Künstlerfreundschaft und einheitliche Farbvereinbarung

Ausstellung der „Gruppe der Vier“

„Lesendes Mädchen“ (1927) von Francisc Șirato, Öl auf Pappe

„Die Tochter des Försters“ (1924) von Nicolae Tonitza, Öl auf Pappe

„Die Säulen der Kirche“ (1927-1929) von Ștefan Dimitrescu, Öl auf Leinwand

„Bauer aus Siliștea“ (1922) von Oscar Han, Bronze | Fotos: Cristiana Scărlătescu

Zur fast runden Hundertjahrfeier der Gründung des Künstlerkreises „Die Gruppe der Vier“ präsentiert das Museum der Kunstsammlungen in Bukarest bis zum 24. September eine Sonderausstellung mit Werken der Maler Nicolae Tonitza, Ștefan Dimitrescu, Francisc Șirato und des Bildhauers Oscar Han, angefangen mit ihrer ersten Gruppenausstellung im Jahr 1926. Dabei werden Ausschnitte aus jeder Gruppenausstellung des Künstlerkreises rekonstruiert. Die Tätigkeit des Künstlerkreises wird durch etwa einhundert Werke – Gemälde und Skulpturen – wiedergegeben, die aus den Privatsammlungen von Dr. I. N. Dona, K. H. Zambaccian, Dr. E. Anca, Rechtsanwalt H. Aznavorian, Sică Alexandrescu, Dr. Ș. Andronescu Ghica, I. Pas und E. Taru stammen und Teil des Erbes des Nationalen Kunstmuseums Rumäniens (MNAR) sind. Hervorgehoben werden auch jene Meisterwerke, die seinerzeit Diskussionen und Echos ausgelöst haben und inzwischen zu Referenzwerken der modernen rumänischen Kunst geworden sind.

Die Künstler kannten sich schon früher, entweder seit den Studienjahren oder von persönlichen oder Gruppenausstellungen anderer Künstlerkreise wie etwa „Tinerimea Artistică“ (Künstlerjugend) oder „Arta Română“ (Rumänische Kunst). Nicolae Tonitza und Ștefan Dimitrescu besuchten die Nationale Hochschule für Schöne Künste in Jassy/Iași im selben Jahrgang und erhielten ihre Freundschaft auch danach aufrecht. Dimitrescu leistete Tonitzas Familie Hilfe, als dieser im Ersten Weltkrieg in bulgarische Gefangenschaft gelangte, und schlug ihm nach Kriegsende vor, seiner Kunstgesellschaft „Arta Română“ und dann auch der „Gruppe der Vier“ beizutreten. 

Oscar Han lernte Dimitrescu im Krieg kennen, als beide bei der Mobilmachung in dieselbe Abteilung der Armee gerieten. 

Zweck der Gründung des Künstlerkreises 1925 war die Veranstaltung jährlicher Ausstellungen mit Schwerpunkt auf der „einheitlichen Farbvereinbarung“, freier Thematik und unbegrenzter Anzahl von Werken. Ihre Kunst wurde nach eigener Ausstellungsrichtung in einer modernen Präsentation „ohne jegliche Richtlinien, ohne Treffen, bei denen wir unser künstlerisches Verhalten oder die Kriterien für die Veranstaltung von Ausstellungen festlegen”, gezeigt. „Unsere Verständigung erfolgte auf sensibler Ebene, oft bei einem freundlichen Glas Wein”, erzählte Oscar Han in seinem Band „Dălți și pensule“ (Meißel und Pinsel). Dieser war auch für Verwaltungssachen bezüglich der Expositionen verantwortlich und Tonitza für Einladungen und Ausstellungskataloge.

Im Rahmen der insgesamt sieben gemeinsamen Ausstellungen des Kunstkreises haben die „vier Fantastischen der rumänischen Kunst“ knapp 900 Frauen- und Kinderporträts, Landschaften aus der Dobrudscha und der heute in Bulgarien gelegenen Küstenstadt Baltschik/Balcic, Stillleben mit Blumen, Aktmalereien und Kompositionen mit Bauern in malerischem ländlichem Dekor oder mythologischen Gestalten, ausgedrückt als Gemälde, Grafiken und Skulpturen, präsentiert. Diese werden der Strömung des Postimpressionismus zugeordnet.

Mit dem frühzeitigen Tod von Ștefan Dimitrescu im Jahr 1933 löste sich die Gruppe der Vier von selbst auf. Das verbleibende Künstlertrio Șirato-Han-Tonitza stellte noch zwei Jahre in Folge zusammen aus und 1938 organisierten Francisc Șirato und Nicolae Tonitza eine letzte gemeinsame Ausstellung.

Tonitzas unverkennbare Augen

Der Maler Nicolae Tonitza (1886-1940) wurde in Bârlad geboren, hat die Königliche Bayerische Akademie der bildenden Künste in München und die Nationale Hochschule der Schönen Künste in Jassy besucht und an der letzteren anschließend als Dozent gewirkt. Sein beliebtestes Sujet sind Kinderporträts, wofür ihm seine eigenen Kinder als Modelle dienten. 

Die Besonderheiten seines Stils sind die Augen der Gestalten, die er als zwei schwarze Kohlen darstellt, und die dekorativen Hintergründe. 

Im Museum der Kunstsammlungen sind nicht nur Referenzwerke wie etwa „Die Tochter des Försters“, „Mädchen mit Kopftuch“ ausgestellt, sondern auch beeindruckende Stillleben mit Blumen, malerische, exotisch wirkende Alltagsszenen aus den Küstenstädten Mangalia und Baltschik und Beispiele seiner sozial engagierten Kunst, darunter „Die Blinden“ oder ein Studium für „Die Waisenkinder“, in denen bescheidene, benachteiligte Gestalten auftreten.   

Die Triebkraft  des Kreises

Ștefan Dimitrescu (1886-1933) wurde in Huși, Kreis Vaslui, geboren und wies eine Doppelbegabung in den Bereichen Malerei und Musik auf, in denen er sich in Paris und an der Nationalen Hochschule der Schönen Künste und der Musikhochschule in Jassy ausbilden ließ. An der Kunsthochschule hielt er später auch eine Dozentenstelle inne. Dimitrescu gilt als Mitbegründer der Kunstgesellschaften „Arta Română“, der „Gruppe der Vier“ und fungierte als deren Triebkraft. 

Die gegenwärtige Ausstellung umfasst hauptsächlich Porträts seiner Frau, Tochter, von Tonitza, Türkenfiguren und ein Selbstbildnis sowie Landschaften aus der Dobrudscha, Baltschik und Florenz, ein paar sehr gelungene Stillleben und Kompositionen mit Tatarenfrauen und rumänischen Bäuerinnen und Bauern. Sein Werk fesselt mit aufrichtiger Emotion, manchmal mit verhaltener Dramatik, authentischen Szenen und Gestalten, insbesondere aus der Dorflandschaft, die auch Elemente der Kritik an der Gesellschaft ihrer Zeit enthalten. In den Werken dieses Malers gleicht die robuste und nüchterne Gestaltung die Farbe und den grafischen Umriss aus.

Aquarellästhetik mit Ölfarben

Francisc Șirato stammt aus einer im 18. Jahrhundert im Banat angesiedelten französischstämmigen Familie und wurde in Craiova geboren. Er hat die Akademie der Schönen Künste in Bukarest beendet und daran auch unterrichtet sowie zahlreiche Artikel zur Kunstkritik veröffentlicht. 

Auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln, mit dem Ziel, den Inhalt aussagekräftiger zu machen, wird sich der Maler noch stärker mit dem Problem des Bildaufbaus durch Licht beschäftigen. Die Abgrenzung der Formen erfolgt durch Farb- und Lichtkontraste, die sich aus der Gegenüberstellung zweier Farben unterschiedlicher Intensität ergeben. Die Farben scheinen in Grenzzonen der Formen ineinander zu diffundieren und gewähren den Ölbildern eine allgemeine Wasserfarbästhetik, die Șiratos Stil kennzeichnet. In dieser Ausstellung ist [irato durch Küstenlandschaften in Baltschik, Stadtbildern mit Kirchen und Moscheen, Kompositionen mit sitzenden, ruhenden Frauen und einem Selbstbildnis vertreten.

Der einzige Bildhauer 

Der Bildhauer Oscar Han (1891-1976) wurde in Bukarest als Sohn eines Vaters deutscher Herkunft und einer rumänischen Mutter aus Focșani geboren und hat die Hochschule für Schöne Künste in Bukarest besucht. 

Han entwickelte seinen eigenen Stil, der sich in Linien und Formen von großer plastischer und symbolischer Kraft ausdrückt, sowohl in kleinen als auch in monumentalen Skulpturen. Sein Werk umfasst zahlreiche kleinere Statuen, 42 öffentliche Denkmäler zeitgenössischer Persönlichkeiten der rumänischen Politik und Kultur und zwei Grabdenkmäler. In der Ausstellung sind kleinformatige, in Bronze gegossene Skulpturen unter anderem von Kriegsszenen, Bogenschützen, einer Schwert schwingenden Kämpferin, sitzenden oder stehenden Frauen in Kontrapost-Position, welche ein ausgewogenes anatomisches Gegenspiel von Stand und Last vo-raussetzt, von Aktskulpturen oder der völlig entgegengesetzten Komposition mit frommen „Frauen beim Vigil“, einem Urmenschen, eines nachdenklichen Bauern und die marmorne Büste des Nationaldichters Mihai Eminescu.

Die temporäre Ausstellung ist Teil der Bemühung des Museums, bedeutende Künstlergruppen der Kunstgeschichte Rumäniens vorzustellen. Ihre Gestaltung ist Liliana Chiriac, Monica Croitoru-Tonciu und Ilinca Damian zu verdanken. Kunstfreunde werden mittwochs bis sonntags beim Sitz des Museums in der Calea Victoriei Nr. 111, im Erdgeschoss des Gebäudes C, bis zum 24. September erwartet.