Sie galten jahrelang als Nerds und Außenseiter. Um ein Computer Geek zu sein, muss man große Brillen tragen, keinen Modegeschmack haben, Jungfrau sein und entsprechend asozial. Schließlich sah Bill Gates ja auch nicht anders aus. Heute geht ohne diese sogenannten Nerds nichts mehr. Heute können sie sich vor sechstelligen Einnahmen nicht mehr retten.
Die Welt gehört ihnen und das, nachdem sie eigene interaktive Welten schufen. Heute möchte jeder Game Designer werden. Auch die coolen Kids, die zwar nicht viel in der Birne haben, dafür aber in der Schule beliebt sind. Denn inzwischen geht das Gerücht um, dass es jeder könnte, gemäß dem Motto: Wenn der es gebacken kriegt, schaffe ich es doch locker. Doch moderne Videospiele haben einen langen Weg hinter sich.
Die erfolgreichsten Spiele der letzten Jahre wurden von Teams entwickelt, die nicht kleiner sind als 80 bis 100 Mann. Im Durchschnitt kostet ein Spiel zwischen 10 und 20 Millionen Euro. Das letzte GTA-Spiel der Gebrüder Houser kostete stolze 100 Millionen Dollar und Biowares jüngstes Rollenspiel „The Old Republic“ soll sogar satte 200 Millionen Dollar verschlungen haben. Wenn diese Spiele zu Flops werden, geht nicht nur der eigene Job drauf.
Von der Schulbank aus sieht die Sache rosig aus. Doch dahinter versteckt sich inzwischen eine Milliardenindustrie. Der kleinste Fehler kann katastrophale Folgen haben und ein junger, talentierter Programmierer oder Künstler der noch Grün hinter den Ohren ist, wird schwer seinen Traumjob finden. Denn die meisten Studios stellen lieber Leute ein, die bereits Erfahrung haben. Auch das deutsche Unternehmen Crytek, eines der führenden Videospielentwickler Deutschlands, verlangt, dass man mindestens an einem erfolgreichen Spiel mitgewirkt hat. Wer heute drin sein möchte, muss verdammt viel Glück haben, denn Talent allein reicht bei weitem nicht aus.
Like the old days
Dabei sah es in den 1980er und 1990er Jahren noch anders aus. Die Videospielindustrie hatte noch nicht jenen gewaltigen Boom erlebt, der neue Kunden anlockte. 1980 waren Philip und Andrew Oliver gerademal zwölf als ein Schulfreund ihnen den Apple II Heimcomputer zeigte. Darauf konnte man Imitationen bekannter Videospiele wie Pac-Man spielen. Es war der erste Kontakt, den die Zwielinge mit einem Computer hatten.
Ein Jahr später kaufte ihr älterer Bruder einen Sinclair ZX81 Computer, nach heutigen Maßstäben ein Fossil aus den ersten Tagen des heimischen Computers. Doch trotz der begrenzten Rechenpower fingen Philip und Andrew an, simple Spiele für den ZX81 zu entwickeln. 1983 nahmen die beiden Geschwister an einem Wettbewerb teil. Das Videospielmagazin „Computer & Videogames“ verlangte von seinen Lesern, sie sollen Konzepte für mögliche Spiele einreichen. Verlangt waren lediglich Ideen auf ein Blatt Papier.
Die Oliver Zwillinge reichten das fertig programmierte Spiel ein und gewannen 50 Pfund. Zu dem Zeitpunkt wussten noch wenige, dass die Gebrüder Oliver in einigen Jahren Millionäre sein werden und mit einem der ersten, erfolgreichen Publischer kollaborieren würden. Sie gehören zu den ersten erfolgreichen Spieledesignern, die besonders durch die von Codemasters publizierten „Dizzy“-Spiele weltweit bekannt wurden. Als sich die Jungs daran machten ihr erstes Business auf die Beine zu stellen, arbeitete der 38-jährige Computer-Ingenieur Alexey Pajitnov an einem Spiel, das die Welt genauso verändern würde, wie „Pong“ und „Pac-Man“ zuvor.
Der in Moskau geborene Pajitnov konnte vom eigenen Geschäft nur träumen. Dass sich bald Geschäftsmänner ein Wettrennen um die halbe Welt liefern würden, um sich die Rechte an seinem Spiel zu sichern, hätte er zu dem Zeitpunkt kaum geglaubt. Der ComputerIngenieur hatte es einfach aus Spaß gemacht. Er ging von dem russischen Puzzlespiel Pentomino aus, welches er aus seiner Kindheit kannte und das er nun digitalisieren wollte. Es war die Geburtsstunde von Tetris. In kürzester Zeit verbreitete sich das Spiel zuerst im sowjetischen Osten und dann im Westen, nachdem sich ein japanisches Unternehmen die Rechte an dem Spiel sicherte. Es wurde Nintendos erfolgreichstes Spiel und sorgte für den Millionen-Verkauf des wohl erfolgreichsten Handhelds aller Zeiten, dem Nintendo Gameboy.
Pajitnov selbst konnte sich über den Erfolg erst nach 1990 freuen, als er Tantiemen für das Spiel bekam, das ihm Weltruhm einbrachte. Seine Nachfolgeprojekte jedoch waren weniger erfolgreich gewesen, weshalb der Russe heute eher als ein „One-Hit-Wonder“ gilt.
Die lebenden Legenden
Ein Spielentwickler, der über die Jahre stets erfolgreich blieb und auch heute noch gute Spiele liefert, ist der Japaner Shigeru Miyamoto. Nicht umsonst wird Miyamoto als eine lebende Legende beschrieben. Dabei hatte der aus Sonobe, Kyoto stammende Künstler keine Programmierkenntnisse gehabt, als er bei Nintendo anfing. Trotzdem gilt er als der Vater zweier Spieleserien, die Nintendo groß machten und auch heute noch immer wieder für den Erfolg der japanischen Traditionsfirma verantwortlich sind.
Sowohl die italienische Klempnerfigur „Mario“, als auch der Fantasyheld „Link“ sind Miyamotos Verstand entsprungen. Er ist einer der ersten Entwickler, die auf mehr Geschichte in Spielen setzten. Inspirieren ließ sich der Japaner von dem Ort wo er aufwuchs. In „The Legend of Zelda“ muss der Spieler in die Rolle einen kleinen Jungen schlüpfen, der eine offene Welt erkunden muss. Dabei wartet auf den Spieler an jeder Ecke ein Abenteuer. Wichtige Gegenstände werden auf den Weg aufgesammelt, um sie später an wichtigen Stellen einzusetzen. 2011 erschien das sechzehnte Zelda-Spiel und wurde sofort ein kritischer und kommerzieller Erfolg. Neben den „Mario“- und „Zelda“-Spielen schuf Miyamoto auch andere wichtige Serien für Nindento, darunter „Starfox“, „Donkey Kong“ und „Pikmin“.
Die 1980er Jahre waren für den Japanischen Spielemarkt blühend. Viele talentierte Entwickler machten damals ihr Debüt. Darunter eine weitere Legende, die zur weltweiten Anerkennung erst 1999 kam. Mit 23 arbeitete er für Konami eher widerwillig. Er zog Nintendo dem heute erfolgreichen Publisher Konami vor. Konami gab ihm den Auftrag für den MSX Heimcomputer von Sony ein Actionspiel zu entwickeln.
Weil das System kaum Rechenleistung lieferte, waren die auf Sprites basierten Spiele sehr beschränkt. Auf dem Bildschirm konnte man nicht mehr als zwei, drei Sprite-Figuren gleichzeitig darstellen. Für Hideo Kojima war ein Actionspiel mit einem Gegner auf dem Bildschirm zu langweilig. Der Spieler musste nichts weiter tun, als die Figur erschießen um weiterzukommen. Dann kam Kojima der rettende Einfall: Statt die Gegnerfigur zu erschießen, musste der Spieler sich an ihr vorbeischleichen. Die Gegner erhielten einen Sichtkegel und die Aufgabe des Spielers war es, eben diesen zu umgehen. Hideo Kojima schuf damit ein komplett neues Genre. Er schuf das Schleichspiel.
Jahre später würde dieses Genre ein Entwicklungsstudio aus Massachusetts revolutionieren.
Die Wiege der modernen Spielentwicklung
Looking Glass entwickelte das Schleichspiel „Thief – The Dark Projekt“. Darin übernahm der Spieler die Rolle eines Meisterdiebs im Mittelalter, der sich im Schatten verstecken musste, damit ihn die Wachen nicht sehen konnten. Als Looking Glass aufgrund schwacher Verkaufszahlen dicht machen musste, öffneten viele ehemalige Mitarbeiter ihre eigenen Studios.
Heute gelten die Ex-Looking Glass Angestellten als einige der wichtigsten Spieleentwickler im Gewerbe. Warren Spector gründete Ion Storm und brachte 2000 den Hybrid-Shooter „Deus Ex“ heraus. Das Spielemagazin „PC Games“ nannte „Deus Ex“ das Spiel des Jahrhunderts. Ken Levine gründete Irrational Games zusammen mit anderen Ex-Mitarbeitern von Looking Glass.
2012 bringt Levine „Bioshock Infinite“ heraus, die Fortsetzung zu dem Kultspiel „Bioshock“ von 2007.
Bei der Bioshock-Reihe handelt es sich ebenfalls um Hybrid-Shooter. Sowohl Levine als auch Spector sind dafür bekannt Genres miteinander zu vermischen. Kojima selbst kehrte zu dem Genre, das er schuf 1998 zurück, als Konami in Japan „Metal Gear Solid“ herausbrachte. Ein Jahr später kam das Spiel nach Amerika und etablierte sich als eines der wichtigste Spiele für die Playstation 1. Kojima machte sich selbstständig und entwickelte für die Playstation 2 zwei weitere Metal Gear Solid Spiele. Für die Playstation 3 kam der vierte Teil der „Metal Gear Solid“-Saga heraus und für Sonys Handeld PSP erschien „Metal Gear Solid: Peace Walker“. Die MGS-Serie machte aus Kojima einen Star. Der Erfolg der jeweiligen Spiele wurde stets daran gemessen, inwieweit Kojima selbst Hand anlegte.