Vor Kurzem wurde in der Bukarester Humanitas-Buchhandlung neben dem Ci{migiu-Park die erste vollständige Übersetzung ins Rumänische von Arthur Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung” präsentiert. Bekannte Intellektuelle wie Gabriel Liiceanu, Horia-Roman Patapievici, Dan C. Mihailescu und Radu Gabriel Pârvu, der Übersetzer des Werkes, haben an dem Gespräch, welches im Rahmen der Veranstaltung stattfand, teilgenommen.
Der Übersetzer, Professor an der Universität „Constantin Brâncoveanu” in Piteşti, hat sich sieben Jahre Zeit genommen, um seine Aufgabe zu Ende zu führen. Der Leiter des Humanitas Verlages, Gabriel Liiceanu, bezeichnete die Erfahrung, die der Übersetzer dabei gemacht hat, als eine Reise auf einen anderen Planeten: „Derjenige, der zurückkommt, soll uns sagen, was er da gesehen hat.”
Es handele sich um ein Buch, ohne welches eine korrekte Betrachtung der rumänischen Kultur unmöglich sei. Um Autoren wie Mihai Eminescu oder Emil Cioran zu verstehen, sei das Buch unerlässlich, erklärte der Übersetzer. Radu G. Pârvu gestand aber, dass sein Zusammenleben mit Schopenhauer nicht gerade gemütlich gewesen sei. Nichtsdestotrotz betrachte er die Möglichkeit, diese Übersetzung vornehmen zu dürfen, als eine wahre Ehre, da seine Seele und sein Gewissen „mit jedem übersetztem Wort gezittert haben”.
Der Essayist Horia-Roman Patapievici meinte, dass die Beliebtheit Schopenhauers und die wahre Schopenhauer-Mode Ende des 19. Jahrhunderts auf die „Vulgarisierung” der Philosophie durch den deutschen Denker zurückzuführen ist. Ununterbrochen hätte der Philosoph sein Werk durchdacht und folglich immer neue Perspektiven angeboten. Die Wichtigkeit Schopenhauers im europäischen Kontext erklärt Patapievici mit der von ihm unternommenen Verbindung fremder Kulturen im dominierenden abendländischen Diskurs. In einer Monografie wird Schopenhauer beschrieben als „mehr Engländer, Franzose und Hindu als Deutscher”. Seinen Aussagen liege die Kritik an den Argumenten anderer Denker zugrunde. Schopenhauer habe keinen eigenen Diskurs ausformuliert, erklärte Patapievici.
Auch für Patapievici sei die erste vollständige Übersetzung von Schopenhauers Werk, dessen erste deutsche Fassung 1819 erschien, ein hervorragendes Ereignis für die rumänische Kultur. Schon vor 150 Jahren war Schopenhauer im Literatenkreis „Junimea” in Jassy/ Iaşi ein bekannter Name. Die Gründer dieses kulturellen Vereins stützten ihre Weltanschauung auf Schopenhauers Werk, das sie im Original lasen. Die erste Übersetzung von „Die Welt als Wille und Vorstellung” ins Französische wurde von Ioan A. Cantacuzino vorgenommen und Titu Maiorescu gewidmet. Titu Maiorescu hat wiederum „Aphorismen zur Lebensweisheit” ins Rumänische übersetzt. Das zeigt, wie wichtig Schopenhauer im „Junimea”-Kreis war.
Zu dieser Zeit erwähnt auch der Philologe Bogdan Petriceicu Haşdeu den deutschen Philosophen in einem seiner Vorträge im Athenäum im Jahre 1892. Diese rumänische Persönlichkeit erkennt das Genie Schopenhauers, ist aber der Meinung, dass dieser „Vater aller Pessimisten” keinen guten Einfluss auf die Rumänen haben könnte. Dabei bezog sich B. P. Haşdeu auf ein Zitat Schopenhauers, in welchem der gestand, dass er sich schäme, Deutscher zu sein. Ha{deu befürchtete, dass die Rumänen (eine Nation, die sich noch im kindlichen Alter befand und deshalb durch das Prinzip der Nachahmung lernte) dieselbe Auffassung teilen könnten: Dass sie sich schämen werden, der rumänischen Nation anzugehören.
Er vergleicht den exzentrischen Philosophen mit Falstaff aus Shakespeares Dramen oder mit Thersites aus der Ilias. „Er isst so viel wie sieben Menschen und schreit, das Essen ist schlecht; er trinkt stark und jammert, der Wein ist nicht gut; er erklärt hier und da, die Welt ist so schlimm, dass der Mensch sich den Tod wünschen sollte, aber er haut ab, wenn er hört, dass sich die Cholera nähert.” Es ist aber seit Langem kein Geheimnis mehr, dass Mihai Eminescu von Schopenhauers Denken tief geprägt wurde, so wie viele Schriftsteller und Philosophen um die Jahrhundertwende, unter anderem Baudelaire, Musil, Tolstoi, Zola oder Nietzsche.
Jeder ist aber frei, seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen: Wie das Essen wirklich schmeckt, ob der Wein gut oder schlecht ist, kann man nur durch ein langwieriges Auskosten erfahren: Die rumänische Übersetzung von Schopenhauers Werk umfasst zwei Bände mit insgesamt 1400 Seiten.