Im Mitte des 18. Jahrhunderts (erst für die Kameraladministration) erbauten Bischofspalast (Bischof Roos: „eines der wenigen intakten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert in Temeswar“) wurde vergangene Woche die Ausstellung zum 300. Jubiläum der Eroberung Temeswars durch Prinz Eugen von Savoyen nach 164-jähriger Türkenherrschaft eröffnet.
Das Gebäude verfügt über wenige Räume, die für eine Großveranstaltung geeignet wären, sodass die Ausstellungsvernissage, etwas improvisiert, auf dem Flur im ersten Stock stattfand. Zu den ranghöchsten Gästen der Bischofsresidenz gehörten der serbisch-orthodoxe Bischof Lukijan Pantelic von Buda und Eparchieverwalter des serbisch-orthodoxen Bistums Temeswar und Temeswars Bürgermeister Nicolae Robu. Erfreulich war, dass viele Partner, die zur Großausstellung von Temeswar konkrete Beiträge geleistet haben, anwesend waren. Eine ganze Reihe von Archiv-. Bibliotheks- und Museumsdirektoren aus dem serbischen Banat (Kikinda, Werschetz, Pantschowa usw.), aus Novi Sad/Neusatz (neben Temeswar Europäische Kulturhauptstadt 2021), aus den ungarischen Städten Makó und Szegedin kamen dazu. Weniger erfreulich: Zur Vernissage geladene Gäste aus Temeswar haben weder abgesagt noch waren sie präsent. Hingegen waren Vertreter fast aller Konfessionen auf unterschiedlichster Würdenebene da.
Die Ausstellung ist leicht „religionslastig“. Schließlich war der tiefste Entwicklungsbruch der Region, den die Eroberung Temeswars auslöste, erstmal ein religiöser. Und über diesen Entwicklungsumbruch wurde der Weg Temeswars Richtung Abendland wiederaufgenommen, der einen Höhepunkt mit der Europäischen Kulturhauptstadt 2021 erreichen könnte.
Die Quellen zur Entscheidungsschlacht für Temeswar besagen, dass die türkischen Muslime am 12. Oktober 1716 um 11.30 Uhr die Weiße Fahne hissten (2016, genau zur selben Uhrzeit, 11.30, erklangen alle Glocken des Hohen Doms zu Temeswar). Berichtet wird in den Urkunden vom mitfühlend geprägten freien Geleit der überlebenden Festungsbesatzung und ihrer Angehörigen, denen alle Ehre erwiesen wurde. Andrer-seits: 1552 haben die Osmanen die ungarische Garnison der Stadt nach deren Kapitulation, beim Räumen der Festung (unter Hauptmann Losonczi István), wortbrüchig niedergemetzelt. Diese Episode steht im Gegensatz zur Kapitulation der Osmanen 1716, die frei, mit Pauken und Musik, aber auch mit wehenden Fahnen, wie Sieger, ziehen durften. Nur: Wer bleiben wollte, musste Christ werden.
Interessant ist die Behandlung der in Temeswar, bei den Türken, untergeschlüpften Kurutzen (Eugen von Savoyen nennt die Leute des Fürsten Rákóczi, der fünf Jahre vorher durch den Frieden von Sathmar kapituliert hatte, „die Canaille“): Sie durften gehen (Punkt 8 der Kapitulation - „Die Canaille kann hingehen, wo sie will“). In Punkt 7 sind die Temeswarer, bzw. Banater Minderheiten erwähnt. Nämlich „die Raitzen, Griechen, Juden, Armenier, Zigeuner und was sonsten Nationes sind, so in Temeswar wohnen, u. sesshaft, u. ihr Handwerk getrieben, sollen gleichfalls unauffgehalten werden, wenn sie freiwillig mitabziehen wollen“. Sie durften bleiben.
Hervorzuheben ist, dass der in der Stadt lebende orthodoxe Bischof samt dem orthodoxen Stadtrichter (unter den Osmanen hatten die Christen einen eigenen „Bürgermeister“) während der Belagerung zu den Kaiserlichen wechselten und wichtige Informationen lieferten über die unter Kanonade zu stellenden schwächsten Stellen der Festung. Das geht aus einem Brief des Grafen Engelshofen hervor, der es zugunsten der Orthodoxen bezeugt.
Wie immer: Die „wahre“ Wahrheit und die historiografisch akzeptierte Meinung stimmen eher mit der Einstellung der jeweiligen Darsteller des Ereignisses überein, denn mit der Realität. Bischof Roos, der bei der ersten Ausstellungseröffnung in den Räumen der Temeswarer Bastion auch die (geschichtlich-dokumentarisch) verbriefte Episode des Hilfe-Heischens durch den kommandierenden Pascha für seinen verwundeten Sohn zitierte – wonach Eugen von Savoyen seinen Leibarzt in die Festung zur Verarztung des Paschasohns entsandte – , Bischof Roos also wählte die christlich beispielhafte Variante der Kapitulation und ihrer Abwicklung.
Im versöhnlich-ökumenischen Kontext dieser Ausstellungseröffnung war das völlig in Ordnung. Sogar der Berater für kulturelle Angelegenheiten des rumänisch-orthodoxen Metropoliten Selejan des Banats sprach von Ökumene und würdigte den verstorbenen Temeswarer Metropoliten, Dr. Nicolae Corneanu, den aktiven Vorreiter der Ökumene, der sich dafür auch Risiken seitens der Heiligen Synode und des Patriarchats aussetzte.
Unumstößlich ist, dass zum Zustandekommen dieser epochalen Ausstellung alle Banater Religionsgemeinschaften beigetragen haben. Dass die Initiative dazu gerade vom römisch-katholischen Bistum kam, persönlich von Bischof Martin Roos, zeugt von Traditionsbewusstsein: Die 100-Jahr-Feierlichkeiten der Eroberung Temeswars 1816 und die 200-Jahr-Feier 1916 waren jeweils vom römisch-katholischen Bischofsamt Temeswar initiiert worden. Dem der Historiografie verpflichteten römisch-katholischen Bischof von Temeswar (man denke nur an seine umfangreichen Standardwerke zur Geschichte der Diözese und des bedeutendsten Banater Wallfahrtsorts Maria-Radna) war es eine Herzenssache, die er mit Energie, wohl aber auch mit der ihm eigenen feinen Geistigkeit zum Erfolg brachte.
Die Ausstellung an sich ist auch eine Reverenz an das vielsprachige Banat. Erklärungen (etwas wortlastig) sind in fünf Sprachen (Deutsch, Rumänisch, Ungarisch, Serbisch, den Sprachen des Banats, und in der lingua franca Englisch) zu lesen, jeder Konfession/Ethnie wird ein adäquater Platz eingeräumt. Auch den Juden, die in Temeswar von allen Ethnien über die ältesten Zeugnisse ihres Hierseins verfügen (auf dem Friedhof an der Lippaer Straße gibt es Grabsteine aus dem 17. Jahrhundert, die bereits die Existenz eines Rabbiners von Tamisvar bezeugen).
Auch den Türken gegenüber wird fair verfahren. Ihnen ist eine Abteilung der Ausstellung gewidmet, nicht als „Kulturzerstörer“ (so die Gründungsmythen der deutschen Kolonisten), sondern mit Achtung vor ihrer Kultur. Am interessantesten sind die türkischen Grabsteine, die ausgestellt sind, aber auch steinerne Becken zur (rituellen?) Waschung, die später in katholischen Kirchen (Neupetsch) als Taufbecken verwendet wurden.
Fakt bleibt: Wer diese Ausstellung eingehend betrachtet, lernt nicht nur viel über die Geschichte des Banats (auch Religions- und Mentalitätsgeschichte), er erspart sich auch Jahre des Eigenforschens und -suchens. Denn was hier in Partnerschaft für diese Ausstellung zusammengetragen wurde, das kann man so nur hier und jetzt (bis Dezember) sehen: Korrekt, konkret, kompakt, kompetent. Aufschlussreich.
Dafür gebührt allen Mitarbeitern und Partnern der Diözese Hochachtung, in erster Linie dem Nationalmuseum des Banats in Temeswar. Dessen Direktor, Claudiu Ilaş, wurde – neben vielen anderen Projektbeteiligten – im Diözesanmuseum die Gedenkmedaille verliehen, die von der Diözese Temeswar aus diesem Anlass geprägt wurde. Sie zeigt auf der Vorderseite ein Porträt des Prinzen und Feldherrn Eugen von Savoyen, des Eroberers von Temeswar, auf der Rückseite ein Porträt dessen, der die Weichen für die Europäisierung Temeswars und des Banats gestellt hat: des Grafen und Kavalleriegenerals Claudius Florimundus de Mercy, des ersten Gouverneurs des mit dem Schwert eroberten Kronlands Banat.