Am 31. Mai dieses Jahres feierte Tudor Giurgius jüngster Spielfilm „Parking“ nach dem autobiografischen Roman „Apropierea“ (Die Annäherung) des rumänischen Schriftstellers Marin Mălaicu-Hondrari beim Internationalen Filmfestival TIFF in Klausenburg/Cluj-Napoca seine Weltpremiere. Seit Kurzem steht die Verfilmung dieses Bestsellers aus dem Jahre 2010 auch auf den Programmen der rumänischen Lichtspieltheater.
Sieht man einen Film, dessen Handlung höchst verwickelt ist und deren zahlreichen Wendungen man als Zuschauer kaum folgen kann, dann liegt oft der Schluss nahe, es müsse sich wohl um eine Literaturverfilmung handeln. Aber auch im umgekehrten Fall, wenn auf der Leinwand denkbar wenig passiert und der Protagonist in seinen Reflexionen und Stimmungszuständen zu versinken droht, drängt sich dem Kinobesucher schließlich derselbe Verdacht auf, der sich beim Betrachten des jüngsten Filmes von Tudor Giurgiu denn auch schnell bewahrheitet.
Der junge rumänische Emigrant Adrian (Mihai Smarandache) hat seine momentane und höchst prekäre Bleibe in einem Wohnwagen auf einem Parkplatz in der Nähe der spanischen Stadt Córdoba. Dort bewacht er für einen Hungerlohn Gebrauchtwagen der Ober- und Luxusklasse, die er für seinen zwielichtigen Chef gelegentlich in andere Städte Spaniens überführt. Ansonsten hängt er seinen Gedanken nach, die ihn in seine Heimat Rumänien tragen, wo seine Frau auf ihn wartet, oder er beschäftigt sich mit spanischer Literatur, die ihn fasziniert und die ihm bei seinen eigenen Schreibversuchen in rumänischer Sprache offenbar hilft.
Eines Nachts schlagen die Hunde an und Adrian glaubt, Diebe seien dabei, den ihm von seinem Chef zur Bewachung besonders ans Herz gelegten Porsche Cayenne zu stehlen. Es sind aber nur, wie sich bald herausstellt, Landsleute Adrians aus Teleorman, die Konterbande in einen Transporter verladen und ihrem Landsmann, weil er so hübsch stillhält, auch ein Päckchen mit Schmuggelware über den Zaun werfen. Darin finden sich CDs einer Musikgruppe, und just dieser Band begegnet Adrian bei seinem nächsten Autotransport, der ihn ans Gestade des Mittelmeers führt. Am nächtlichen Strand und in den Wellen des Meeres spinnt sich eine Liebesgeschichte zu Mercedes (Ariadna Gil) an, der Gitarristin der Band, die allerdings bereits einen festen Partner hat, einen älteren Mann, der sie eifersüchtig bewacht.
Zwischen Autos, die auf ihren Verkauf und Abtransport warten, zwischen Manuskriptheften, in die Adrian seine poetischen Elukubrationen einträgt, zwischen Gesprächen, die er mit seinem Chef Rafael (Luis Bermejo) und dessen Frau María (Belén Cuesta) führt, gleiten die Tage Adrians dahin, bis eines schönen Morgens Mercedes auf dem Parkplatz erscheint und die Idylle der Liebe am Ort der Misere ihren Fortgang nimmt.
Dann taucht eines Tages unerwartet auch Adrians Ehefrau Cristina (Carmen Florescu) auf, mit Krautwickeln und anderen rumänischen Nationalspeisen im Gepäck, woraufhin Mercedes wutschnaubend davonstürmt und Adrian, weil Cristina sich eine Zweitfrau nicht bieten lässt, bald wieder ganz allein ist, seelisch getröstet von María, die ihn bewundert und seinen Geschichten von Mowgli und dem Lachs andächtig lauscht.
María übergibt ihm eines Tages auch ein Paket aus Rumänien, in dem sich ein einzelnes Buch befindet: Adrians erstes schriftstellerisches Werk. Freunde aus Rumänien hatten Adrians literarische Aufzeichnungen ohne sein Wissen einem Verlag übergeben, der sie dann gedruckt und veröffentlicht hat. Doch dieses literarische Ferndebüt genügt nicht, um Adrian in seine rumänische Heimat aufbrechen zu lassen, die immer wieder mittels 8-mm-Schmalfilmbildern in Tudor Giurgius Streifen präsent ist. Denn Adrians Liebe gilt der spanischen Literatur und der surrealistischen Kunst, die etwa mit Gemälden von Leonora Carrington Adrians Phantasie erobert. So treten im Schmalfilmformat Gestalten aus Carringtons Bildern auch in Adrians rumänischem Heimatort Sângeorz-B²i auf, etwa im verfallenen Schwimmbad des Hotels „Hebe“.
Man würde den Plot von Tudor Giurgius „Parking“ nicht nur als gewollt und übermäßig konstruiert, sondern auch als symbolisch überfrachtet und letztlich als unglaubwürdig charakterisieren, wüsste man nicht, dass er die Lebensgeschichte des Autors der literarischen Vorlage des Films, Marin Mălaicu-Hondrari, mehr oder weniger getreu nacherzählt. Der 1971 im nordrumänischen Sângeorz-Băi geborene Dichter, Prosaschriftsteller und Übersetzer lebte von 2002 bis 2007 im spanischen Córdoba, wo er seinen Lebensunterhalt u. a. als Wachmann, Chauffeur und Gärtnergehilfe verdiente. Er erlernte dort die spanische Sprache und übersetzte später spanischsprachige Werke von Mario Vargas Llosa, Enrique Nogueras, Luis Landero und Care Santos ins Rumänische. Seinen ersten rumänischen Gedichtband „Zborul femeii pe deasupra b²rbatului“ (Der Flug der Frau über dem Mann), der 2004 erschien und für den er den Debütpreis der Rumänischen Schriftstellervereinigung erhielt, schrieb er in Spanien, und mit einem Buch dieses Titels brüstet sich auch die Filmfigur Adrian, das kinematografische Alter Ego von Marin Mălaicu-Hondrari.
Vieles aus dem Roman „Apropierea“ hat Tudor Giurgiu, von dem auch das Drehbuch zu „Parking“ stammt, weggelassen. So muss der Kinobesucher etwa auf die lesbische Vanessa und ihren florierenden Handel mit gefälschtem Parfüm verzichten. Dafür wird im Film alles symbolisch noch mehr überfrachtet. Die Maria des Romans erhält den Automarkennamen Mercedes verpasst, die metaphorisch sozusagen eine Weile bei Adrian parkt. Der Parkplatz wird zum bedeutungsschwangeren Sinnbild der Existenz des Migranten Adrian, der denn am Ende auch, vorbei an brennenden Autowracks, im nun mobil gewordenen Wohnwagen mit der schließlich doch wieder zu ihm zurückgekehrten Mercedes den Schauplatz des Geschehens verlässt, auf dem Weg nach Rumänien, oder zu spanischen Freunden oder ins Nirgendwo.
Anrührende Passagen gelingen dem größtenteils spanischsprachigen und (bis auf die rumänischen Sequenzen) rumänisch untertitelten Film in den Szenen, in denen das Leid des Migranten, sein Schmerz und seine Verwundbarkeit, zum Ausdruck kommen. Auch die Gewaltszenen, die die Bedrohtheit der Migrantenexistenz in einem fremden Land zur Darstellung bringen, sind unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen. Der Protagonist Adrian, der über seine rumänische Ehefrau sagt, sie sei „nada, nada“ (nichts, nichts), fährt schlussendlich, mit diesem Potenzial der Zerstörung und Annihilation in sich, neuen Aufenthaltsorten entgegen, und am Ende bleibt die Frage, ob er jene neuen Ziele nicht irgendwann ebenso hinter sich lassen wird wie seinen Geburtsort, den heimatlichen Kurort Sângeorz-Băi im Norden Rumäniens.