Im Einsatz für den Gebrauch der deutschen Muttersprache

Adam Müller-Guttenbrunn in „Contemporanul“ den Rumänen vorgestellt

Adam Müller-Guttenbrunn Fotos: Wikimedia Commons


Den Gegnern des Schriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn (Anm. Red.: siehe Kasten) ist in Erinnerung zu rufen, dass dem Kampf und  Wirken desselben und weiterer bedeutender Persönlichkeiten jener Zeit wie Edmund Steinacker, Jakob Bleyer u.a., die sich bei den Schwaben – und nicht nur bei diesen – für den Gebrauch der deutschen Muttersprache vehement eingesetzt hatten, die gebührenden Verdienste zur angerechnet werden müssen, denn ohne ihren Einsatz und ihr Wirken wäre unsere deutsche Muttersprache im Nebel der Geschichte der Assimilation zum Opfer gefallen…

Es bleibt dahingestellt, ob nach einer Assimilation der einfache Bürger seiner deutschen Muttersprache noch  mächtig gewesen wäre bzw. ob aus den Reihen der Schwaben überhaupt schriftstellerische Persönlichkeiten  und Nobelpreisträger hervorgegangen wären.

Vom Telegrafisten zum Dichter und Theaterdirektor  
                                                    
Am 22. Oktober 1852 ist Adam Müller-Guttenbrunn in Guttenbrunn/Zăbarani bei Arad als uneheliches Kind geboren worden. Der Vater aus gutsituierter Familie kümmerte sich nicht um das Kind, das die Dorfschule besucht und anschließend in Temeswar und Hermannstadt seinen schulischen Werdegang fortsetzt, um schließlich in Wien eine  Handelsschule abzuschließen und als Telegrafist in den Postdienst einzutreten, in Linz und Bad Ischl. Er schreibt Gedichte und Theaterstücke („Gräfin Judith“, 1877, „Im Banne der Pflicht“, 1880, das Drama „Des Hauses Fourchambault Ende“, 1881. Das brachte die Wende in seinem Leben, denn der Hofburgtheaterdirektor Heinrich Laube wurde auf ihn aufmerksam und ermutigte ihn zum Weiterschreiben und zum Übersiedeln nach Wien, wo er als Journalist und erfolgreicher Literaturkritiker für verschiedene Publikationen jener Zeit agierte.

1893 wurde er Direktor des soeben gegründeten Raimundtheaters und wollte das Theater im Sinne Schillers , die Bühne als Erziehungsmittel des Volkes gestalten und Stücke einheimischer Autoren präsentieren. Da das Theater auf der Grundlage von Aktien funktionierte, kam es bald zu Meinungsverschiedenheiten mit den Aktionären, sodass Adam Müller-Guttenbrunn seine Theaterdirektorfunktion aufzugeben gezwungen war.

Obwohl er für die Tätigkeit als Direktor im Raimundtheater mehr Tadel als Lob erntete, übernahm er 1898 als Pächter das Kaiser-Jubiläums-Stadttheater (heute Volksoper) und scheiterte 1903 auch hier. So verließ er das Theater, obwohl er in der Zeit eine der bedeutendsten Theaterpersönlichkeiten Wiens gewesen ist.

Über tausend Feuilletons und Romane

Nachdem er 1886  „Deutsche Kulturbilder aus Ungarn“ und 1889 den Novellenband „Gescheiterte Liebe“ veröffentlicht hatte, entstanden  umfangreiche Werke.
Ab 1907 veröffentlichte er über tausend Feuilletons und Romane und besucht im selben Jahre das Banat, dem er durch Jahrzehnte hinweg ferngeblieben war. Hier fand er empörende soziale Zustände vor.

Zurück in Wien, publizierte er 1910 den Roman „Götzendämmerung“, in dem er sich mit den im damaligen Ungarn (zu dem das Banat ja gehörte) vorgefundenen Gegebenheiten auseinandersetzte und  viel Aufsehen erregt hatte.

Zwischen 1910 und 1921 veröffentlichte er eine Reihe von Prosawerken mit historischem Hintergrund: „Der kleine Schwab“ (1910), „Die Glocken der Heimat“; für diesen Roman erhielt er in Wien den Bauernfeld-Preis; „Von Eugenius bis Josephus. Ein deutsches Jahrhundert in Österreich“, „Der Große Schwabenzug“ (1913), „Barmherziger Kaiser“ (1916), „Joseph der Deutsche“(1917), eine Lenau-Trilogie (1919-21: „Sein Vaterhaus“; „Dämonische Jahre“; „Auf der Höhe“) über den im Banat geborenen Dichter.

1921 wurde an seinem Geburtshaus eine Gedenktafel enthüllt und am 22. Mai 1921 notierte der Dichter: „Der rumänische Pfarrer von Chesin] ehrte mich vor meinem Geburtshaus; das war der Höhepunkt dieser Feierlichkeit. Gleichzeitig bedeutete das auch die Hochachtung vor dem rumänischen Volk und seinem noblen Wesen.

Der Dichter kannte die Rumänen wie ihre Sprache seit seiner Kindheit; er war mit ihren Bräuchen, Lebensgewohnheiten, Trachten der Rumänen vertraut, was er in einer 1890 in „Prohaszkas illustrierten Monatsheften“ in einer kleinen völkerkundlichen Arbeit wohl mit einigen Irrtümern und Fehlern unter Beweis zu stellen vermochte.

Freundschaft zwischen Schwaben und Rumänen

Die Rumänen dankten es dem Verfasser der Götzendämmerung: In nicht geringerem Maße fand durch dieses Werk auch die Freundschaft zwischen Banater Schwaben und Rumänen Eingang in die Geschichte.

Am 17. Dezember 1907 besuchte der Vorkämpfer der rumänischen Nation, Alexander Vajda, den Dichter und äußerte sich in begeisterten Worten über den Roman „Götzendämmerung“ (siehe Adam Müller-Guttenbrunn: „Der Roman meines Lebens“. Aus dem Nachlaß zusammengestellt und herausgegeben von seinem Sohn Roderich Müller- Guttenbrunn. L. Staackmann, Leizpig 1927, S.271)

Der zweimalige Theaterdirektor Adam Müller-Guttenbrunn bemühte sich um die Verpflichtung der rumänischen Burgtheater-Tragödin Agatha Bârsescu (1857-1939), die bei der Eröffnungsvorstellung des Wiener Raimund-Theaters am 28. November 1893 mit Ferdinand Raimunds „Die gefesselte Phantasie“ den „Prolog“ sprach.

In ihren Memoiren („Memorii“) schreibt die auch in den USA und Frankreich gefeierte Diva u. a. „Es ist bekannt, dass Adam Müller-Guttenbrunn sich um die Verpflichtung für das Raimund-Theater um Spitzenkräfte bemüht hatte (...) nachdem es mich nach siebenjähriger Tätigkeit am Burgtheater für zwei Jahre nach Hamburg gezogen hatte, kehrte ich nach Wien zurück. Wien hat eine Sogwirkung auf mich, und dort wurde ein neues Theater, das Raimund-Theater gebaut, dessen Direktor der Schriftsteller und Dramatiker Adam Müller-Guttenbrunn war. Er kannte mich gut und schätzte meine Leistungen, bat mich zu kommen und versprach mir ein ausgezeichnetes Engagement. Und er hat tatsächlich sein Versprechen gehalten (!), wurde mir ein guter Freund und Berater. Ich bin es versucht, zu sagen, dass nach Dr. Willbrandt Direktor Adam Müller-Guttenbrunn der einzige war, dem ich meine ganze Ehrerbietung und Freundschaft entgegengebracht, obwohl ich ihm auch viel Kummer und Bitternis verursacht hatte.“ Letzteres bezieht sich auf den einige Stunden vor der Premiere am 5. Juni 1893 mit Schillers „Kabale und Liebe“ – sie sollte die Lady Milford geben – wohl aus familiären Gründen vereitelten Selbstmordversuch der Tragödin, die in Klosterneuburg bei Wien in die Donau ging. Während ihres achttägigen Aufenthalts in einem Sanatorium besuchte Adam Müller-Guttenbrunn sie fast täglich, sprach ihr Mut zu und „kümmerte sich liebevoll um mich und meine fortschreitende Genesung“.

Ferdinand I., Rumäniens König, zeichnete den Dichter 1922 noch kurz vor seinem Tod mit dem rumänischen Verdienstorden „Pour le Mérite !“ aus.
Auch die Banater Metropole Temeswar ehrte den Dichter: unter Oberbürgermeister Dr. Cornel Grofșoreanu beschloss der Stadtrat im August 1921 die „Bega-Zeile“ in der Josefstadt in Str. Müller-Guttenbrunn umzubenennen.

Der rumänische Dichter und Philosoph Lucian Blaga schrieb in einem Gedenkartikel 1923 u. a.: „Die Schwaben gaben der deutschen Literatur zwei große Schriftsteller, die auch für uns Rumänen eine besondere Bedeutung haben. Der erste war Lenau, der Dichter der Melancholien und der Elegien, mit dessen Seele sich Eminescu so verwandt fühlte im Lobgesang der Liebe, der Natur und der elegisch getönten Erinnerungen. Durch Eminescu lieben wir Lenau, vielleicht noch mehr als jedwelchen anderen deutschen Lyriker. Der zweite Schwabenschriftsteller, der für uns Bedeutung hat, war Adam Müller-Guttenbrunn, der im Banat unser Leben und Schaffen unmittelbar kennenlernte und uns in seinen Schriften stets in einem sympathischen Lichte erscheinen ließ, indem er unsere Liebe zur Scholle und zum Himmel, unsere Verbundenheit mit den althergebrachten Sitten, die Unnachgiebigkeit unseres Gemüts, das sich nicht selten in den politischen Kämpfen der Banater entlud, schilderte. „Glocken der Heimat“ ist der charakteristische Titel für sein gesamtes Werk, der Titel eines seiner am meisten gelesenen Schriften. Patriarchalische Bilder, geladen mit Erinnerungen und Glockengeläute, ziehen vor dem Leser vorbei – und in diesem fernen Glockengeläute ertönen auch rumänische Glocken, unter den Äckern und Feldern, auf denen Rinder arbeiten und weiden, sind auch rumänische Äcker und Felder. Adam Müller-Guttenbrunn ist einer der wenigen fremden Schriftsteller, der gut über uns spricht... Wir trösten uns damit (Blaga spricht im vorherigen Fragment über abfällige Bemerkungen über Rumänien in einem Strindberg-Stück), dass ein Schriftsteller (gemeint ist AMG), der unter uns gelebt hat und uns nicht nur vom Hörensagen her kannte, für das wahrhaftige rumänische Volk ein schönes Wort gefunden hat.“(siehe Lucian Blagas Würdigung, erschienen in seiner Publikation „Patria“, Cluj, 1923; zitiert nach/aus:  „Adam Müller-Guttenbrunn. Sein Leben und Werk im Bild“, dargestellt von Nikolaus Berwanger, Bukarest 1976, S.37 ff.)

Ehrendoktor und Ehrenbürger Wiens

Nachdem die Stadt Wien dem Dichter bereits zum 60. Geburtstag (1912) für die historische Sammlung der Stadt durch den akademischen Maler Swoboda porträtieren ließ – das Bild (Inventar-Nr. 38 222) befindet sich im Depot des „Historischen Museums“ – , wurde dem Schrifsteller am 6. 11. 1922 „in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um das deutsche Schrifttum“ (Neues Wiener Tagblatt vom 8.11.1922) das Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät der Universität Wien verliehen: „Den Professoren der philosophischen Fakultät der Wiener Universität gereicht es zu herzlicher Freude, Adam Müller-Guttenbrunn  zu seinem siebzigsten Geburtstag mit ihren Glückwünschen zugleich das höchste Geschenk darzubringen...: die Würde eines Doktors honoris causa. Eine an sich seltene Würde...“ der Alma Mater Rudolphina. (siehe Walter Brecht: „Er hat einen Volksstamm gerettet“. In: „Adam Müller-Guttenbrunn. Ein Lebensbild“, Herausgeber: Nikolaus Britz, München 1966. S.99 ff.) Der Wiener Gemeinderat beschloss, Adam Müller-Guttenbrunn „in Würdigung seiner Verdienste um das Wiener Kunstleben“ zum Ehrenbürger der Stadt Wien zu ernennen. Ebenso wurde er Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Guttenbrunn (rum. Z²mbrani) und von Weidling (Klosterneuburg), wo er durch Jahre mit seiner Familie in der „Marienburg“ sommerte und viele seiner großen Romane verfasst hatte.Am 5.1. 1923 verschied der Dichter wurde am 8.1. in einem Ehrengrab der Stadt Wien am Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 0, Reihe 1, Nr. 98 beigesetzt.Adam Müller-Guttenbrunn glückte es vorzüglich, die brennenden ethnischen Fragen und Probleme der Deutschen im damaligen Ungarn der  Öffentlichkeit zum Bewusstsein zu bringen, dass im Südosten unschätzbare geistig-kulturelle Werte geschaffen wurden und es ein Vielfaches an latentem Potential noch zu fördern gelte.
Dass den Nöten und Problemen der Deutschen im Südosten zu einer zufriedenstellenden d.h. existenzsichernden Entwicklung verholfen werden muss, ist Adam Müller-Guttenbrunns größtes Anliegen gewesen – ein auch heute, natürlich unter anderen Vorzeichen bestehendes Dauerthema. Und dies ist ihm nicht nur mittels seiner publizistischen und schriftstellerischen Tätigkeit gelungen.


Hinweis zur Personalie

Die Personalie Adam Müller-Guttenbrunn ist wegen antisemitischer  politischer Tätigkeit und Propaganda nicht unumstritten. 1897 war er laut Wikipedia Präsident der antisemitischen „Deutsch-österreichischen Schriftstellergenossenschaft“ und veröffentlichte unter dem Pseudonym Franz Josef Gerhold 1903 den Roman „Gärungen – Klärungen“, in dem der „jüdische Geist“ für den Protagonisten des Buches als der schlimmste Feind des deutschen Volkes dargestellt wird. Der Wiener Schriftsteller und Universitätsbibliothekar Karl Wache „lobte“ das Buch 1930 als „eine der stärksten antisemitischen Streitschriften, die je geschrieben wurden“.


Hans Dama – seit vielen Jahren Österreich-Korrespondent der bekannten, in Bukarest erscheinenden und   1881 in Jassy gegründeten rumänischen Kulturzeitschrift „Contemporanul“( Der Zeitgenosse) – veröffentlichte in Nr. 11-2024, auf S. 28 unter dem Titel: „Adam Müller- Guttenbrunn – un mare prieten al românilor (Adam Müller- Guttenbrunn – ein großer Freund der Rumänen) eine Würdigung von Leben und Wirken des Schriftstellers, der von bekannten rumänischen Persönlichkeiten wie König Ferdinand I. von Rumänien, Lucian Blaga, Aghata Bârsescu, oder dem Temeswarer Bürgermeister Dr. Cornel Grofșoreanu geschätzt, geehrt und gewürdigt worden war. Nun soll durch diese Veröffentlichung dem breiten rumänischen Leserpublikum Adam Müller- Guttenbrunns Bedeutung vermittelt werden.          
                                                                                         
Harald Diehl