Scheinbar hat sich nichts geändert und scheinbar doch. Klingt widersprüchlich, ist es auch. Fünf Jahre mussten Fans der post-apokalyptischen Rollenspielserie “Fallout” auf eine Fortsetzung warten. Im Sommer während der Bethesda Pressekonferenz wurde dann der inzwischen vierte Teil angekündigt. In gewohnter Bethesda-Manier soll das Spiel auch in fünf Tagen erscheinen. Der erste Trailer enttäuschte besonders Grafik-Aficianados. Visuell scheint sich nicht viel getan zu haben. Die frei erkundbare Spielwelt schaut dem 2008 erschienen Fallout 3 enttäuschend ähnlich. Erst wenn man die Screenshots und die Videos im Sekundenraffer analysiert, merkt man die feinen Details, die Fallout 4 von seinem Vorgänger in punkto Grafik hervorhebt. Die Handlung des Spiels bleibt ein Rätsel. Spielerisch bleibt das zweite von Bethesda entwickelte Fallout-Spiel der Formel treu, die Fallout 3 einführte: Obwohl es sich bei der Serie um ein Rollenspiel handelt, verhalten sich die Neulinge wie Ego-Shooter. Man schießt sich durch die Welt, während unter der Spielhaube ein ausgefeiltes Rollenspielsystem am Werk ist. Treffsicherheit sowie der Schaden, den man anrichtet, bestimmt den Level sowie die Attribute des Spielers, die er durch Erfahrungspunkte verbessern kann.
Weltenende und Weltenbeginn
Obwohl die Entwickler fast nichts über die neue Handlung verraten haben, so wurden zumindest vorab einige wichtige Schlüsselinformationen enthüllt. Anders als Fallout 3 beginnt Fallout 4 nicht mit der Geburt des Spielers in einem Atombunker, stattdessen beginnt die Handlung kurz vor der atomaren Katastrophe. Er oder sie, je nachdem, welches Geschlecht man für seinen Charakter wählt, lebt ein idyllisches Leben mit Frau/Mann und Kind in einem ruhigen, typisch amerikanischen Vorstadtbezirk, der ästhetisch an das Amerika der 1950er Jahre angelehnt ist. Spieler entscheiden nicht nur darüber, wie ihre Spielfigur aussehen soll - dafür gibt es ein dynamisches Charakter-Modellierungstool -, er bestimmt auch, durch welche Attribute die Figur hervorstechen soll: Ist es Stärke, Wahrnehmung, Ausdauer, Charisma, Intelligenz, Beweglichkeit oder Glück. Jede dieser Eigenschaften beeinflussen später im Spiel die Fertigkeiten, die die Spielfigur erlernen kann. In Fallout 4 soll es 70 Primärfertigkeiten geben sowie zahlreiche Sekundärfähigkeiten, die sich wie Upgrades zu den 70 verhalten. Insgesamt kann der Spieler aus 275 Fertigkeiten wählen. Wie gut die Figur diese Fertigkeiten anwendet, darüber entscheidet der Level-Grad seiner Attribute. Diese rangieren von eins bis zehn.
Bevor die Atombomben fallen, bringt sich der Held/die Heldin mitsamt Familie in Sicherheit. Sie flüchten in eines der Atombunker, namens Vaults. Was danach passiert, wollten die Entwickler noch nicht verraten. Es vergehen allerdings 200 Jahre, ehe der Spieler den Bunker verlässt. Die Gründe dafür sind ebenfalls unklar.
Erkundet wird nicht mehr die Region um Washington D.C., sondern Boston, Massachusetts. Genau wie in Fallout 3 kann der Spieler einen Begleiter haben, die erste Demo führte einen Hund als Kumpane ein. Neu in Fallout 4: Der Spieler kann mittels Cursor oder Richtkreuz seinem Hund Befehle erteilen. Diese Befehle sind Kontextabhängig. Zeigt der Spieler auf eine Flasche Nuka-Cola wird der Hund sie einsammeln, zeigt er dagegen auf einen Feind, wird sein treuer Vierbeiner den Widersacher angreifen.
Ebenfalls neu sind die aufgezeichneten Dialoge der Spielfigur. Erstmals in einem Bethesda-Rollenspiel spricht auch der Charakter, den man steuert. Dafür wurden insgesamt 111.000 Dialoge aufgenommen. Jede Frage und jede Antwort im Spiel, wird jetzt auch von der Figur aufgesagt.
Eine Welt nach deinen Wünschen
Eine weitere Neuerung ist die anpassbare Spielwelt. Mittels einfacher Konnektoren können Spieler Gegenstände miteinander verbinden und so ganze Hütten bauen, Festungen sogar Neonschilder in der Spielwelt konzipieren. Nicht mehr länger ist die Spielwelt statisch, sondern sie kann dynamisch verändert werden. Ausnahme bilden wichtige Schlüsselorte, die für die Handlung relevant sind.
Auch die Waffen kann der Spieler modifizieren. Die Werkbank aus Fallout 3 kehrt zurück, das heißt man kann aus Gegenständen, die der Spieler aufsammelt verschiedene Waffen erzeugen, man kann aber auch, und das ist ein Novum, so wie in Borderlands, die verschiedene Waffenteile neu zusammenfügen, um so individuelle Waffen zu erstellen, die sich dem Spielverhalten und den Wünschen des Spielers anpassen.
Die beliebten Power Armors - ein Markenzeichen der Fallout-Serie, sind nicht mehr länger nur Rüstung, die im eigenen Invetory verstaut werden, sondern sie sind wie Mechs oder Fahrzeuge, in die der Spieler einsteigen muss, um sie zu bedienen.
Was die Gegner betrifft, so kehren Favoriten aus Fallout 3 zurück: Die Supermutanten machen auch Boston und Umgebung unsicher, auch die mutierten Eidechsenmonster namens Death Claws, in Fallout 3 die wohl gefährlichsten Monster, denen man begegnet, treiben in Fallout 4 ihr Unwesen.
Vertraute trügerische Bilder
Grafisch sieht das Spiel an mancher Stelle veraltet aus. Die Figuren sowie die Spielwelt erinnert stark an Fallout 3. Was die Grafik aufhübscht ist das neue dynamische Lichtsystem. Die Welt aus Fallout 4 besteht aus Arealen, die schichtweise unterteilt sind. Von dort, wo die Bomben eingeschlagen sind und weiter weg. Die Gegend, die am meisten radioaktiv verseucht ist, erinnert mit seiner tristen Koloratur an Fallout 3, während die Gebiete außerhalb des Reichweitenkegels sehr farbenfroh sind. Überhaupt wirkt Fallout 4 lebendiger aufgrund der schönen und reichen Farbpalette. Grafisch erinnert Fallout 4 an eine Cartoon-Version seines Vorgängers. Manche der Bilder zum Spiel erwecken eine falsche Bilderbuchidylle, obwohl es sich um eine post-apokalyptische Welt handelt, in der jeder Mensch ums Überleben kämpft und man niemanden wirklich trauen kann. Eben diese Entscheidung der Entwickler, nicht einen Schritt weiter zu gehen und die technischen Möglichkeiten der neuen Konsolen auszuschöpfen, um eine realistischere Welt zu kreieren, missfällt einigen Fans.
Doch bei Bethesda-Spielen ging es niemals wirklich nur um die Grafik, obwohl diese immer hervorstach. Es geht um die Tools, die die Entwickler zur Verfügung stellen, um dem Spieler Freiheiten einzuräumen, damit er seine eigenen Geschichten erfinden kann. Fans der Rollenspiele von Bethesda sehen in Fallout 4 nicht nur einen Nachfolger zu Fallout 3 sondern auch zu dem Fantasy-Epos The Elder Scrolls: Skyrim.
Dank der neuen Werkzeuge, die den bisher separat erschienen Welteneditor in das Hauptspiel integriert, verspricht Fallout 4 das bisher beste Bethesda-Rollenspiel zu werden.
Ebenfalls neu und sehr wichtig für Langzeitfans: Die Entwicklung von Fallout 4 wurde schon vor der E3 2015 beendet. Die letzten Monate nutzten die Entwickler um Bugs zu beheben. Wer mit den bisherigen Veröffentlichungen vertraut ist, weiß, wie holprig diese sein können, eben weil viele Fehler in den Spielen weiter vorhanden sind.
Fallout 4, Endzeit-Rollenspiel, Entwickler: Bethesda Game Studioa, Publisher: Bethesda Softworks, Veröffentlichung: 10. November 2015, Erhältlich über Steam, Preis: 59,99 Euro.