Wenn man von einem Film mit dem Titel „Comoara“ (Der Schatz) hört und weiß, dass es sich dabei weder um einen jugendlichen Abenteuerfilm, noch um einen reißerischen Thriller oder um einen archäologischen Dokumentarfilm handelt, denkt man fast zwangsläufig an eine kinematografische Parabel: an eine Schatzsuche als Metapher im Stil eines gesellschaftlichen Lehrstücks, vergleichbar etwa den „Schatzgräber“-Balladen von Johann Wolfgang Goethe oder Gottfried August Bürger, in denen der zu findende Schatz einzig und allein in fleißiger und redlicher Arbeit besteht.
Nur zur Hälfte richtig läge man hierbei aber in Bezug auf Corneliu Porumboius neuesten Film, der vor Kurzem in die rumänischen Kinos kam, nachdem er beim diesjährigen Internationalen Filmfestival in Cannes bereits den Preis „Un Certain Talent“ in der Sparte „Un Certain Regard“ gewonnen hatte und mittlerweile auch beim Klausenburger Internationalen Filmfestival TIFF 2015 mit dem Preis für den besten rumänischen Spielfilm ausgezeichnet worden ist. Denn Porumboius preisgekrönter Film ist zwar eine Parabel, aber zugleich auch die, wenngleich wenig abenteuerhafte oder thrillerverdächtige Erzählung einer wirklichen Schatzsuche, die obendrein noch durch eine wundersame, geradezu märchenhafte Fügung von Erfolg gekrönt ist.
Doch zunächst einmal zur alltäglich scheinenden und dabei schier unglaublichen Handlung der rumänisch-französischen Koproduktion, die von den nationalen Kinozentren Rumäniens und Frankreichs, von Arte, Eurimages, HBO Rumänien, Nestlé und UPC Rumänien gefördert wurde! Eines Abends wird der Familienvater Costi (Toma Cuzin) dabei gestört, als er seinem Sohn aus einem bebilderten Buch die Geschichte von Robin Hood vorliest. Sein Nachbar Adrian (Adrian Purcărescu) ist an der Tür und möchte Geld von ihm leihen, damit er einen Metalldetektor mieten könne, um ein ererbtes Grundstück nach einem dort angeblich vergrabenen Schatz abzusuchen. Adrians Urgroßvater, der einer alten und reichen rumänischen Bojarenfamilie entstamme, habe kurz vor seinem Ableben seinen Urenkel mehr oder weniger deutlich von der Existenz dieses Schatzes in Kenntnis gesetzt.
Die beiden verschuldeten bzw. finanziell zumindest prekär dastehenden Familienväter machen sich daraufhin an einem Wochenende auf den Weg, wobei Costi wegen der während seiner Arbeitszeit unternommenen Recherche nach einem Metalldetektor von seinem Chef (Florin Kevorkian) vorher fast noch die Kündigung erhält, und begeben sich in das an der Mündung des Alt/Olt in die Donau gelegene Dorf Islaz. Dort warten sie auf Cornel (Corneliu Cozmei), der nach seiner Ankunft das Erbgrundstück mit einem computerisierten Detektor einscannt und es außerdem mit einem allerhand Geräusche von sich gebenden Metalldetektor Quadratdezimeter um Quadratdezimeter nach dem vermuteten Schatz absucht. Im Verlauf der Suche giften sich Adrian und Cornel zunehmend an, Costi versucht zu vermitteln, aber der unbarmherzig quietschende, brummende, piepsende und pfeifende Metalldetektor heizt die angespannte Atmosphäre nur noch mehr auf. Schließlich beginnen Adrian und Costi unter einem alten Baum zu graben, während Cornel mit Hilfe seines sirenenartig aufheulenden Detektors immer wieder geradezu litaneihaft bekräftigt: „Este!“ (Da ist was!).
Gegen Mitternacht verlässt der verärgerte Cornel, nachdem er zuvor für seine Dienste entlohnt worden ist, zusammen mit seinen musikalischen Suchinstrumenten die Grabungsstätte und die beiden Familienväter hacken und schaufeln daraufhin im einsamen Lichtschein einer Glühbirne weiter – und stoßen in etwa 2 Meter Tiefe tatsächlich auf eine verschlossene Metallkassette.
Da ihnen geeignete Werkzeuge fehlen, um die Kassette zu öffnen, beschließen sie, wieder nach Bukarest zurückzufahren, werden aber beim Verlassen des Grundstücks von einer nächtlichen Polizeistreife gestellt und, nachdem sie den Schatzfund gestanden haben, auf die örtliche Polizeiwache gebracht. Ein herbeigerufener Meisterdieb öffnet das metallene Schatzkästchen, dessen einzelne Fächer sich freilich allesamt als leer erweisen, mit einer einzigen Ausnahme. Aus dem Geheimfach des Deckels wird ein Packen Papier zutage gefördert: 150 Mercedes-Aktien aus dem Jahre 1960 mit einem Nennwert von je 1000 Mark. Da der Schatz – es handelt sich ja um bundesdeutsche Aktien – nicht dem rumänischen Staatseigentum zuzurechnen ist, dürfen Adrian und Costi die Aktien mit nach Hause nehmen.
In Bukarest stellen sie fest, dass sich der Kurswert der ausgegrabenen Aktien auf insgesamt weit über eine Million Euro beläuft. In der Schlusssequenz des Films sieht man Costi, wie er in einem teuren Juweliergeschäft verschiedene Schmuck-stücke für einen fünfstelligen Betrag einkauft, diese aber nicht, wie man als Zuschauer zunächst erwartet, seiner Ehefrau verehrt, sondern sie seinem Sohn und dessen Spielkameraden auf einem Kinderspielplatz stolz in besagter rostiger Metallkassette präsentiert, als Robin Hoodscher Märchenheld im Rumänien der aktuellen Gegenwart.
Corneliu Porumboiu, der auch das Drehbuch zu seinem Schatzgräber-Film verfasst hat, erzählt die Story durchweg unterkühlt, distanziert, verhalten, ja fast beiläufig und unbeteiligt, wobei das Understatement des Regisseurs nicht wenig zum Humor des Filmgeschehens beiträgt, insbesondere in der Grundstücksszene, wo die verschiedenen Geräusche des Metalldetektors im Gelächter der Zuschauer manches Mal fast untergehen. Auch die bereits genannten Schauspieler tragen durch ihre distanzierte, episch-theatralische, gleichsam zeigende Spielweise zum Genuss dieses Spielfilms bei: allen voran Toma Cuzin, der schon in Radu Judes „Aferim!“ als Carfin begeistert hatte, aber auch Adrian Purcărescu und der ins Protagonistentrio sich exzellent einfügende Amateurschauspieler Corneliu Cozmei.
Der größte Gewinn des Films besteht aber darin, dass er – quasi unter dem Goetheschen „Schatzgräber“-Motto „Armut ist die größte Plage, Reichtum ist das höchste Gut!“ – fast unmerklich einen archäologischen Längsschnitt durch die rumänische Geschichte zieht, und zwar von den Anfängen bis zur aktuellen Gegenwart. In Islaz sind Spuren römischer Bauten erhalten und an diesem Ort wurde auch ein Schatz altrömischer Silberdenare gefunden. Ebendort begann, mit der „Proklamation von Islaz“ vom 8. Juni 1848, die bürgerliche Revolution in Rumänien. Und im Schicksal des Filmgrundstücks in Islaz widerspiegelt sich die gesamte neuere rumänische Geschichte: von der Enteignung durch die Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Rückgabe nationalisierten Eigentums nach der Wende. Dass die Schatzgräber einen kapitalistischen Schatz heben, der seinerzeit von den Kommunisten vergraben wurde, ist nicht die einzige Ironie dieses sehenswerten humoristischen Filmdramas, von dessen Art man sich unter der Regie Corneliu Porumboius noch etliche mehr erhofft.