Die Bukarester Philharmonie ist eine der symbolträchtigsten Kultureinrichtungen Rumäniens. Unter der Kuppel des Athenäums sind einige der bedeutendsten Künstler Rumäniens und der Welt aufgetreten. So waren hier von George Enescu und Dinu Lipatti bis Sergiu Celibidache, George Georgescu, Ionel Perlea, Constantin Silvestri, Cristian Mandeal, Radu Lupu, Valentin Gheorghiu, Dan Grigore, Ion Voicu zu erleben. Darüber hinaus sind auch zahlreiche internationale Größen aufgetreten, wie beispielsweise Maurice Ravel, Richard Strauss, Igor Stravinsky, Béla Bartók, Herbert von Karajan, Yehudi Menuhin, Arthur Rubinstein, Pablo Casals, Clara Haskil, Claudio Arrau, Henryk Szeryng, David Oistrach und viele mehr.
Das Athenäum war und bleibt die erste Adresse für klassische Musik Rumäniens, seine ehrwürdigen Mauern speichern das Echo der Musik, die in dieser Zeit hier erklang, sowie das Gedächtnis einer Zeit und eines Erbes, das ins Hier und Heute getragen wird. Wie vor 150 Jahren, als das erste Konzert der Rumänischen Philharmonischen Gesellschaft mit Werken von Beethoven, Mendelssohn, Haydn und Mozart unter der Leitung von Eduard Wachmann organisiert wurde, fand das Jubiläumskonzert an einem 15. Dezember statt. Die Leitung hatte Horia Andreescu, Chefdirigent der Bukarester Philharmonie und eine der großen Musikerpersönlichkeiten Rumäniens der letzten Jahrzehnte. Seine hoch geschätzten Dirigate begleiteten Hörer im Athenäum, im Konzertsaal des Rumänischen Rundfunks, in den Konzertsälen des Landes sowie auf vielen bedeutenden Konzertpodien Europas und darüber hinaus, wo er in all den Jahren zahlreiche Erfolge gefeiert und mit hochkarätigen Solisten und Orchestern zusammengearbeitet hat. Viele seiner Dirigate setzten Maßstäbe und nehmen im Gedächtnis des Publikums einen besonderen Platz ein. Auch seine Gesamtaufnahme des sinfonischen Oeuvres George Enescus gilt als Referenz und ist für die Bekanntmachung des Werks des rumänischen Komponisten von großer Bedeutung.
Eröffnet wurde der Abend mit der Uraufführung der sinfonischen Dichtung „Destinal“, eines Auftragswerks des wohl bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten Rumäniens, Dan Dediu, für das Jubiläum der Philharmonie. Wie üblich bei Dediu kam dabei ein großer Orchesterapparat zum Einsatz, in einem eklektischen, von zahlreichen Kontrasten und Brüchen gekennzeichneten Werk, das wie ein Echo der anderthalb Jahrhunderte alten Geschichte der Philharmonie anmutete: Anklänge an die Sinfonik George Enescus, Walzer-Einflechtungen oder Einschübe aus der Welt der Populärmusik kennzeichnen dieses Werk. Ein okzidental-orientalisches Potpourri, das sich ähnlich einem Diaporama vor den Augen des Publikums entfaltet.
Als Khatia Buniatishvili das Konzertpodium betritt, herrscht mit einem Mal eine ganz besondere Erwartung im altehrwürdigen Athenäum. Ihr umjubelter Auftritt im George-Enescu-Festival 2017 hat deutlich dazu beigetragen. Ihre besondere Aura strahlt in den Raum, sobald sie ihn betritt, mit ihrem einnehmenden Lächeln und ihrer besonderen Herzlichkeit.
Bereits die berühmten ersten acht Akkorde des solistisch auftretenden Klaviers in Sergej Rachmaninows 2. Klavierkonzert erzeugen eine besondere Spannung und Neugier in Erwartung des ersten Themas. Dieses ist zwar elegisch in der Haltung, doch bei Buniatishvili nicht, wie oft gehört, schwermütig, sondern bewegt, geradezu ruhelos. Es ist das Markenzeichen Khatia Buniatishvilis: Sie schafft eine sagenhafte Spannung durch die Stringenz der Interpretation, den Wechsel zutiefst lyrischer, geradezu ätherischer Momente und fulminanten, dabei federleichten Crescendi, die der Darbietung eine großartige Vitalität und Prägnanz verleihen. Dabei ist der Hörer im Bann des ganz eigenen von der Pianistin erschaffenen Klanguniversums – magisch beseelt. Gleichzeitig ist die Interpretation zutiefst menschlich, organisch im Aufbau und nachvollziehbar in seiner – bei aller Spontanität – klaren Struktur.
Der zweite Satz, Moderato, ist traumhaft sensibel, geradezu zerbrechlich, verinnerlicht, wobei die dramatischen Linien klar zum Ausdruck kommen und die Kulminationspunkte mit großer Natürlichkeit unterstrichen werden. Im 3. Satz, Allegro scherzando, zurück in der c-Moll Tonart, kommt die ganze technische Brillanz des atemberaubend angesetzten Tempos voll zur Geltung, wobei dies nicht Selbstzweck ist, sondern sich dem musikalischen Gesamtkonzept unterordnet. Das Finale wird zu einer logischen Auflösung des Ganzen und reißt das Publikum förmlich von den Stühlen.
Als Zugabe spielte Khatia Buniatishvili „Claire de lune“ von Claude Debussy. Gleichsam aus der Stille, aus dem Nichts, entwickelt sich auf natürliche Weise eine Musik, die den Raum hell erleuchtet. Eine Poesie des Klangs, beseelt wie man sie selten erlebt, letztendlich wieder in die Stille mündend, aus der sie entstanden ist. Pure Magie.
Khatia Buniatishvili ist zweifelsohne eine der größten Pianistinnen unserer Zeit: Ihre einzigartige Sensibilität, die technische Perfektion, jedoch auch die Individualität der Interpretation, die fehlende Scheu zu überraschen, sind Ausdruck der Authentizität sowie einer starken Persönlichkeit. Für den glücklichen Hörer, der die Chance hat, dies mitzuerleben, eine bleibende Erinnerung.
Im zweiten Teil des Konzerts ging es in c-Moll weiter, mit Beethovens wunderbarer 5. Sinfonie. Zurecht steht dieses Werk in der Publikumsgunst an vorderster Stelle: perfekt in der Konstruktion, stringent im Aufbau ist es ein wahrlich vollendetes Meisterwerk.
Horia Andreescu dirigierte die Fünfte ihrem Geist gerecht werdend: pathosbefreit, transparent, dynamisch, hell. Er baute Spannung auf, wusste stets die genaue Balance der Stimmen zu finden und schuf damit ein musikalisches Ganzes von großer Stringenz. Mit sicherer Hand und präziser Geste führte der Maestro die Bukarester Philharmoniker in diesem Jubiläumskonzert, das durch die Wirkung der Protagonisten zu einer Erfahrung wird, an die man gerne zurückdenkt.