch für die Bukarester Bevölkerung in der gehobenen Gesellschaft eine attraktive Perspektive.
So nahm Generalkonsul von Meusebach 1855 schriftlich Kontakt mit Pfarrer Fliedner auf, dem Direktor des Diakonissenhauses in Kaiserswerth, damit er im September 1856 persönlich dorthin gehen konnte. Diese Verhandlungen scheiterten, so dass zunächst nur zwei normale Lehrerinnen aus Deutschland für die neue Mädchenschule geholt wurden. Nachdem Generalkonsul von Meusebach noch einmal am 8. September 1859 Kaiserswerth besucht hatte, reiste Pfarrer Disselhoff, Schwiegersohn und Stellvertreter von Pastor Fliedner, zusammen mit drei Diakonissenlehrerinnen, einer Schwester Administrator und zwei Dienstmädchen nach Bukarest ab. So ist die Mädchenschule seither als Tochtergesellschaft des Instituts Kaiserswerth eingegliedert.
Nach langjähriger Tätigkeit kündigte die Zentrale Einrichtung Kaiserswerth an, alle ihre Diakonissen aus Bukarest abzuziehen. Königin Elisabeth selbst kontaktierte die Leitung der Anstalt Kaiserswerth und bat auch die Kaiserin des Deutschen Reiches um eine Intervention, die sie annahm. Daraufhin entschied sich die Leitung des Kaiserswerther Instituts, einige Diakonissen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in Bukarest zu belassen, doch nach kurzer Zeit erkannte die Gemeinde in Bukarest, dass ein Lehrerwechsel mitten im Jahr Schwierigkeiten mit sich bringen kann. So blieb es zunächst dem Beschluss überlassen, die Tätigkeit der Diakonissen in der Mädchenschule einzustellen, und 1896 verließen sie Bukarest.
Inzwischen hatte der deutsche Kaiser Wilhelm II. den Rückzug der Diakonissen aus Bukarest diplomatisch zur Kenntnis genommen und den Wunsch geäußert, dass sich die Einrichtung Kaiserswerth im Falle einer Wiederaufnahme der Beziehungen zur deutschen Gemeinde in der rumänischen Hauptstadt kooperativ verhalten solle. Aufgrund dieser Aussage war die Siedlung Kaiserswerth bereit, Diakonissen nach Bukarest zurückzusenden.
In der Analyse der Beziehungen zwischen Bukarest und dem deutschsprachigen Raum stellen diese direkten Interventionen des deutschen Kaisers und der deutschen Kaiserin einen Beweis dafür dar, dass die Gesellschaft in der rumänischen Hauptstadt mit der deutschen Gesellschaft verbunden war, dies wegen der Tatsache, dass das Königspaar in Bukarest zweifellos ein wichtiger Faktor war, um diese engen Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Die Zahl der Deutschen in Bukarest nahm zu
Im Spätherbst 1890 gab der Pfarrer der Evangelischen Kirche in Bukarest, Teutschländer, eine Denkschrift an die Gemeindemitglieder der Kirche heraus. So stieg die Zahl der evangelischen Gemeinde im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auf etwa 6000 Mitglieder an. Die Mitglieder der Gemeinde lebten jedoch in einer Stadt wie Bukarest mit einem sehr großen Gebiet, sodass die Lutheraner nicht in einem bestimmten Viertel lebten, sondern zufällig über die Stadt verstreut waren. Von der Herkunft her waren sie keine einheitliche Gruppe, die Gemeinde bestand aus Deutschen aus dem Kaiserreich, Siebenbürger Sachsen, Schweizern aus verschiedenen Kantonen, Österreichern und Sudetendeutschen. Erwähnenswert ist auch der soziale Faktor, also die Unterschiede zwischen Reich und Arm. In diesem Sinne, waren die Deutschen aus dem Kaiserreich finanziell reicher als die anderen Mitglieder.
Da Rumänien immer mehr in den internationalen Warenverkehr eingebunden wurde, nahm die Zuwanderung aus Deutschland zu. Die wachsende Zahl von Deutschen, die sich in Bukarest ansiedelten, führte 1894 zur Gründung der „Asociația Germanilor din Imperiu“. Die Schweizer hatten die „Uniunea Elvețiană“ gegründet, die Siebenbürger Sachsen „Transsylvania“ und auch die Österreicher hatten ihren Verband. Gleichzeitig gab es damals zwei deutschsprachige Zeitungen, nämlich „Bukarester Tageblatt“ und „Rumänischer Lloyd“.