Auch fromme Leute werden hungrig, durstig und müde – das war schon vor tausend Jahren so, umso mehr, als Pilgern damals noch mit einem erheblichen Aufwand an Energie und Ausdauer verbunden war. An den bedeutenden Wallfahrtsstätten des Landes wusste man darum am besten, was die Menschen nach großen Anstrengungen zur Stärkung und Erholung brauchten. Kaufleute auf ihren Handelswegen einerseits und Mönche, Eremiten und Heilige andrerseits trugen so ganz wesentlich zur Entwicklung des heutigen Tourismus bei. Im Salzkammergut war dies der heilige Wolfgang.
Im Jahr 924 wurde Wolfgang in einer nichtadeligen Familie in Pfullingen in Schwaben geboren und zur klerikalen Erziehung dem Benediktinerkloster auf der Bodenseeinsel Reichenau übergeben, damals das wichtigste Zentrum des karolingischen Reiches. Sein weiterer Lebensweg führte ihn nach Trier, Einsiedeln, Ungarn und nach Regensburg, wo er 973 Bischof wurde. Überallhin begleitete ihn der Ruf von Gelehrsamkeit und einem heiligmäßigen Lebenswandel. Von Regensburg kam er 976 auf der Flucht vor dem dort herrschenden Bürgerkrieg in sein Eigenkloster Mondsee, das bereits als Benediktinerkloster 748 vom Bayernherzog Odilo gegründet worden war. Wolfgang lebte als Eremit auf dem Falkenstein und erhielt den göttlichen Auftrag, eigenhändig eine Kirche zu bauen – für einen Einsiedler ein gewaltiges Unterfangen. Vom Falkenstein warf er sein Beil in die Luft, da wo es landete, sollte die Kirche gebaut werden. Wohl mehr durch die Vorsehung als durch Wolfgangs Muskelkraft flog es vier Kilometer weit und landete dort, wo heute die Wallfahrtskirche Sankt Wolfgang steht. Um den Bau zu ermöglichen, verbündete er sich mit dem Teufel: Der erste Pilger, der die Kirche betrat, sollte dem Teufel gehören, so lautete dessen Forderung. Der Teufel half kräftig beim Bauen. Wolfgang aber fing einen Wolf, verkleidete ihn als Pilger und schickte ihn als Ersten los. Der geprellte Teufel wurde so wütend, dass er das unschuldige Vieh in der Luft zerriss. Am „Kirchlein im Wolfgangsland“ aber, wie das erste Gebäude hieß, legte er nicht Hand an, es blieb wohlbehalten stehen und erfreute sich wachsenden Zustroms. Damit war die Pilgerstätte als Voraussetzung für den frühen Tourismus grundgelegt. Die Geschichte der Gastronomie ist im Salzkammergut vor allem eine Geschichte der Wallfahrt.
Sankt Wolfgang sei Dank
Durch Wolfgangs Persönlichkeit erhielt die ganze Gegend schnell regen Zuspruch. Die erste romanische Kirche wurde bereits 1183 gebaut, und 1314 entstand neben den kleinen Herbergen ein großes Pilgerhaus. St. Wolfgang wurde bereits im Mittelalter von 80.000 Pilgern im Jahr besucht – für die damalige Zeit eine enorme Zahl. Neben Rom, Aachen und Einsiedeln war St. Wolfgang eines der größten Pilgerzentren des christlichen Abendlandes und wurde zum bekanntesten Fremdenverkehrsort Österreichs. Im Jahr 1711 siedelte sich Bierbrauer Andreas Peter aus Geiselhöring in Niederbayern in St. Wolfgang an und gründete das Peterbräu, wohl weil er erkannte, wie groß der Bedarf an flüssiger Erfrischung für die Wallfahrer war. Stefan und Michael Peter führten das Bräu weiter, und deren Nachfolger, Gottlieb Peter, fügte eine Gastwirtschaft an. Er wurde Bürgermeister, wie auch sein Sohn Paul, der zum erfolgreichsten Hotelier des ganzen Salzkammergutes wurde. Mit seiner Frau Hermine kaufte er 1912 von Familie Drassl das 1878 gebaute Weisse Rössl, das Hermine auch als Witwe erfolgreich weiterführte. Ihr Sohn Herrmann heiratete 1920 Margarethe, eine der ersten Gymnasialprofessorinnen Österreichs.
Das Schicksal schlägt zu
Ihr einziger Sohn Hellmuth fiel mit 23 Jahren im Krieg und hinterließ seine schwangere Frau Grete.
Die nachgeborene Tochter Monika erblickte im Juni 1945 das Licht der Welt. Herrmanns Frau verstarb 1946. So stand er ebenso allein da wie seine Schwiegertochter Grete mit einem Kleinkind.
Ein Jahr später heiratete Herrmann Peter seine Schwiegertochter – ungewöhnlich, aber nicht ehrenrührig. Die junge Frau wurde dadurch in Familie und Betrieb fest eingebunden und schenkte 1948 Sohn Helmut das Leben. Leider wurde sie drei Jahre später erneut Witwe. Mit bewundernswertem Mut übernahm sie in der schwierigen Nachkriegszeit das Weisse Rössl.
So wie in den Generationen vorher gab es auch jetzt zu erweitern, umzubauen und mit Fingerspitzengefühl zu modernisieren. Mit ihrem Lebensgefährten Hans Rampelt führte Grete Peter das Weisse Rössel zu neuer Blüte. Sie bekam den Berufstitel Kommerzialrat verliehen und übergab nach dreißig Jahren das Haus ihrem Sohn Helmut, heute Altwirt. Nach seinem Wirtschaftsstudium und neben höheren politischen Funktionen wurde unter ihm und seiner Frau Gundi das Haus vom Ausflugsgasthof zum Ganzjahresbetrieb und wartet jetzt mit Besonderheiten auf, wie etwa dem beheizten, direkt im See verankerten schwimmenden Seebad und dem Whirlpool im See. Seine Tochter Gudrun ist nun die fünfte Rössl-Wirtin.
Sie wollte schon als Kind nichts anderes als Rössl-Wirtin werden und richtete ihre Ausbildung daraufhin aus, die sie durch Praktika in der Schweiz, in Argentinien, Neuseeland und Australien ergänzte. Wer von ihren drei Töchtern das Traditionshotel in Sankt Wolfgang weiterführen wird, ist noch offen. Seit dreihundert Jahren ist die Familie Peter in St. Wolfgang, und seit hundertelf Jahren leiten „Peter-Frauen“ in führender Stelle das Haus. Neun miteinander verbundene Häuser gehören jetzt dazu, über hundert stilvolle Gästezimmer, Ferienwohnungen… und hundert Mitarbeiter sorgen für das Wohlbehagen der Gäste des 4-Sterne-Romantik-Hotels.
Das Gourmet-Restaurant mit drei Hauben leitet Hermann Poll. Die heutige Rössl-Wirtin Gudrun Trutmann-Peter wohnt mit ihrer Familie ebenfalls im Weissen Rössl, wohl weil man keinen schöneren Platz zum Wohnen finden kann als ihr Hotel.
Ralph Benatzky
Die österreichweite Berühmtheit des Hotels Weisses Rössl erfuhr durch die Operette „Im weißen Rößl“ des Komponisten Ralph Benatzky einen Schub in Richtung Weltberühmtheit. Ralph Benatzky war von St. Wolfgang sehr begeistert, wie alle, die diesen idyllischen Urlaubsort „zwischen Salzburg und Bad Ischl, mit der lieben, kleinen Eisenbahn“ und ab Strobl mit dem Schiff über den Wolfgangsee erreichten – nur schuf er etwas, was ihm schon länger vorschwebte: das turbulente Singspiel „Im weißen Rößl“.
Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg hatten schon 1896 nach einem Aufenthalt in der Villa Blumenthal bei Bad Ischl ein Lustspiel geschrieben, das Ralph Benatzky sich nun zum Vorbild nahm und 1930 vertonte. Die Geschichte handelt vom Zahlkellner Leopold, der in die Rößl-Wirtin Josepha Vogelhuber vergeblich verliebt ist und bei ihr gegen den reichen Berliner Rechtsanwalt Dr. Siedler wenig Chancen hat. Seine Eifersucht endet mit der Kündigung, die aber angesichts des Besuchs von Kaiser Franz Joseph wieder rückgängig gemacht wird. Der Kaiser selbst erkennt Leopolds große Liebe, vermittelt und erreicht, dass Leopold „als Zahlkellner erneut entlassen, aber als Ehemann auf Lebensdauer engagiert“ wird.
Dieser Stoff wurde mehr-mals verfilmt und dabei auch seiner jeweiligen Zeit angepasst: 1926 in einer frühen Stummfilmversion unter der Regie von Richard Oswald, 1935 unter Carl Lamac, 1952 unter der Regie von Willi Forst, 1960 mit Peter Alexander und Waltraud Haas als Hauptdarsteller. Auch Theateraufführungen und -adaptionen gab es sonder Zahl. „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“, „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden“, „Die ganze Welt ist himmelblau“ und viele andere Melodien sind wahre Ohrwürmer.
Und die Gäste des Weissen Rössls können an diesem herrlichen Platz immer wieder aufs Neue in vorfreudiger Erwartung die bekannteste Melodie singen: „Im weißen Rößl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür“…! Genaugenommen steht es nämlich davor wie dahinter!