Die Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien beschäftigt den Historiker Dr. Corneliu Pintilescu vom „Gheorghe Barițiu“-Geschichtsinstitut der Rumänischen Akademie in Klausenburg/Cluj-Napoca schon seit Jahren. Dies war der Grund, weshalb er vor sieben Jahren eine Ausstellung zum Leben der Siebenbürger Sachsen im 20. Jahrhundert zusammen mit Kollegen und Förderern zustande brachte. Im europäischen Kulturhauptstadtjahr 2023 waren die Banater Schwaben dran. Anlässlich der Heimattage der Banater Deutschen wurde am Domplatz in Temeswar eine Ausstellung gezeigt, die das Alltagsleben der Banater Schwaben anhand von Fotografien aus privaten Sammlungen und vom römisch-katholischen Diözesanarchiv zu illustrieren versucht. Wie es dazu kam, verrät Corneliu Pintilescu in folgendem Gespräch.
Wie ist die Idee zu dieser Ausstellung entstanden?
Die Idee für die Ausstellung ist eigentlich schon älter, denn die Expo ist Teil eines größeren Projekts, das 2015 am Institut für Deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München begann. Damals schlug ich ein Forschungsprojekt vor, das nicht nur eine akademische Arbeit bzw. akademische Texte für ein Fachpublikum hervorbringen, sondern sich zugleich an ein breiteres Publikum richten und in gewisser Weise ein Produkt sein sollte, das von der Gemeinschaft zu besonderen Anlässen genutzt werden kann. Ziel des Projekts war die gesamte deutsche Minderheit in Rumänien. Mit anderen Worten: Das Projekt sollte im Laufe der Zeit alle deutschsprachigen Gemeinschaften in Rumänien einbeziehen, aber das Ziel waren natürlich zuerst die Deutschen in Siebenbürgen, die Siebenbürger Sachsen, dann die Schwaben oder die Banater Deutschen, und, soweit wir Material finden würden, die Deutschen in der Bukowina, in der Dobrudscha, Bessarabien, usw.. Die erste Ausstellung dieser Reihe wurde 2016 in Mediasch gezeigt. Ihr Titel war „Alltagsleben der Siebenbürger Sachsen im 20. Jahrhundert“.
Den zweiten Schritt haben wir letztes Jahr getan, mit Feldforschung in Temeswar, Reschitza, Arad, Großsanktnikolaus. Einige Kollegen waren auch in der Umgebung von Lugosch. Wir gingen sowohl in Städte, als auch in Dörfer. Wir haben Fotomaterial gesammelt und Interviews geführt, um eine Ausstellung für die europäische Kulturhauptstadt Temeswar auf die Beine zu stellen. Das war also das Ziel dieser Phase des Projekts. Wir waren ein wenig besorgt, weil die Zeit sehr knapp war. Das meiste Material wurde in zirka sechs Monaten zusammengetragen. Das bedeutete, dass wir Fotos auswählen mussten, die nicht nur für unsere Themen, sondern auch für alle Regionen des Banats repräsentativ waren, denn es gibt Besonderheiten der Deutschen in der Banater Heide oder der deutschen Gemeinden im Banater Bergland, und wir mussten, soweit wie möglich, alle Teile des Banats abdecken. Gleichzeitig wollten wir auch viele Fotos ausstellen.
Wie viele Fotos waren es insgesamt?
Ungefähr 650 alte Fotos und Familiendokumente. Es gibt nicht nur Fotos, sondern auch einige Dokumente, zum Beispiel Telegramme oder Briefe aus der Deportation in die ehemalige Sowjetunion. Wir haben einige Erzeugerbescheinigungen, z. B. Bescheinigungen von Weinproduzenten aus den 1920er Jahren in der Region Bakowa, eine Reihe seltener Dokumente, von denen wir dachten, dass sie diese Kapitel der Ausstellung, wie wir sie von Anfang an geplant hatten, illustrieren. Die Idee war es, geographisch alle Gebiete mit deutschsprachigen Gemeinschaften im Banat abzudecken, aber auch die großen Themen des Alltagslebens zu behandeln. Angefangen bei der Freizeit, der Kindheit, über das Erwachsenwerden bis hin zu den Familienereignissen, der Arbeit, den beruflichen Aktivitäten, den spezifischen Traditionen der Deutschen im Banat, all das musste irgendwie durch Fotomaterial abgedeckt werden. Bei der Auswahl und beim Scannen haben wir dann überlegt, was wir in der Ausstellung zeigen wollen.
Welche Schlüsselmomente im Leben der Banater Deutschen sind in der Ausstellung zu sehen?
In der Einführung haben wir ganz kurz die Geschichte der Deutschen im Banat seit ihrer Ankunft skizziert. Aber das Fotomaterial wiederspiegelt natürlich nur das 20. Jahrhundert. Wenn wir uns also strikt auf das Fotomaterial beziehen, dann sind die hervorgehobenen Momente der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, die Deportation der Deutschen in die Sowjetunion und danach die Deportation in den B²r²gan, die natürlich nicht nur die Deutschen des Banats betraf, sondern es gab auch andere Gemeinschaften, die davon betroffen waren. Danach wird der Prozess der Modernisierung während der kommunistischen Zeit in der Ausstellung festgehalten, und die letzten Fotos stehen, chronologisch betrachtet, mit der Revolution von 1989 in Verbindung – sie stammen aus einer privaten Sammlung. Die Ausstellung endet mit einer Reihe von Veranstaltungen des Demokratischen Forums der Deutschen, aber auch der Gemeinden, Veranstaltungen wie Kirchweihfeste in den 90er Jahren - Anfang 2000. Die letzten Fotos stammen sogar vom Anfang der 2000-er Jahre. Wir haben also ein langes 20. Jahrhundert.
Wie schwierig war es, die vorhandenen Fotos auszuwählen?
Das ist wirklich eine gute Frage, denn ich habe sehr viel Zeit gebraucht, um das Material auszuwählen, viel länger, als ich es erwartet hatte. Wieso denn das? Weil man, sobald die Kapitel strukturiert waren, entdeckte, dass zum Beispiel ein bestimmtes Foto besser in ein bestimmtes Ensemble passte. Oder man bemerkte, dass was auf dem ersten Blick relevant erschien, in dem Moment, in dem man die Bilder in der Kapitelmappe sah, sich einige von ihnen wiederholten. Oder als Grafik passte ein bestimmtes Bild besser zu einem anderen.
Mit anderen Worten: Neben der Relevanz des Materials und dem Inhalt des Bildmaterials sind auch die Bildqualität und die Ästhetik wichtig. Alles muss sich zu einem Ganzen fügen, das, ästhetisch, bestimmten Standards entspricht. Wir haben nämlich auch einen Architekten in unserem Team, Ovidiu Taloș, der eigentlich für die Grafik zuständig ist. Er hat sehr hohe Ansprüche an die Qualität der Fotos, an das ästhetische Ergebnis. Die Ausstellung ist also nicht nur ein Produkt mit einem historischen, dokumentarischen Thema, sie hat auch die Aufgabe, zu gefallen, eine Freude für die Augen zu sein.
Wie viele Bilder konnten in der Ausstellung gezeigt werden?
Das ist sehr schwer zu sagen, denn wir haben sie öfters hineingestellt und wieder herausgenommen. Ich glaube, es sind etwa 300. Von den 650 sind etwa die Hälfte aufgenommen worden, und leider hatten wir einige interessante Bilder, die wir nicht aufnehmen konnten, aber vielleicht gibt es ja noch andere Gelegenheiten dazu.
Waren die Leute offen dafür, Ihnen Fotos aus ihrem persönlichen Archiv zu schicken?
Im Allgemeinen, ja. Wir haben die Leute nicht darum gebeten, sie uns zu schicken. 90 Prozent der Fotos werden von unserem Team mit einem speziellen Scanner mit hoher Auflösung gescannt. Im Allgemeinen mussten uns die Leute die Tür zu ihrer Wohnung öffnen, uns in ihren Häusern willkommen heißen und mit uns sprechen, denn jedes Foto hat eine Geschichte, die rekonstruiert werden muss. Und wir haben Fotos, die wirklich sehr interessante Geschichten erzählen, Fotos, die bei der Deportation in der Sowjetunion aufgenommen wurden, sehr seltene Bilder. Wir haben Briefe aus der Deportation, wir haben einige Fotos aus den 1920er Jahren, die seltene Traditionen festhalten, die man nicht in vielen Fotomaterialien findet. Zu sehen sind auch Traditionen spezifischer Gemeinschaften, aus einem bestimmten Teil des Banats, die im Laufe der Zeit verloren gegangen oder verblasst sind.
Gibt es ein Kapitel oder ein Foto in der Ausstellung, das Sie besonders beeindruckt hat?
Die vielleicht bewegendsten Fotos sind die, von denen ich Ihnen erzählt habe, die aus der Deportation verschickt wurden, weil sie auf sehr authentische Weise die Erfahrungen der Menschen widerspiegeln, die deportiert wurden. Man kann in ihren Gesichtern die Tragik des Augenblicks und das Leid sehen.
Haben Sie persönlich irgendeine Verbindung zu den Deutschen in Rumänien? Sie haben bei der Vorstellung der Ausstellung ein paar Worte auf Deutsch gesagt.
Ja, ich habe Deutsch gesprochen, aber mein Deutsch ist das Deutsch eines Menschen, der die Sprache Goethes als Erwachsener gelernt hat. Ich habe während meines Promotionsstudiums angefangen, Deutsch zu lernen, weil eines meiner Forschungsthemen die Geschichte der deutschen Minderheit im 20. Jahrhundert ist. Ursprünglich habe ich mich vor allem mit der Nachkriegszeit beschäftigt, insbesondere mit den 1950er Jahren, aber in den letzten Jahren habe ich begonnen, mein Interesse auszuweiten, und beschäftige mich jetzt auch mit der Zwischenkriegszeit, dem Zweiten Weltkrieg, den 1930er Jahren und der übrigen Zeit nach dem Weltkrieg. Mit anderen Worten, das Interesse entstand aus der Neugierde meiner eigenen Forschungsinteressen, aber im Laufe der Zeit entwickelte ich auch eine emotionale Beziehung zu dem Thema, denn es ist sehr schwer, sich nicht zu diesem Thema zu bekennen, vor allem, wenn die Geschichte, mit der man sich beschäftigt, lebendig ist – die Menschen leben, man kann Interviews mit ihnen führen, man kann sich mit ihnen anfreunden, so dass es für mich bereits eine Kombination aus Forschungsarbeit und persönlicher Beteiligung am Leben der Gemeinde ist. Die Leute in der Gemeinde scherzen sogar, dass ich bereits von der deutschen Minderheit adoptiert wurde. Ich sehe es als eine moralische Pflicht der Rumänen, die im Banat, in Siebenbürgen, aber nicht nur dort, leben, das Erbe derer zu pflegen, die neben ihnen leben, das heißt, nicht nur die Geschichte und das Erbe der rumänischen oder ungarischen Bevölkerung, sondern auch die Geschichte der „anderen“, denn die Geschichte der Rumänen, der Deutschen, der Ungarn und der Juden in diesen Regionen lässt sich meist nicht voneinander trennen. Es sind keine Parallelgeschichten, sie werden nur oft parallel geschrieben, weil wir sie heute künstlich trennen. Ich habe in der Ausstellung versucht, auch diese Verbindungen mit den Rumänen oder den Juden des Banats zu erfassen, die Serben treten weniger auf, aber die Rumänen und die Juden sind präsent, die Ungarn sind in dieser Ausstellung präsent. Ich glaube, dass die Ausstellung diese Verflechtung der Schicksale zwischen den Nationalitäten, den Gemeinschaften, die in Siebenbürgen und im Banat gelebt haben, zeigt, und ich hoffe, dass sie dies veranschaulicht, denn ich spreche auch über die andere Ausstellung, mit der sie in gewisser Weise eine Art Ensemble bildet, nämlich die über die Deutschen in Siebenbürgen.
Welche Eindrücke soll die nicht-deutsche Bevölkerung, die sich diese Ausstellung ansieht, mitnehmen?
Wir haben die Ausstellung zweisprachig konzipiert, mit dem Ziel, ein Instrument zum Kennenlernen der anderen Gemeinschaften zu sein, denn gerade dieser einführende Teil, der kurz die Geschichte der Deutschen im Banat erzählt, von der Kolonisation bis ins 20. Jahrhundert, soll auch das Verständnis dieser Gemeinschaft, das Verständnis ihrer Kultur und ihrer Geschichte für die anderen Nationalitäten, die im Banat leben, erleichtern. Wenn die Ausstellung in Zukunft beispielsweise nach Bukarest oder Kronstadt geht, sollten auch diejenigen, die nicht zur Gemeinschaft gehören, diese Bilder verstehen, denn sie sind das Ergebnis historischer Prozesse, Erfahrungen, Kontexte, und wenn wir den Kontext nicht verstehen, verstehen wir auch das Bild nicht. Daher war das Projekt von Anfang an nicht nur für die Gemeinschaft gedacht, sondern auch als Werkzeug für Außenstehende, um die Gemeinschaft besser kennenzulernen.