„Hofmannsthal lesen“

Jubiläumstagung der Hugo-von-Hofmannsthal-Gesellschaft in Frankfurt am Main und andere Highlights im Hofmannsthal-Jahr 2024

Am 1. Februar 2024 feierte das Freie Deutsche Hochstift (FDH) in Frankfurt am Main den 150. Geburtstag des österreichischen Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal (1874-1929). Die zahlreichen Fachleute, Editoren und Redakteure, die hier an der 2022 abgeschlossenen 40-bändigen kritischen Ausgabe arbeiteten, die Tatsache, dass in Frankfurt am Main ein Großteil des Hofmannsthal-Nachlasses verwahrt wird, waren ausschlaggebende Gründe dafür. Am Geburtstag des Dichters fand ein Fest anlässlich des Erscheinens der ersten großen Hofmannsthal-Biografie „Grenzenlose Verwandlung“ statt, herausgegeben von den Basler Professoren Elsbeth Dangel-Pelloquin und Alexander Honold in Kooperation mit dem S. Fischer Verlag, der S. Fischer Stiftung und der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft.

Am 3. Oktober wurde die große Ausstellung „Hofmannsthal. Szenen“ (bis 12. Januar 2025) im Deutschen Romantik-Museum eröffnet, nachdem das Theatermuseum Wien in Zusammenarbeit mit dem FDH vom 31. Januar bis 19. August 2024 die Ausstellung „Staging Hofmannsthal“ gezeigt hatte. Die Funktion und Gestaltung von Räumen haben einen besonderen Stellenwert im Schaffen des österreichischen Dramatikers und zeugen von der Tiefgründigkeit seiner Denkweise. Räume sind für ihn nicht nur physische Umgebungen, sondern versinnbildlichen emotionale Zustände. Der Bühnenraum ist nicht nur eine dekorative Kulisse, sondern ein lebendiger Raum voller Symbole. Zur Realisierung seiner Vorstellung von der „Bühne als Traumbild“ arbeitete Hofmannsthal mit Regisseuren wie Max Reinhardt, mit Bühnenbildern wie Alfred Roller oder Oskar Strnad zusammen, setzte sich mit den nonverbalen Künsten und sogar mit dem Film auseinander. Die Zusammenarbeit mit Richard Strauss führte zur Entstehung einiger bedeutender Meisterwerke des Musiktheaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Theatermuseum Wien zeigte den privaten Raum des Dichters in der Stallburggasse 2, der durch seine Ausstattung zur repräsentativen städtischen Bühne wird. Bilder und Skizzen weisen auf die Arbeit für den szenischen Raum der „Elektra“ sowie am „Rosenkavalier“ als szenischen und filmischen Raum hin. Besonders spannend ist der Epilog der Ausstellung, in dem der Übergang vom fiktionalen inszenierten Raum in den realen städtischen Raum geschieht. Verschiedene Hofmannsthal-Orte beziehen sich nicht nur auf Lebensrealität, sondern stellen auch Werkbezüge her und suggerieren den Besuchern, auf Spurensuche zu gehen. Kuratiert wurde die Ausstellung „Staging Hofmannsthal“ von Dr. Christiane Mühlegger-Henhapel (Wien) und Dr. Katja Kaluga (Frankfurt am Main).

Die von Dr. Konrad Heumann und Dr. Katja Kaluga (beide FDH) kuratierte Ausstellung „Hofmannsthal. Szenen. Die Kunst, Erlebnisse zu erfinden“ erzählt Geschichten aus Leben und Werk des österreichischen Schriftstellers und zeigt Archivalien, die Konstellationen der Epoche und zugleich die Aktualität der Probleme des alten Europa veranschaulichen. Zu besichtigen sind Theaterszenen, biografische Szenen, Konfliktszenen aus dem Nachlass.

Mitglieder der Hofmannsthal-Gesellschaft sowie Literaturliebhaber hatten die Gelegenheit, vom 3. bis 5.10. 2024 an der 21. Internationalen Tagung der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft teilzunehmen, die als Jubiläumstagung konzipiert wurde und im FDH, wo auch die Geschäftsstellt der Gesellschaft ihren Sitz hat, stattfand.

Die Vorträge hochkarätiger Fachleute wie Mathias Mayer (Augsburg), Sabine Schneider (Zürich), Juliane Vogel (Konstanz), Sigrid Nieberle (Dortmund), Boris Roman Gibhardt (Bamberg/Berlin), Marco Rispoli (Padua), Michael Woll (Osnabrück), Inka Mülder-Bach (München) zeugten davon, dass der österreichische Autor der Moderne bei weitem nicht in Vergessenheit geraten ist, sondern immer noch den Gegenstand vieler germanistischer Aufsätze, Forschungsarbeiten und Dissertationen ausmacht.

Timo Günther, Ute Nicolaus und Gabriela Wacker führten eine anregende Podiumsdiskussion unter dem Titel „Notorisch ungelesen? Hofmannsthal in Schule und Bildung“. Gründlich dokumentierte Überlegungen zur heutigen kulturellen Präsenz Hofmannsthals stellten Daniela Strigl, Steffen Popp, Simon Strauß und Alexander Honold an.

In den Arbeitsgruppen, die zur Tradition der Hofmannsthal-Tagungen gehören und den Austausch der Teilnehmenden untereinander ermöglichen, wurden Einzelaspekte der Werke Hofmannsthals analysiert. Unter der Anleitung von Alexander Honold (Basel) und Norbert Christian Wolf (Wien) wurden einige repräsentative Gedichte besprochen. In der Arbeitsgruppe von Tillmann Heise (Paderborn) wurde über den politischen Hofmannsthal diskutiert. Timo Günther und Ute Nicolaus gingen in ihrer Arbeitsgruppe auf einige Werke Hofmannsthals aus didaktischer Perspektive ein.

Die Veranstaltungen zu Ehren des Jubilars wurden fortgesetzt mit der Buchpremiere am 30. Oktober, als im FDH der Briefwechsel zwischen Gerty und Hugo von Hofmannsthal aus der Zeitspanne 1896-1929 mit Lesung und Einführung vorgestellt wurde. Die fast 1000 überlieferten, bis dato unbekannten Briefe zwischen Hofmannsthal und seiner Frau, wurden von Nicoleta Giacon unter dem Titel „Bin ich eigentlich jemand, den man heiraten kann?“ im S. Fischer Verlag herausgegeben und stellen sowohl ein biografisches Zeugnis als auch ein originelles Zeitdokument dar. Das Nachwort zeichnet Ursula Renner-Henke.

Die diesjährige Tagung der Hofmannsthal-Gesellschaft erwies sich als eine facettenreiche Antwort auf die oft gestellte Frage nach der Gegenwärtigkeit des österreichischen Schriftstellers in Bildung, Öffentlichkeit und Kulturbetrieb, nach seiner Beliebtheit und Vermittelbarkeit in der heutigen Zeit.