Grenzgänge einer Soldatenseele

Temeswarer Schauspieler Boris Gaza in den USA für seine Rolle als kranker Soldat ausgezeichnet

Boris Gaza spielt einen kranken Soldaten, der sich verlaufen hat.

Szene aus dem Film

Bei den Dreharbeiten in Bârzava bei Arad

Der Film „The Crossing“ wird am 7. Februar in der Temeswarer Universitätsbibliothek ausgestrahlt.

Ein verletzlicher Soldat. „Könnte ein interessanter Widerspruch sein“, so die erste Überlegung des Schauspielers Boris Gaza beim Lesen des Drehbuchs für den Film „The Crossing“. Doch ein Widerspruch ist nur all zu oft auch eine Herausforderung, und gute Schauspieler nehmen Herausforderungen an. Das tat auch Boris Gaza, ohne zu zögern. Und dies war eine Provokation der ganz besonderen Art, denn die Produktion brachte ihm weltweit Anerkennung.

Sechs Preise allein in Hollywood

In der rumänischen Filmproduktion „The Crossing“, ein Kurzfilm in der Regie von Cristian Pleş, spielt der Temeswarer Schauspieler Boris Gaza einen verletzten Soldaten, der sich verlaufen hat. Eine Rolle, die er erfolgreich gemeistert hat und die ihm internationale Anerkennung einbrachte. Der Film wurde bereits auf drei Festivals in Amerika mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Vor allem beim „Los Angeles Cinema Festival of Hollywood“ räumte der Streifen die wichtigsten Preise ab, darunter für den besten Schauspieler (Boris Gaza), den besten Regisseur (Cristian Pleş) und den besten Kurzfilm.

Der 20 Minuten lange Streifen wurde auch als bester Studentenfilm ausgezeichnet und gewann den Preis für die besten Kostüme sowie für das beste Design. Beim Internationalen „Utah Arts Festival“ wurde „The Crossing“ mit dem höchsten Jurypreis ausgezeichnet. Inzwischen gewann er noch den „Silver Award“ beim „California Film Awards“.

 „Es war einfach unglaublich, vor allem, da der Film in Rumänien gar nicht so bekannt ist“, erzählt Boris Gaza. Die Produktion ist die Diplomarbeit von Cristian Pleş und wird am 7. Februar auch in der Temeswarer Universitätsbibliothek präsentiert. Anschließend soll ein Publikumsgespräch mit Boris Gaza und Regisseur Cristian Pleş stattfinden. Der Streifen wurde auch im Rahmen des Bukarester Filmfestivals „CineMAiubit 2011“ ausgestrahlt. Die Produktionskosten beliefen sich auf rund 5000 Euro, so Regisseur Pleş. Einen Teil des Geldes hat die Theater- und Filmhochschule „I. L. Caragiale“ Bukarest gestiftet, den Rest hat der junge Künstler von seinem Vater bekommen.

Thema: Der  Zweite Weltkrieg

Der Plot des Films handelt von zwei Soldaten (Boris Gaza und Toma Cuzin) im Zweiten Weltkrieg, die von ihrer Einheit getrennt wurden und sich verlaufen haben. Kein rumänisches Thema, so der Regisseur Pleş, im Gegenteil: Es ist viel mehr ein universaler Plot. Tauscht man die Namen, den Ort aus, so können die zwei Soldaten für jedwelche Nation stehen und die  Handlung für jedwelchen Krieg. Denn es kommt immer wieder zu dem einen gemeinsamen Punkt, wo Soldaten mit „ihrem“ Krieg allein gelassen werden und damit mit ihren Ängsten und Gefühlen allein klar kommen müssen.

Bei ihrem Versuch, ihre Truppe wieder zu finden, passieren merkwürdige Dinge. Ein Soldat wird krank, Musik ertönt aus seinem tragbaren Sprechfunkgerät, er wird von einer Biene gestochen und bekommt immer wieder blaue Flecken. Sein Zustand verschlechtert sich zusehends im Laufe der Handlung, bis er am Ende seiner Kräfte ist und ins Koma fällt.

Die Arbeit mit sich selbst

„Ich konnte eine enge Beziehung zur Gestalt entwickeln“, erzählt der Temeswarer Boris Gaza. Denn bei der Rolle konnte er eben das einsetzen, was er seit Jahren bei seinem eigenen Theaterworkshop fördert: „Die Arbeit des Schauspielers mit sich selbst“. Diese beginnt fast immer mit einem Schweigen, in dem Gaza seine eigenen Gedanken auf „still“ stellt, um die Gedanken und Gefühle der Gestalt wachsen zu lassen. „Jeder Schauspieler muss lernen, mit sich selbst zu arbeiten. Seinen Körper wahrnehmen und ihn in die Rolle einsetzen“, so Gaza, der 2001 ein Theaterstudio beim Sitz der Behörde für Kultur und Denkmalschutz in unmittelbarer Nähe des Domplatzes einrichten ließ. Seitdem organisiert er hier regelmäßig verschiedene Workshops für Schauspieler sowie Theaterstudenten der rumänischen und deutschen Theaterabteilung.

„Ich wollte das herausfinden, was uns in der Schule nicht beigebracht wird und was jeder Schauspieler alleine lernen muss. Die Selbstentwicklung jedes Künstlers, dessen Arbeit mit sich selbst“, so Gaza. Bei seinen Workshops wird weniger gesprochen und mehr gespielt. Dabei werden verschiedene Aufwärmungs-, Improvisations- sowie Schauspieltechniken eingesetzt.

Er ließ sich hierbei von den Methoden von Jerzy Grotowski und Lee Strasberg sowie von den Regisseuren Victor Ioan Frunză und Andrei Şerban inspirieren.
Grotowski gilt als Wegbereiter der Freien Theatergruppen, er begriff das Theater als ein Mittel, die Welt und sich selbst zu erkunden. Lee Strasberg bezeichnete mit „Method Acting“ seine auf der Lehre Konstantin Stanislawskis beruhende Methode, die Schauspielerei zu erlernen. Es ist eine US-amerikanische Variante des Naturalismus im Schauspiel. Der Schauspieler arbeitet dabei mit Erinnerungen an eigene Erlebnisse und Entspannungstechniken.

Dazwischen lässt aber Boris Gaza auch seine eigenen Perspektiven und Methoden einfließen: „Das Schauspiel ist ein Handwerk und so wie jedes Handwerk hat es seine eigenen Mechanismen und Techniken, die man erlernen muss“, erläutert er.

Nur eine Nacht zur Vorbereitung

„Dass der Soldat aus dem Film nicht viel sprechen musste, war für mich ein Vorteil. Ich konnte mich dadurch besser auf das Schauspiel fokussieren“, erzählt Gaza, der eigentlich nur eine Nacht zur Vorbereitung hatte. Denn der Vorschlag, bei der Produktion von Cristian Pleş mitzumachen, kam eher plötzlich: „Ich musste für einen anderen Schauspieler einspringen, der nicht mehr proben konnte. Ich hatte nur eine Nacht Zeit, mich mit der Gestalt vertraut zu machen. Am nächsten Tag mussten wir schon mit den Proben beginnen“, erinnert sich Boris Gaza.

Doch die knappe Zeit erwies sich als sein Vorteil: „Es war eine interessante Filmerfahrung und ich freue mich, dass ich sie machen durfte. Ich sollte damit klar kommen, dass ich ganz schnell in die Rolle schlüpfen muss“, so der Schauspieler. Gefilmt wurde rund eine Woche lang in der Arader Gemeinde Bârzava (am Maroschufer und im Wald) und in der Temescher Kleinstadt Busiasch (hier wurden vor allem die Nachtszenen gedreht) sowie in einem Temeswarer Krankenhaus.

Sieben volle Tage, mit wenig Schlaf und viel Erschöpfung, so die Bilanz. Denn, um besser in die Rolle des Soldaten schlüpfen zu können und den physischen Zerfall der Gestalt deutlicher zu machen, hat sich Boris einiges ausgedacht: „Ich habe den ganzen Tag fast nichts gegessen. Ich war danach völlig ausgelaugt und entkräftet“, sagt der Schauspieler, der auch nachts in seiner Uniform schlief, um den Zustand seiner Gestalt besser wahrzunehmen und damit eine bestimmte Kontinuität der Gestalt zu schaffen. „Man schlüpft dann auch schwieriger raus aus der Rolle und es war gut so, auch wenn ich dann drei Wochen gebraucht habe, um mich zu erholen“, setzt er fort. „Die Kollegen haben mich in den Pausen immer wieder gefragt, ob mit mir alles in Ordnung wäre, weil ich schlecht aussah und kaum noch sprechen konnte“, erinnert sich Boris Gaza, der  während der Berlinale 2012, Anfang Februar, für mehrere Tage in Berlin sein wird, um weitere Kontakte in der Filmbranche zu knüpfen. Seine Filmkarriere geht auf mehrere Jahre zurück: Er hat unter anderem in den Filmen „Der geköpfte Hahn“ unter der Regie von Radu Gabrea, „La Donna e mobile“ sowie „Gruber´s Journey“ mitgewirkt.

Boris Gaza spielt seit 1997 am Deutschen Staatstheater Temeswar, seit 2007 ist er Leiter des künstlerischen Personals. Er hat an zahlreichen Film- und Theaterfestivals im In- und Ausland teilgenommen und die deutsche Schauspielabteilung der Musikfakultät an der Temeswarer Westuniversität abgeschlossen. Für zwei Semester hat er an der Hoschschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin studiert. Mehr Infos über den Film und über das Schauspielatelier unter www.mareleecran.net.