Die Adventszeit war, wie schon immer, eine Zeit, in der viele Vorbereitungen getroffen wurden. Alles drehte sich um Weihnachten und die Zeit „zwischen den Jahren“. Auf das gesellige Beisammensein mit Verwandten und Bekannten wurde großen Wert gelegt. Die Mütter und Großmütter hatten in dieser Zeit die Hände voll zu tun mit Backen und Kochen, dem Saubermachen und Schmücken des Hauses. Bei den Vätern und Großvätern stand das Schweineschlachten an wichtigster Stelle. Schon Wochen im Voraus wurde mit dem Fleischer über den genauen Schlachttag gesprochen.
Auch die Kinder in Heltau/Cisn²die hatten nach Schulschluss ein volles Programm. Es wurde für das Krippenspiel und das Konzert an Weihnachten geprobt. Für unsere Chorleiterin und Organistin war es sehr wichtig, dass die Kinder alle Lieder auswendig konnten, was eigentlich nicht sehr schwer fiel, da immer und immer wieder geübt wurde. Ihrer Ansicht nach, konnte nur das aufmerksame Schauen auf sie zum Gelingen der Aufführung beitragen. Alle Kinder der ersten bis achten Klasse durften im Kinderchor mitsingen und diejenigen, die mit einer weniger guten Stimme ausgestattet waren, durften ein bisschen leiser mitsingen. Einige der größeren Kinder sangen die zweite Stimme und Kinder, die auf einer Flöte spielten, begleiteten den Chor.
Auch der Jugendchor beteiligte sich am Krippenspiel, er sang vier- und fünfstimmig. Aus dessen Reihen wurde eine Maria und ein Josef ernannt und die Nebenrollen, die in der Weihnachtsgeschichte vorkamen, wurden von kräftigen Stimmen abgedeckt. Bei den Generalproben, die in der Kirche stattfanden, wurde nicht nur gesungen und der Text aufgesagt, jedes Chormitglied bekam seinen Platz zugewiesen und für die kleinen Kinder hieß es dann: „Merkt euch eure Nachbarn“. Die Sängerinnen und Sänger traten als Engel auf, sie hatten ein weißes langes Gewand, das mit Lametta in der Taille geschnürt wurde. Die „Engel“ trugen eine Kerze in der einen Hand und die andere Hand lag auf der Hüfte.
Jedes Jahr war die Kirche bei der Aufführung des Krippenspiels zum Bersten voll. So war es auch am 21. Dezember 1989. Man versammelte sich früh im Proberaum, zog sich an und half den Kleinsten beim Anziehen, übte nochmals die Lieder und als es dann soweit war, stellte man sich in Reih und Glied auf. Vor dem Eingang zur Kirche wurden die Kerzen angezündet und in geordneter Reihe und Abstand haltend ging man zu seinem Platz. Alles verlief wie immer, jeder gab sein Bestes – nur etwas war fremd, das ganz und gar nicht zu dieser weihnachtlichen Stimmung passte. Es war der große Lärm, der von draußen in die Kirche drang und der die Erwachsenen aufhorchen ließ.
Nachdem das letzte Lied ertönte, hielt der Pfarrer eine kurze Ansprache und bat, den Marktplatz auf dem Heimweg zu meiden. Die Kinder sollten in Begleitung von Erwachsenen nach Hause gebracht werden. Das erschien uns sehr besonders. Wir waren gewöhnt, uns immer ohne Begleitung zu bewegen, unabhängig wann und wohin wir gingen. Als wir aber aus dem Burghof auf die Straße traten, sahen wir die große Menschenmenge lauthals demonstrieren. Am nächsten Tag hörte man, dass am Vorabend auch das Rathaus in Brand gesteckt wurde und die herbeieilenden Feuerwehrmänner den Flammen tatenlos zusehen mussten. Ihnen wurden die Wasserschläuche durchschnitten. Am Traurigsten war jedoch der Verlust zweier unschuldiger Menschenleben durch Streifschüsse.
Als Belohnung für die vielen Proben und die gelungene Darbietung fuhr man jedes Jahr mit einem gemieteten Bus in andere sächsische Gemeinden, um dort das Krippenspiel aufzuführen. 1989 jedoch kam es nicht mehr zu dieser Fahrt. Es gab andere Freuden und Sorgen. Kaum einer hätte damals daran gedacht, dass es vorläufig das letzte Krippenspiel traditioneller Art war, das man in Heltau aufführte.