Drei Tage lang, vom 27. bis zum 29. Oktober 2017, war die Stadt Weißenfels als Gastgeber Mittelpunkt eines kulturell vielfältigen literarischen Ereignisses, an dem sich Schriftsteller aus mehreren Ländern Europas beteiligten. Im herrlichen Hochzeitssaal des Fürstenhauses in der Leipziger Straße trafen sich die Mitglieder des Internationalen Exil-P.E.N. - Sektion deutschsprachige Länder zu ihrer Jahrestagung.
Das zentrale literarische Thema rankte sich um den am 25. März 1801, im Alter von 29 Jahren, in Weißenfels gestorbenen frühromantischen Dichter Georg Philipp Friedrich von Hardenberg – genannt Novalis (1772 - 1801). Wenn sich so viele Schriftsteller unterschiedlicher literarischer Prägung, Ausrichtung und mit divergierenden Ansichten über Gott und die Welt der Geister und der Politik treffen, sind lebendige Diskussionen und sich bis in die Morgenstunden hinziehende Debatten geradezu vorprogrammiert.
Das Zeichen zum Start der Tagung gab am Freitag, 27. Oktober, pünktlich um 16.15 Uhr der alte und in Weißenfels erneut zum Vorsitzenden des Exil-P.E.N.- Clubs gewählte Präsident, Prof. Dr. Wolfgang Schlott (Bremen). Mit seinem Vortrag „Prolog zu Novalis“ eröffnete Schlott die Suite von Vorträgen zu Leben und Werk des Frühromantikers. Dessen Werk und Ansichten sezierte Prof. Dr. Ludwig Stockinger in einer virtuosen, kenntnisreichen und lebhaften wie tiefschürfenden Analyse von Novalis‘ „Hymnen an die Nacht“, für die er Bewunderung und viel Beifall erntete. Während Prof. Dr. Elmar Schenkel mit seinem in freier Rede vorgetragenen Referat „Ex oriente lux – Novalis, Europa und Indien“ eine weite Gedankenbrücke nach Asien spannte, um den Beweis zu führen, dass Wissen und Glaube, die sich in frühen Zeiten von Osten nach Westen ausgebreitet hatten, auch die Romantik speisten und Novalis beeinflusst haben, fesselten Hella Schapiro (Berlin) und Katharina Kilzer (Wiesbaden) durch nachhaltige kritische Auseinandersetzung mit dem 1799 geschriebenen und Fragment gebliebenen Novalis-Essay „Die Christenheit und Europa“, wobei es Katharina Kilzer inspiriert gelungen ist, von Novalis und der deutschen Romantik ausgehend Spuren nachzuzeichnen, die bis zur europäischen Gegenwartsliteratur führen, wie sie am Beispiel von Werken Herta Müllers und Horst Samsons zeigen konnte.
Den Auftakt zur „Lesereise“ gab Hans Bergel, mit 92 Jahren der Nestor des Exil-P.E.N., Autor vieler Romane, Erzählungen und Gedichte sowie essayistischer Kulturaufsätze, mit der anrührenden, auf authentischen Fakten basierenden Erzählung „Der schwarze Fürst“. In den von Dr. Olivia Spiridon (Tübingen), Hellmut Seiler (Backnang) und Horst Samson (Neuberg) moderierten Lesungen zeigten sich der aus Rumänien angereiste Erwin Josef Ţigla mit herzhaften Texten im Reschitzaer Dialekt, die Romanautorin und Literaturkritikerin Edith Ottschofski (Berlin) sowie die Dichterin Barbara Zeizinger (Darmstadt) und Ursula Teicher-Maier (Dieburg) von ihrer besten Seite, ebenso wie die neu aufgenommenen Mitglieder, die in Rumänien gebürtige Romanautorin Iris Wolff (Freiburg) und die Poetin Katharina Eismann (Offenbach) sowie die in Kroatien geborene Dichterin Tamara Labas (Frankfurt am Main). Der Literatur-Marathon endete am Sonntag mit Lesungen von Ilse Hehn, Horst Samson und Hellmut Seiler.
Die Stadt Weißenfels und ihr Oberbürgermeister Robby Risch waren in Person von Ellen Kurtze-Dedecke vom städtischen Kulturamt ein exzellenter Gastgeber für ein Fest der Literatur im Zeichen der deutschen Romantik, eine Hommage auf Novalis und die Stadt Weißenfels.
Während der Tagung fand auch die Mitgliederversammlung mit Neuwahlen des Präsidiums statt. Dem neuen Gremium gehören an: Prof. Dr. Wolfgang Schlott (Präsident), Ilse Hehn (Vize-Präsidentin), Hellmut Seiler (Generalsekretär), Dr. Heidrun Hamersky (Schatzmeisterin), Timo Meskank, Hella Schapiro, Katharina Kilzer, Ursula Teicher-Maier und Horst Samson.
Ein spezielles Highlight für die Gäste war die sachkundige, kompetent und exzellent präsentierte „Literarische Führung“ mit Studienrat Jörg F. Riemer zu Novalis und zur literarischen Stadtgeschichte von Weißenfels. Der Vorsitzende der Novalis-Gedenkstätte und Leiter des Novalis-Literaturkreises vermittelte gekonnt und garniert mit vielen wissenswerten Details den interessierten Schriftstellern aus mehreren Ländern ein beeindruckendes Bild über die Weißenfelser Literaturszene der Vergangenheit.Auf informativen Panneaus waren in einer Ausstellung im Fürstenhaus Leben und Werk der einst in Weißenfels lebenden Schriftsteller Carl Heinrich Heidenreich, Gottfried August Bürger, Erdmann Neumeister, Johann Beer, Karoline Louise Brachmann, Marie Louise von François und Martin Gregor Dellin gewürdigt.
Die Stadt Weißenfels hat sich durch eine optimal gestaltete und beispielhafte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Exil-PEN- Sektion deutschsprachige Länder lobenswert hervorgetan und die Kultur-Landschaft dieser Stadt auch für die Annalen aufgewertet und bereichert.