Die Rumänen sind gemeinhin stolz auf ihre römischen Wurzeln. Ein eigenes archäologisches Museum sucht man in Bukarest jedoch vergeblich. Zwar können im Lapidarium und der Schatzkammer des Nationalen Geschichtsmuseums in Bukarest einige antike Originale bewundert werden, aber die eigentliche Neuorganisation der Dauerausstellung steht noch aus .
Dies war nicht immer so. Im Gegenteil. Eigentlich besitzt das „Museum für Altertümer” eine über 150-jährige Tradition, als „Museum für Naturkunde und Antike” reichen die Anfänge sogar bis in das Jahr 1834 zurück. Da trifft es sich gut, dass sich das Institut für Archäologie „Vasile Pârvan” als Nachfolgeorganisation mit dem städtischen Museum „George Severeanu”, wie auch dem Geschichtsmuseum in Konstanza und der Fakultät für Geschichte der Universität Bukarest zusammengeschlossen hat, um uns die Anfänge der rumänischen Archäologie in einer kleinen, aber feinen Jubiläumsausstellung in den Räumen der wunderschön restaurierten Villa von George Severeanu, in der Henri-Coand²-Straße 26, zu präsentieren.
George Severeanu war ein bedeutender Arzt und der erste Radiologe Rumäniens. Entsprechend den Gepflogenheiten des gehobenen Bürgertums um 1900 widmete er sich intensiv der Erforschung der Antike und vermachte seine bedeutende Sammlung archäologischer Funde sowie seine einzigartige Münzkollektion auch im Namen seiner Frau Maria der Stadt Bukarest.
Geleitet wurden die Kuratoren der Ausstellung vielleicht von dem Vorbild der „Enlightment Gallery” im British Museum, London. Hier wurde auf opulenteste Weise die Geschichte des Museums selbst in den prachtvoll restaurierten Räumen der „King’s Library” inszeniert. Im Sinne fürstlicher Schatz- und Kuriositätenkabinette finden sich gefälschte, teils absurde Funde ebenso wie die Belege erster systematischer Archivierung und Forschung.
Das Bestreben der Kuratoren im Severeanu-Museum scheint all diesen Aspekten Rechnung zu tragen. So wird hier die innenarchitektonische Ausstattung der historischen Räume in die Gestaltung der Ausstellung miteinbezogen. Wände werden nicht einfach mit Schautafeln zugestellt, sondern die Wandverzierung als Rahmung der eigenen Exponate genutzt. Einige Antiken werden offen auf Podesten präsentiert, Tischvitrinen in die Mitte des Raumes gesetzt und Schautafeln durch Fenster und Durchblicke aufgelockert.
Gedanken der Aufklärung, aber auch des Historismus und der Suche nach nationaler Identität beflügelten die ersten Pioniere in Rumänien gleichermaßen, ihre privaten Sammlungen der Allgemeinheit durch ein staatliches Museum zugänglich zu machen. So bildeten die Schenkungen hochgestellter Persönlichkeiten, wie dem walachischen Bojaren Mihalache Ghica 1834, den Grundstock des wenig später gegründeten Museums für Naturkunde und Altertümer mit dem ersten Kurator Carol Wallenstein de Vella.
Von Beginn an bestand ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Errichtung eines Museums und der staatlichen Kontrolle mittels eines Denkmalschutzgesetzes, das Fundregister, Ausgrabungen und die Konservierung der Altertümer regelte.
Zunächst jedoch beherbergte das Museum Fossilien, Feuersteinäxte aus Skandinavien oder ägyptische Statuetten, antike Marmorbüsten oder griechische Keramiken, die, bisweilen durch Kauf erworben oder bei Exkursionen über Land aufgelesen, eher in einem exotischen Nebeneinander existierten. Demonstriert wird dies in der Ausstellung mit einer exemplarischen Auswahl, in der all diese unterschiedlichen Gattungen aus den verschiedensten Regionen und Epochen einmal in einer Vitrine zu bewundern sind.
Gleich daneben können aber auch schon ordnende Tendenzen verfolgt werden. Da die alten Sammlungen häufig keinerlei Auskünfte über Fundort oder Fundzusammenhang bieten, können viele Objekte nur als kunsthistorische Gattung, z. B. als griechische geometrische oder attische rotfigurige Vasen, präsentiert werden. Stellvertretend für den numismatischen Bereich zeigen Tischvitrinen Tetradrachmen oder Münzen der römischen Kaiserzeit aus der Sammlung George und Maria Severeanu, die den alten griechischen Kolonien Callatis (Mangalia) oder dem antiken Tomis, dem späteren Konstanza und Verbannungsort des römischen Dichters Ovid, entstammen.
Als schließlich General Nicolae Mavros um 1862 ankündigte, ebenfalls seine reichhaltige Kollektion von über 4000 Münzen, antiken Vasen etc. stiften zu wollen, führte dies zur Teilung und Neugründung zweier Museen, dem naturwissenschaftlich geprägten, heute Antipa-Museum, und dem Nationalen Museum für Altertümer der Stadt Bukarest, heute: Archäologisches Institut „Vasile Pârvan”. Die Leitung des Museums wurde einer archäologischen Kommission übertragen, deren Vorsitz Nicolae Mavros selbst übernahm. Gegliedert ist es in vier Abteilungen: Numismatik und Heraldik, allgemeine Geschichte, rumänische Geschichte mit einer mittelalterlich-kirchlichen Unterabteilung und nach wie vor einer Abteilung für Kuriositäten.
Exemplarisch für den Stellenwert der Archäologie in der rumänischen Gesellschaft erzählt die Ausstellung, versehen mit reichem Fotomaterial, die abenteuerliche Fundgeschichte des gotischen Gold-Schatzes von Pietroasa (Buzău), bekannt unter dem Namen: „Cloşca cu puii de aur - Die Henne mit den goldenen Küken“, nun ein Prunkstück der Schatzkammer des Nationalen Geschichtsmuseums. Dieser Fund bildete das Kernstück der rumänischen Präsentation auf der Weltausstellung in Paris 1867 in aufwendig, eigens für diese Ausstellung konzipierten Vitrinen. Bereits kurz nach seiner Entdeckung 1837 verschwanden 10 der ursprünglich 22 entdeckten Objekte. Von seiner Tournee durch Europa – neben Paris wurde er auch noch in London präsentiert – kehrte er 1872, zumindest vorläufig, in das Museum in Bukarest zurück.
Neben den abenteuerlichen Geschichten über berühmte Schatzfunde stehen jedoch auch ihre Entdecker, das heißt die Generation der frühen Archäologen im Fokus der Ausstellung. Alexandru Odobescu, eigentlich Autor, Politiker und laut Katalog zur Weltausstellung „leidenschaftlicher Archäologe”, erkannte früh den Wert des Schatzes von Pietroasa und war hauptverantwortlich für seine Präsentation und wissenschaftliche Publikation.
Eine regelrechte akademische Ausbildung zum Archäologen entwickelte sich in Rumänien erst allmählich. Mitunter waren es schillernde Persönlichkeiten wie der Schriftsteller, Lebemann und Kunstliebhaber Odobescu oder der Journalist, Poet und in seiner Jugend radikale Revolutionär Cezar Bolliac, die ihre Kunstleidenschaft oder auch ihr glühender Patriotismus zur Beschäftigung mit der Archäologie trieb. Abgesehen von ihren persönlichen Verstrickungen und Verfehlungen ist in diesem Zusammenhang vor allem ihr Disput bezüglich der generellen Auffassung zur Archäologie interessant.
Während Odobescu sich mehr mit der stilistischen Analyse oder den literarischen Quellen befasste, um Funde richtig einordnen zu können, beschritt Bolliac einen praktischen Weg. Seine Exkursionen und Feldbegehungen, meist auf der Suche nach den ersten Dakern (C. Bolliac, „Ceramica Daciei. Câmpul morţilor de la Zimnicea”, „Trompeta” 1874), führten immer mehr zu systematischen Ausgrabungen, die er auch dokumentierte. 1874 avancierte er zum Direktor des Museums.
Die meisten antiken Fundorte der Dobrudscha zwischen Donau und Schwarzmeerküste waren schon länger bekannt, so das Tropaeum Traiani bei Adamclisi, ein Siegesdenkmal Trajans in seinem Kampf gegen die Daker, das sich nicht nur in Gipsabgüssen, sondern auch heute im Original vor Ort bewundern lässt. Um seine Erforschung machte sich vor allem Grigorie G. Tocilescu verdient, ebenfalls ab 1881 Museumsdirektor. Vielen gilt er als Vater der modernen rumänischen Archäologie, dessen wissenschaftliche Anstrengungen auch von so berühmten Historikern wie Theodor Mommsen oder Adolf Furtwängler anerkannt wurden.
Im Unterschied zum ersten Ausstellungsraum verschiebt sich nun das Schwergewicht deutlich von dem Aspekt der mehr kunstästhetischen Betrachtung zur Dokumentation verschiedener bedeutender Fundorte. Vasile Pârvan – nicht umsonst wurde nach ihm das heutige archäologische Institut benannt – steht hier im Mittelpunkt, als Ausgräber der Festung Ulmetum, mehr noch für seine bahnbrechenden Arbeiten seit 1915 in der berühmten griechischen Kolonie Histria, wo Pârvan erstmals für die lokalen Funde ein eigenes Museum einrichtete.
Neben vielen alten, teils kuriosen Grabungsfotos, die an sich schon wieder zeithistorischen Wert besitzen, beeindrucken die frühen Zeichnungen, Pläne und Skizzen von Befunden, die belegen, wie sich die Wissenschaft langsam wandelt. Die Funde stehen hier nicht im Mittelpunkt , sondern gliedern sich in die Gesamtdokumentation ein, werden in kleinen Vitrinen dazwischengesetzt.
An vielen dieser antiken Fundorte wie Callatis, Histria oder Axiopolis, um nur einige wenige zu nennen, geht die Forschung bis zum heutigen Tage weiter. Auch wenn die Tafeln beinahe durchweg nur in rumänischer Sprache beschriftet sind, lässt sich anhand des Bildmaterials und der Fülle der Marmor-, Keramik- und Metallfunde mühelos ein Bild von dieser archäologisch so reichen und ansonsten im öffentlichen Leben beinahe unbeachteten Kulturlandschaft gewinnen.
Die Ausstellung ist täglich von 10-18 Uhr bis zum 30. Juni 2015 geöffnet.