Nach Temeswar sind nun einige der Heliogravüren des Charles Armand-Durand nach Kupferstichen des „Schönen Martin“, wie Martin Schongauer wegen seiner Malkunst von seinen Zeitgenossen genannt wurde, in der evangelischen Kirche A. B. in Bukarest zu sehen. Aus seinem Konvolut hat der aus Siebenbürgen stammende Sammler Thomas Emmerling 27 Werke mit für den Ausstellungsort angemessenen religiösen Szenen ausgewählt. Nach den hier gezeigten Drucken von Albrecht Dürer und Otto Dix führt die Kunst von Martin Schongauer zurück zu den Anfängen des Tiefdrucks ins 15. Jahrhundert. Entlang der Wände des Kirchenschiffs und auf drei Staffeleien vor dem Altarraum, zeigen die meist kleinformatigen Kupferstiche Szenen aus dem „Marienleben“, der „Passionsgeschichte“, Heiligenbilder oder das Gleichnis von den „fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen“.
Die Kupferstiche entstanden im Milieu der Goldschmiedekunst, da hier das Gravieren von Metallplatten zum Handwerk gehörte. Mit der Vereinfachung der Papierherstellung wurden Drucke erschwinglicher. Heiligenbildchen als Devotionalien, aber auch in diesem Verfahren hergestellte Spielkarten fanden so eine massenhafte Verbreitung. Einige Maler erkannten die Möglichkeiten zur Verbreitung und Bekanntmachung ihrer Werke. So nutzten und entwickelten Künstler in flämischen und italienischen Werkstätten diese Technik unabhängig voneinander im Laufe des 15. Jahrhunderts. Wie später Albrecht Dürer kam Martin Schongauer daher aus einer Familie von Goldschmieden, die, wie der Name sagt, ursprünglich aus Schongau stammte. Sein Geburtsdatum liegt im Dunkel, zwischen 1445 und 1450 soll er im elsässischen Colmar geboren sein, wo sich der Vater niedergelassen hatte. Urkundlich bestätigt ist seine Einschreibung an der Leipziger Universität im Jahr 1465. Wie Dürer wechselte er vom Goldschmiede- zum Malerhandwerk, nutzte seine Fähigkeiten jedoch, um den Kupferstich zu revolutionieren, setzte erstmals Kreuzschraffuren ein, um plastischere Effekte zu erzielen. Zu Lebzeiten war er für seine Tafel-Gemälde berühmt, so die „Madonna im Rosenhag“. Sein Stil wird häufig im Übergang von der spätgotischen Malerei des Oberrheins zur naturalistischen altniederländischen Kunst z. B. eines Rogier van der Weydens oder Jan van Eycks angesiedelt. Mit der niederländischen Malerei, der zunehmenden Bedeutung der Zentralperspektive, der individuelleren und plastischeren Ausgestaltung der Figuren, begann er sich früh auseinanderzusetzen, sammelte auf seinen Reisen über Köln nach Brüssel und in die Niederlande neue Anregungen.
Diese Einflüsse werden vor allem in seinen Kupferstichen sichtbar, die er als erster konsequent durchnummeriert und alle mit seinem Monogramm M + S versieht. 116 sollen es gewesen sein, die in hoher Auflage gedruckt wurden bis über seinen Tod hinaus, sodass der Überlieferungsstand heute als ausgesprochen gut gilt. Seine Kupferstiche waren auch weit über die Grenzen bekannt, selbst bei den berühmten Renaissancekünstlern Andrea Mantegna oder Michelangelo. Den beeindruckte vor allem die herausstechende Darstellung der „Versuchung des heiligen Antonius“, die in der Ausstellung zu sehen ist. Der ägyptische Heilige ist als Vater des Mönchtums bekannt. Die Mischwesen und Dämonen, die den gelassen dreinblickenden Heiligen heimsuchen, erinnern an die späteren Dämonengestalten auf den Bildern des Hieronymus Bosch.
Wegweisend sind die Kupferstiche aus dem „Marienleben“ (in der Kirche auf der rechten Seite zu sehen), so hier die „große“ und die „kleine“ Geburt Christi (in der Ausstellung mit I. und II. gekennzeichnet), die „Flucht nach Ägypten“, ein Motiv, das den sogenannten Apokryphen, das heißt den kirchlich nicht anerkannten Bibelgeschichten entstammt. Diese sollen noch ganz unter dem Eindruck seiner Studienreise stehen, da viele besonders malerische Elemente auf niederländische Einflüsse zurückgehen. Das Gleiche gilt für die hier gezeigte „Passion Christi“, die drei auf der Staffelei präsentierten Werke. Darunter befindet sich der wegen seiner naturalistischen Darstellung der Personen und fantasievollen Erfindung der Dämonen beeindruckende Stich „Jesus in der Vorhölle“. Schongauer greift auch immer wieder Legenden auf, die er in das kanonisierte Geschehen einflicht. In die „Kreuztragung Christi“ ist die Legende der heiligen Veronika integriert, das Schweißtuch zeigt das gleiche Antlitz wie die Figur des Jesus. Für das Gleichnis von den „klugen und den törichten Jungfrauen“ hat er jede einzeln porträtiert. Die Klugen, die für einen ausreichenden Vorrat an Öl gesorgt haben, erscheinen nicht nur mit dem Lämpchen, sondern auch als Bräute mit aufgelöstem Haar und dem damals üblichen Brautkranz auf dem Kopf. Bei den Törichten liegt der Kranz achtlos auf dem Boden, die Lämpchen sind leer. Interessant auch die zeitgenössische Kleidung samt den Schnabelschuhen.
Beeindruckt haben diese Drucke auch den jungen Dürer, der gleich zu Anfang seiner eigenen Wanderschaft 1492 extra nach Colmar kam, um von Schongauer zu lernen. Allerdings war dieser bereits kurz zuvor, am 2. Februar 1491, in Breisach an der Pest gestorben, wo er den Auftrag übernommen hatte, Fresken für das dortige Münster zu malen. Die Familie in Colmar überließ Dürer einige seiner Arbeiten. Für nicht eindeutig zugeschriebene Arbeiten war es unter Experten bisweilen strittig, ob sie von Schongauer oder Dürer stammten. Das Thema der hier gezeigten „Flucht nach Ägypten“ mit dem exotischen Drachenbaum greift Dürer später auf, einige Elemente übernimmt er, aber der Bildaufbau und die Komposition weichen doch voneinander ab. Dennoch gehört Martin Schongauer zu den einflussreichsten Künstlern seiner Zeit, der oft kopiert wurde und dessen Kupferstiche Maler, Holzschnitzer und Bildhauer inspiriert haben.
Die Ausstellung kann noch bis zum 23. Juni 2018 besichtigt werden. Freitags und samstags 12-18 Uhr. Weitere Informationen für Gruppenreisende und Besichtigungen außerhalb der Besuchszeiten Tel.: 0731 312 403