Die zehn Beiträge aus dem Sammelband über die rumäniendeutschen Erinnerungskulturen, herausgegeben von Jürgen Lehmann und Gerald Volkmer, sind schriftliche Versionen von Vorträgen einer Tagung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Münchner Universität von 2013. Nach einem kurzen Vorwort der Herausgeber stellt Kathrin Schödel die Methoden der kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorien vor, die besonders von Aleida und Jan Assmann sowie Maurice Halbwachs entwickelt wurden. Sie erläutert an Beispielen wie Herta Müller in dem Roman „Atemschaukel“ das „kommunikative Gedächtnis“ ihrer Erinnerungen, die sie durch die literarische Verarbeitung zum kulturellen Gedächtnis erweitert hatte. Bernhard Böttcher schildert Unterschiede zwischen Kriegerdenkmälern des Ersten Weltkrieges bei den Banater Schwaben und den Siebenbürger Sachsen. Im Banat förderte der rumänische Staat nach 1919 das schwäbische Eigenbewusstsein, um die enge Verbindung der Schwaben mit Ungarn zu lockern. Die Schwaben akzeptierten rumänische Schriftzüge auf Denkmälern, dagegen verwendeten die Sachsen ein deutsches Formenrepertoire und reichsdeutsche Bezüge.
Cristian Cercel analysiert die wenigen Darstellungen zur Deportation von Rumäniendeutschen zwischen 1945 und 1949 in der Presse der Siebenbürger Sachsen in der BRD in den 1950er und 1960er Jahren. Damals betonten Autoren in der „Siebenbürgischen Zeitung“ die Mitschuld der rumänischen Regierung, um die Aussiedlung der Rumäniendeutschen in die BRD als logische Folge erscheinen zu lassen. Die Landsmannschaft beschäftigte sich kaum mit den Opfern, die bei der Zwangsarbeit in der Sowjetunion zwischen 1945 und 1949 umkamen. Für sie war die Deportation vor allem ein Element der Lobbyarbeit für die „Familienzusammenführung“.
Florian Kührer-Wielach untersucht die Zeitschrift „Forschungen zur Volks- und Landeskunde“, die in Hermannstadt/Sibiu seit 1957 erschien. Im Vordergrund des Diskurses stand der „antifaschistische Kampf“. Es gab aber vor 1945 nur wenige deutsche Sozialdemokraten und Kommunisten in Rumänien. Daher wurden Autoren mit marxistischen Ideen aus dem 19. Jahrhundert hervorgehoben, wie etwa der Siebenbürger Friedrich Krasser. Seit den 1970er Jahren konnte auch über bürgerliche Politiker wie Hans Otto Roth berichtet werden, der 1953 im Gefängnis gestorben war. Schrittweise wurde zugestanden, dass die kollektive Bestrafung der deutschen Minderheit deren Integration behindert hatte. Die „Wiederaufbauarbeit“ der deportierten Rumäniendeutschen in der Sowjetunion wurde zu einem Prozess der Bekehrung umgedeutet.
Harald Heppner berichtet über ein Projekt, bei dem 65 Personen verschiedener Nationalitäten im ländlichen Raum des Banates von einem Team einheimischer Nachwuchskräfte nach ihrer Sicht der Zeitgeschichte befragt wurden. Für die meisten war Haus, Hof und Feld der zentrale Erinnerungshorizont.
Gesellschaftliche Entwicklungen nahmen sie wahr, wenn sie ihre unmittelbare Umgebung betrafen: etwa das veränderte Rollenbild der Geschlechter oder die starke Auswanderung der Deutschen nach 1990. Bei der bäuerlichen Bevölkerung war die Erinnerung damals nicht durch Medien geprägt, sondern durch orale Erzählungen in der Familie, am Wirtshaustisch oder bei Dorffesten.
Der Inhalt der fünf Beiträge zur Literaturwissenschaft lässt sich nicht in drei Sätzen zusammenfassen. Jürgen Lehmann gibt einen Überblick über die rumäniendeutsche Lyrik des späten 20. Jahrhunderts. Waldemar Fromm analysiert die Rezeption der „Siebenbürgischen Elegie“ von Adolf Meschendörfer. Markus May setzt sich mit Werken von Dieter Schlesak und Réka Sánta-Jakabházi mit denen von Franz Hodjak auseinander. Grazziella Predoiu untersucht die Inszenierung von Erinnerung und Gedächtnis in Herta Müllers „Atemschaukel“.
Die meisten Beiträge sind in einem flüssigen Stil verfasst und sollten nicht nur von Fachleuten gelesen werden.