Das seit Herbst 2014 in einer kleinen Block-Wohnung in der Calea Dorobanţilor 73 residierende Theaterlaboratorium Bukarest (TLB) hat in seiner erst kurzen Geschichte schon eine beeindruckende Anzahl an deutschsprachigen Theaterstücken auf die Bühne gebracht. „Vicky und die starken Männer“, „Jack und die Bohnenranke“, „Frau Müller muss weg“ und „Max und Moritz“ zählen zu seinen Produktionen. Über 1400 überwiegend jugendliche Zuschauer und Zuschauerinnen sind bisher in den Genuss der modern inszenierten Stücke gekommen.
Seinem Namen macht das Theaterlaboratorium dabei alle Ehre. Theater sei in Rumänien noch immer sehr klassisch und rigide, die Schauspieler hätten oft Hemmungen vor dem Unkonventionellen, so Ramona Olasz, die Initiatorin des TLB. „Wir arbeiten sehr am Abbau der Hemmungen, denn Theater muss eine Revolte sein!“ Wie diese Revolte aussehen kann demonstriert das TLB auch mit seiner neuen Inszenierung in Form und Inhalt beispielhaft.
Am 27. Mai hatte das neueste Stück im Repertoire seine Vorpremiere: „An der Arche um acht“ von Ulrich Hub. Darin geht es um den Weltuntergang, die Frage nach dem Gottesbeweis, die Wahl zwischen Egoismus und riskanter Nächstenliebe. Themen die groß, schwer und altertümlich klingen – und Stoff für Provokationen bergen. Doch dem Team um Olasz gelingt es, diese gewichtigen Probleme mit Leichtigkeit und feinem Humor auf die Bühne zu bringen. Vor allem die vier jungen Schauspieler schaffen es, das Publikum für die tiefsinnige und turbulente Geschichte zu begeistern. Aber auch das minimalistische Bühnenbild und das fast unmerkliche Ineinander von Bühne und Zuschauerraum schaffen eine Stimmung, der man sich schwer entziehen kann. Die fast familiäre Atmosphäre des kleinen Theaters macht möglich, „dass man den Kontakt zum Publikum hat“, so Olasz. Das ist ihr besonders wichtig, „damit nicht diese Distanz ist, sondern sich das Publikum mit den dargestellten Problemen identifiziert.“ – Der kräftige Applaus des Publikums nach der Aufführung macht deutlich, dass dies gelungen ist.
Das Publikum der Vorpremiere bestand überwiegend aus Erwachsenen, jedoch bietet sich dieses Stück sehr gut für Schulklassen an. Vor allem, wenn die in ihm aufgeworfenen Fragen nach Glaube und Freundschaft nachher im Ethik- oder Religionsunterricht diskutiert werden.
Zur Handlung: Drei Pinguine, furios gespielt von George Bîrsan, Ioana Predescu und Vlad Nemeş, diskutieren darüber, ob es Gott gibt – oder nicht. Anlass der hitzigen Diskussion ist der Attentatsversuch eines der Pinguine (Nemeş: „Ich bin ein böser Pinguin“) auf einen Schmetterling: Hat Gott das gesehen? Wird er es bestrafen? Hat Gott auch das Böse geschaffen? Gibt es Gott überhaupt? Die hitzige Diskussion weitet sich zur Schlägerei, an deren Ende der „böse“ Pinguin das Weite sucht.
Lange bleiben die beiden anderen Pinguine aber nicht allein. Eine Botin Noahs, eine weiße Taube (gespielt von Irina Piloş), landet vor ihren Füßen und erklärt, Gott hätte genug von seinen garstigen Kreaturen und habe beschlossen, alle Lebewesen, bis auf zwei jeder Art, mittels einer gigantischen Sintflut auszurotten. Die beiden sollen sich um acht an der Arche einfinden, um gerettet zu werden. Die Bedenken der Pinguine beendet die Taube mit einem schneidigen „Hört auf zu jammern, fangt lieber an zu packen!“
Es entspinnt sich ein moralischer Konflikt: Sollen die beiden allein auf das rettende Schiff gehen oder auch ihren verstoßenen Freund retten? Pinguin-Frau Predescu versucht ihren Kompagnon zu überzeugen, dass sie den Freund mitnehmen müssten – doch dieser fürchtet sich vor den Konsequenzen. In einer rührend-dramatischen Szene legt der Furchtsame seine Angst ab und sie schmuggeln ihren Freund an Bord. Im nach Teer stinkenden Bauch des Riesenschiffes habe sie nun allerlei Raffinessen auszuhecken, um ihr Geheimnis vor der dienstbeflissen Taube zu wahren. Einer der Höhepunkte dabei ist eine Diskussion zwischen der – vermeintlichen – Stimme Gottes und der Taube über die rechte Weise des Glaubens.
Ob das Geheimnis der drei Pinguine enttarnt wird, ob und wie sie das Ende der Sintflut erleben – das soll hier nicht verraten werden. Wer keine der drei Aufführungen des Stückes in der letzten Woche gesehen hat, muss sich leider für die Auflösung noch ein wenig gedulden. Erst mit Beginn der neuen Theatersaison im Oktober ist „An der Arche um acht“ wieder in Bukarest zu sehen. Bis dahin hat das Ensemble noch Zeit, ein wenig zu üben, denn auch wenn das Stück mitreißend gespielt wurde, so war das Ende – sowohl was Textsicherheit der Schauspieler, als auch die Dramaturgie betrifft – etwas holprig. Zweifelsohne wird daran noch gearbeitet werden. Genau so, wie am Projekt TLB generell.
Für das kommende Jahr soll das Programm erweitert werden, unter anderen um das sozialkritische Stück „Die Wanze“ von Paul Shipon. Die Pläne für die fernere Zukunft sind noch ambitionierter: „Mein Traum wäre, so einen Spielplan wie das Berliner Ensemble zu haben: Bernhard, Brecht und die Klassiker“, schwärmt Ramona Olasz. Ein ehrgeiziges Vorhaben, dem jeder Erfolg zu wünschen ist.