Korbflechten gehört zu den ältesten Handwerkstechniken der Menschheit. Schon vor 100.000 Jahren wurde geflochten. Das organische Material ist zwar nicht erhalten geblieben, aber die Abdrücke in Lehm und Ton sind noch sichtbar. Heute erfreut sich das Handwerk wieder zunehmender Beachtung. Eine internationale Musterregion für den Bereich Handwerk und Manufaktur ist das Waldviertel in Niederösterreich. Nebst Holz-, Glas-, Textil- und Steinmanufakturen ist die Korbflechter-Werkstätte in Schönbach Teil des „Erlebnismuseumsvereins Schönbach“.
Für die Flechtarbeiten erwiesen sich die geschmeidigen Ruten der Weiden als besonders geeignet, zudem war das Material weit verbreitet und über Stecklinge leicht zu vermehren. Die Weiden gedeihen gut an Bächen, wo früher auch die Menschen ideale Lebensbedingungen vorfanden. Diverse Weidenarten bieten unterschiedliches Material für mannigfache Werkstücke. Die Korbweide hat die zähesten Ruten, die der Mandelweide sind beson-ders biegsam, die Purpurweide hat dünne, zähe Ruten – wie der Name schließen lässt, von schöner roter Farbe –, die Silberweide ist die am weitesten verbreitete Kopfweide. Ihre Ruten werden jährlich geschnitten, dadurch entstehen die charakteristischen verdickten Stammenden. Alle Weidenruten können geschält oder ungeschält verarbeitet werden. Wenn man sie nach dem Schälen kocht, bekommen sie eine rote Farbe – je länger man kocht, desto roter werden sie. Mit den verschiedenen Farbschattierungen lassen sich reizvolle Muster gestalten. Im Winter, wenn die Bäume nicht im Saft stehen, werden die Ruten geschnitten und verarbeitet. Dies war für die Bauern eine willkommene Winterarbeit, mit der sich ein Zubrot verdienen ließ.
Außer aus Weiden lassen sich auch die Ruten anderer Hölzer flechten, Hasel- und Birkenruten, Ahorn, Kastanien oder die vom Roten Hartriegel; manche werden dazu noch gespalten. Auch aus Fichtenwurzeln von freistehenden Bäumen wurde früher geflochten. Diese sind besonders haltbar, jedoch sind die bis 16 Meter langen Wurzeln mühsam zu gewinnen und werden heute kaum mehr verwendet. Geflochten wird auch aus Spänen, besonders aus Eschenholz. Dazu werden aus einem zwei Meter langen Holzblock Stäbe geschnitten und mit dem Hammer entlang der Jahresringe zu Bändern geklopft. Zuletzt fein gehobelt, werden sie nun zu Körben aller Art verarbeitet, besonders zu Simperln: halbrunde Körbe mit eingearbeiteten Griffen, für den Transport von Brot, Heu und Holzscheiten geeignet.
Eine Flechtarbeit, die ebenfalls langsam am Aussterben ist, ist die Strohflechterei. Dazu werden aus Stroh gedrehte Stränge mit Peddigrohr aneinandergefügt. Verwendung findet ein Korb in Form eines Kugelsegments als Gärkörbchen: wenn der Brotteig gleichmäßig aufgehen soll, wird er zum Rasten in ein solches Simperl gelegt und nachher in den Backofen geschoben – natürlich ohne Simperl … Da aber Stroh durch die maschinelle Erntearbeit jetzt vielfach geknickt und zerrissen wird, ist das Rohmaterial selten geworden.
Vielerlei Verwendung
Auf welch lange Geschichte das Korbflechten zurückverfolgt werden kann, ist schon aus der Bibel zu ersehen: Der neugeborene Moses wurde in einem Binsenkörbchen den Nil hinuntergeschickt und hat es offenbar gut überstanden. Krieger haben ihre geflochtenen Schilde mit Leder überzogen und waren im Nahkampf ausreichend geschützt.
Der Waldviertler Erdäpfelkorb hat einen eingezogenen Lattenboden, durch den die Erdreste auf den Korbboden fallen. Die Wa-chauer Zistel dient zur Marillenernte, es ist ein spitz zulaufender Korb, in dem sich der Druck der schweren Früchte besser verteilt, wodurch sie weniger gequetscht werden. Ein richtiger Schwammerlsucher wird immer mit einem Korb losziehen. Man kann den Pilzen förmlich ansehen, wie sie sich in einem Weidenkorb wohlig räkeln, während sie in einem Plastikbehälter beleidigt sind und schnell verderben. Stubenwagen und Puppenwagen, dekorative Figuren aller Art – es gibt eigentlich keine Formen, die ein geschickter Korbflechter nicht flechten könnte. Im Wald- und Mühlviertel war wenig Geld da, um die benötigten Arbeitskörbe zu kaufen, daher stellten die Bauern sie selbst her. Das Wissen um die richtigen Pflanzen wurde von Generation zu Generation weitergegeben, starke Hände waren notwendig, sowie die Erfahrung mit den verschiedenen Flechttechniken. So entstanden Körbe, die oft Generationen überdauerten und bei Bedarf auch repariert werden konnten.
Die Städte wurden vom Land aus mit Körben beliefert. Korbmacher siedelten sich schließlich auch in der Stadt an, während die ländlichen Wanderkorbmacher vielfach vor Ort auf der Stör ihre günstigeren Körbe erzeugten und dann weiterzogen. Korbflechten wurde ein Lehrberuf, es wurden Korbmacherzünfte gegründet und 1908 entstand in Wien eine Lehr- und Versuchsanstalt für Korbflechterei. In der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde das Gewerbe staatlich gefördert, um den Eigenbedarf zu decken und den Export ins Ausland voranzutreiben. Mit dem Aufkommen von Plastikmaterial drohte die Korbmacherkunst jedoch auszusterben, und erst in letzter Zeit darf sie durch weitblickende Personen wieder vermehrte Wertschätzung erfahren.
Die Wieder-entdeckung des Handwerks
Dass sich das Waldviertel zu einer internationalen Musterregion für den Bereich Handwerk und Manufaktur entwickelt hat, geht auf den visionären Pionier Adi Kastner (1939–2011) zurück, Direktor der Landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof in Zwettl, Gründer des Waldviertel-Managements (1982) und Landesbeauftragter für das Waldviertel. Holz, als das bodenständige Material im Waldviertel, war eines seiner großen Anliegen. „Mr. Waldviertel“ verstand es, kongeniale Mitarbeiter zu gewinnen und für nachhaltige Initiativen zu begeistern. Ein langjähriger Mitarbeiter aus der „Schule Adi Kastner“ ist Franz Höfer (geb. 6. Mai 1966 in Wien), gelernter Kaufmann und zum Tourismusmanager weitergebildet, Initiator und Obmann des „Erlebnismuseumsvereins Schönbach“ sowie Sprecher für die achtzehn Mitgliedsbetriebe der ARGE „Handwerk und Manufaktur im Waldviertel“.
Eine dieser Manufakturen – nebst Holz-, Glas-, Textil- und Steinmanufakturen – ist die Korbflechter-Werkstätte in Schönbach. Am 1. Januar 2007 konnte Franz Höfer das geschichtsträchtige Gebäude des ehemaligen Hieronymitaner-Klosters von der Gemeinde übernehmen. Die Rappottensteiner Gräfin Margarethe Strattmann von Abensberg-Traun hatte 1698 das Kloster in Schönbach gegründet, das von Joseph II. 1790 aufgehoben, aber bis 1828 von Mönchen bewohnt wurde. 1878 ging das Gebäude an die Gemeinde und wurde zu einem Schulhaus umgebaut, daher heißt es jetzt in würdiger Fortsetzung „Kloster-Schul-Werkstätten Schönbach“. Franz Höfer führt mit acht Mitarbeiterinnen zwei gewerbliche Manufakturen, die Korbflechterei und die Seifensiederei, deren Produkte im hauseigenen Klosterladen verkauft werden. In jüngster Zeit ist die Zusammenarbeit mit Mag. Thomas Pöchtrager entstanden, der bei seinem Sozialeinsatz in Rumänien Kontakte mit Roma-siedlungen schließen konnte und wertvolle Einblicke in alte Handwerkstechniken bekam. Die Produkte werden teilweise auch übernommen. Einen Eindruck bekommt man, wenn man sich die etwa 700 Körbe verschiedener Sorten und Größen im Verkaufsraum anschaut. In Schönbach werden in der Zeit von Januar bis März als Schwerpunkt bis 600 Zisteln und 250 Erdäpfelkörbe geflochten. Seit zehn Jahren wird der Kontakt mit den in ganz Europa noch bestehenden 120 Korbflechtern gepflegt und als Europa-Projekt geführt. Die Produkte werden untereinander ausgetauscht, weil es wenig effizient wäre, wenn jeder von allen Korbtypen einige wenige macht. Schließlich muss der Betrieb zwar nicht gewinnbringend, aber kostendeckend arbeiten. Verschiedene Anlässe im Laufe des Jahres machen einen mehrmaligen Besuch interessant. So gibt es vor Ostern eine große Anzahl Speisenweihekörbchen zu kaufen, und geflochtene Ostereier in drei Größen lassen sich dekorativ österlich bestücken. Bei den Pflanz- und Blumentagen Mitte Mai können die Gäste aus einer großen Zahl von Pflanzkörben wählen und gleich vom Gärtnermeister vor Ort fachmännisch bepflanzen lassen. Neben dem starken Tagestourismus im Waldviertel und kleineren regionalen Veranstaltungen der Kloster-Schul-Werkstätten Schönbach, fand etwa im August 2021 schon zum zehnten Mal das XL Handwerksfest statt, das sich auch über Corona-Zeiten retten konnte, und in Verbindung mit dem Sonnentor-Kräuterfest und dem Großkirtag Grainbrunn steht. Beim Kriecherlfest im September tun sich die Genussregion „Waldviertler Kriecherl“, die Marktgemeinde Schönbach, Vereine und Gastronomie beim Michaelikirtag zusammen, der zu einem Waldviertler Feiertag für Jung und Alt wurde. Um die Leute auch gastronomisch betreuen zu können, hat Franz Höfer die notwendige Konzession erworben. Wenn dann Ende Dezember das ganze umfängliche Jahresprogramm bewältigt ist, kommt ein letzter Höhepunkt des Jahres: die Dorfweihnacht Schönbach mit einem breiten Rahmenprogramm aus ganz Niederösterreich und der Adventmarkt Mitte Dezember. Im weihnachtlich beleuchteten Korbgarten finden sich nun nebst dem vielfältigen Angebot an Körben auch das Weihnachtsangebot: geflochtene Sterne und Christbäume in verschiedenen Größen. Christbäume, die garantiert nicht nadeln, die ganz individuell geschmückt werden können und viele Jahre halten. Etwas Besonderes hat Schönbach noch anzubieten, nämlich die Reparatur von Thonet-Sesseln. Damit ist man der einzige Betrieb in Niederösterreich, der gewerblich Thonet-Sessel restauriert.
Das große, zentrale Anliegen von Franz Höfer ist, das jahrhundertealte Handwerk des Korbflechtens zu erhalten. Darauf richtet sich alles aus, und dazu bietet die Werkstätte auch dreißig verschiedene Kurse an. In Schönbach ist es der Basiskurs für Korbflechten, er setzt sich fort mit Kursen in St. Andrä-Wördern, weiter in Gmunden und Innsbruck. In Österreich ist Korbflechten kein Lehrberuf mehr, 2011 wurde die letzte Lehrabschlussprüfung abgenommen. Heute kann die Gesellenprüfung im Korbflechterzentrum in Lichtenfels in Deutschland, in der einzigen staatlichen Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung, abgelegt werden. So bleibt das Korbflechterhandwerk mit seiner langen europäischen Tradition erhalten. Es ist tief verwurzelt in der Natur und für kulturellen Glanz sorgen die vielen kunstvollen Kreationen aus natürlichem Material, die den Alltag nachhaltig verschönern – Franz Höfer mit seinem Lebenswerk Schönbach hat seinen Anteil daran.