Stünde ich vor der Wahl, ein Menschenlos wie jenes des Schäßburgers Wilhelm Fabini zu charakterisieren, indem ich biografische Etappen abginge oder die gesellschaftlichen Bindungen beleuchtete oder versuchte, die künstlerischen Linien nachzuzeichnen, entschiede ich mich ohne Zögern für den dritten Weg. Denn die Arbeiten des Bildhauers und Kunsthandwerkers gestatteten mir – so meine Annahme und mein Vorsatz –, einiges vom Wesen und Wirken des allzu wenig bekannten Zeitgenossen zu verdeutlichen. Bei der Durchsicht dokumentarischer Sammlungen, etwa der Mappen des Siebenbürgisch-deutschen Künstlerarchivs (Hermannstadt/Sibiu), beim Blättern in periodischen Schriften, unter anderen in den Schäßburger Nachrichten, wie auch im Gespräch mit Leuten, denen Wilhelm Fabini ein Begriff ist, stellte ich allerdings bald fest, dass künstlerische Gestaltung in seinem Fall nur schwer von den Umständen seines Lebens und von den vielfachen gesellschaftlichen Tätigkeiten zu trennen ist, auf die er sich, stets hilfsbereit und verantwortungsbewusst, eingelassen hat.
Dennoch: der Vorrang mag der Kunst eingeräumt werden! Und so seien Lebenslauf und Momente sozialen Handelns nur in gedrängter Form vorgebracht. Wilhelm Fabini kam am 29. Februar 1936 in Kronstadt/Braşov zur Welt, und hier hat er, nach Kindheitsjahren in Buşteni, die Oberschule besucht (Abitur 1953) und ein technisches Studium begonnen. Die Neigung zur bildenden Kunst war indes stärker als der Zug zur Mechanik, und so studierte er Bildhauerei in Klausenburg/Cluj (1957-1963). In der Schäßburger Fayence-Fabrik arbeitete er sechs Jahre im Entwurfsbüro (als „Produktgestalter“, Designer), worauf er sich als Kunsterzieher betätigte: Fabini war Dozent an der Volksschule für Kunst und leitete Keramikzirkel der kleineren und größeren Schüler. Im Lauf der letzten Jahre hat er sich verstärkt kunstgeschichtlichen Erhebungen und auch der Ausstellung von Schäßburger Kulturgut gewidmet. Eine stabile Ehe, mit Ortrun Fabini, geborenen Roth (lange Zeit in der Fayence-Fabrik als leitende Ingenieurin tätig), eine nach Möglichkeit auf harmonische Töne eingestellte Kindererziehung bestimmten das Familienleben. Kirchliche Ämter (er war Mitglied des Bezirkskonsistoriums und der Gemeindevertretung) und Obliegenheiten in der weltlichen Gemeinde (in Ausschüssen des Demokratischen Forums und als Nachbarvater) erfüllte er mit viel Engagement.
Künstlerischer Werdegang
Während der Jahre seiner künstlerischen Ausbildung wurde Fabinis Formsinn entwickelt und zwar, seiner aufs Maßvolle, aufs Gemessene gegründeten Begabung entsprechend, besonders in Richtung des Dekorativen gelenkt. Außerdem erwarb er umfassende Kenntnisse über all die Materialien, mit denen ein Bildner zu Werk geht. Thematisch hielt er sich ans Repertoire einer von ideologischen Parolen unbeeinflussten Aussage, von Beginn an fanden der Naturausschnitt, die Eigenheiten kreatürlicher Lebenswelt, das aufs Wesentliche gerichtete Menschenbild in ihm einen aufmerksamen Betrachter und umsichtigen Gestalter. Künstlerische Anleitung verdankte er schon in Kronstadt dem Lyzealprofessor und Grafiker Helfried Weiß sowie der (von dem wissbegierigen Jugendlichen aus eigenem Antrieb aufgesuchten) Bildhauerin Margarete Depner. An der Kunsthochschule in Klausenburg gehörten zu seinen Lehrmeistern der Bildhauer Romulus Ladea und der auf Holzskulptur spezialisierte Jenö Szervatiusz. Das dem Studium folgende Jahrzehnt, also etwa die Zeitspanne 1963-1973, nutzte er, um die in Klausenburg gewonnenen Erfahrungen anzuwenden und zu vertiefen. Wir stoßen in seinem Werkverzeichnis auf die von Kunstakademien gerne aufgegriffenen Motive wie Vogel Phönix, Ikarus (bei Fabini Stürzender Ikarus), Don Quijote (Einsamer Ritter) und erkennen als Proprium der Plastiken die weitgeführte Stilisierung der Form. Bezeichnend ist auch, dass er eine Folge von Holzreliefs als Etüden betitelte, als Studien, die ebenfalls auf Hauptlinien konzentriert sind und alle beiläufigen Details aussparen.
Gedenktafeln: der Erinnerung Ausdruck verleihen
Ab Mitte der 1970er Jahre rückte der naturgegebene sowie der städtische Außenraum verstärkt ins Blickfeld des Künstlers – das Ambiente. Er ließ sich ansprechen, wenn es galt, an der durch ein Ereignis oder durch eine Persönlichkeit hervorgehobenen Stätte eine Gedenktafel anzubringen oder durch geometrische sowie figürliche Kompositionen auszustatten. Der Außenstehende hat meist keinen Begriff davon, wieviel Zeit und Kraft erforderlich sind, um eine schlicht anmutende Tafel oder ein Relief zu entwerfen, in entlegenen Depots das passende Material auszusuchen, in Werkstätten die Ausführung in allen Phasen zu überwachen und dann für fachmännische Platzierung zu sorgen. Nie scheute sich Wilhelm Fabini, all diese Arbeitsgänge zu leisten oder zu kontrollieren und sich dabei in Vorhaben einzubringen, die den Gestalter, den Mitgestalter, kaum je ins Rampenlicht rücken, ihn vielmehr bloß als Mitwirkenden eines die Gemeinschaft betreffenden Geschehens zeigen und mitunter ignorieren. Beträchtlich ist sein Anteil daran, dass die Erinnerung durch einzelne Tafeln einen festen Anhalt erhielt. Der Gebirgstourist wird im Buleakessel den Blick auf die Schriftzeichen lenken, die den Lawinenopfern des Jahres 1977 gewidmet sind. Mancher Schäßburg-Besucher nimmt vielleicht die stumme Botschaft an einzelnen Häusern in sich auf, den Hinweis, in ihnen hätten bedeutende Siebenbürger gewohnt wie der Abgeordnete Hans Otto Roth, die Dichterin Ursula Bedners, der Chronist Georg Krauß, der evangelische Bischof Georg Daniel Teutsch, der Raketenbauer Hermann Oberth (mit Porträt), der General im österreichischen Dienst Michael von Melas.
Mitte der 1980er Jahre gestaltete Fabini den Altar des evangelisch-lutherischen Gemeinderaums in der Hermannstädter Michael-Weiß-Straße/Strada Călugăreni. Sowohl die aus Keramikteilen gefügte Mitte als auch die aus Eichenholz geschnittenen Flügel bezeugen, wie sehr der Bildhauer stets darauf bedacht war, seine Kompositionen in gediegener „Handschrift“ auszuführen. Den aufgezählten Werken lässt sich der Entwurf für ein Denkmal am Schäßburger Stadtrand hinzufügen: Drei ineinander gestellte Kreuze erinnern an die drei jungen Schaaser, die in den Revolutionstagen 1989 umkamen. Und in einer Gedenknische der Klosterkirche hat Fabini der Tafel mit den Opfern des Ersten Weltkriegs eine weitere Tafel mit den Toten des Zweiten Weltkriegs und der Deportation an die Seite gestellt.
Künstlerisches Erbe
Nun hat unsereiner Wilhelm Fabini und seine künstlerischen Bestrebungen die Jahrzehnte hindurch aufmerksam verfolgt und sich zusehends im Wunsch bestärkt gesehen, ein Album mit den Plastiken und sonstigen Arbeiten Fabinis in den Händen zu halten. An den Anfang einer solchen Veröffentlichung könnten Holzschnitte gerückt werden, die er in jungen Jahren angefertigt hat, darunter ein Porträt Albert Schweitzers, das in der Zeitschrift Korunk erschienen ist (Nr. 2, 1965). Weiterhin zu erwarten wäre eine Abbildung des Grabdenkmals, das dem verunglückten Bergsteigkameraden gewidmet war, wenn ich mich recht erinnere ein Felsblock mit darüber geschlungenem, in Stein gearbeitetem Alpinistenseil. Durch ein Sammelwerk wären dem heutigen Betrachter zahlreiche der auch in Ausstellungen gezeigten Reliefs zugänglich, gefertigt in Holz, gebranntem Ton und Gips, zudem Keramikvasen und sonstige Gefäße, Kleinplastiken, auch etliche Porträtköpfe (z. B. Béla Bartók darstellend) und Büsten sowie Torsos. Auch hätte man das Sitzbank-Gefüge wieder vor Augen, das 1970 im Badeort Costineşti auf einer Fläche von 6×6 m in Strandnähe errichtet worden war, eine „begehbare Plastik“, die im Zuge neuerer Bebauung hinwegsystematisiert wurde. Dass dieses Album zustande komme und dem Bildhauer auch sonstige Anliegen erfüllt werden mögen, im Atelier wie auch am Schreibtisch des kulturgeschichtlichen Dokumentaristen, sei ihm in aller Herzlichkeit gewünscht.