Die Nacht der Museen gewinnt in Rumänien an Boden: Von einem Jahr zum anderen beteiligen sich immer mehr Kultureinrichtungen daran. Heuer war die Anzahl der Institutionen, die in der Hauptstadt am vergangenen Samstagabend unentgeltlich besichtigt werden konnten, beträchtlich. Erwartungsgemäß war die Menge der kulturhungrigen Menschen noch größer. In der Abend-dämmerung waren die Straßen voll von Menschen, die suchend in der Stadt herumwanderten, die blauen Stadtpläne in der Hand. Offenbar hatten die meisten von ihnen nur ein Minimum geplant und waren immer noch dabei, eine Entscheidung zu treffen: Was sollte man besichtigen? Zwischen mehr als 30 Kulturinstitutionen zu wählen, die in einer Zeitspanne von nur wenigen Stunden kostenlos ihre Türe öffnen, ist natürlich eine Herausforderung.
Inmitten der Menschenströme suchte ein bescheidener fünfköpfiger Kreis seinen eigenen Weg. Hingegen hatte dieser Freundeskreis beschlossen, gegen den Strom zu schwimmen: Die Museumsbesuche wurden also schon vorher genau geplant, und zusätzlich wurde entschieden, die Brennpunkte im Zentrum zu vermeiden – was eine salomonische Entscheidung war. Als zweite Überlebensstrategie für den vorhersehbar großen Andrang, der in der Hauptstadt herrschen würde, sollte die Tour schon früh am Nachmittag beginnen. Außerdem konnte man den Tausenden von Kulturfreunden während der Nachttour aus dem Weg gehen, dank eines treuen und wahren Freundes – des Fahrrads.
Auf dem Plan stand als erste Sehenswürdigkeit das Feuerwehrmuseum, das ungefähr um vier Uhr nachmittags erreicht wurde. Ein Gefühl der Erleichterung überkam den Betrachter, als er feststellen durfte, dass sich die Besucherzahl hier in Grenzen hielt: Der Feuerwachturm auf dem Ferdinand-Boulevard erfreute sich relativ weniger Kulturliebhaber, die sich auf die schier endlos in die Höhe schraubende Wendeltreppe des Museums begaben. Dabei konnte die Entwicklung des Feuerschutzes durch offizielle Dokumente, Apparate und Feuerwehruniformen aus verschiedenen Zeitabschnitten nachverfolgt werden. Ein Genuss war die Aussicht von der obersten Etage des Gebäudes, das im 19. Jahrhundert das höchste der Stadt war.
Das nächste Ziel auf der Liste war das George-Enescu-Museum: Hier gab es bis elf Uhr abends Auftritte von Schülern der Bukarester Musikschule „Dinu Lipatti”. Eröffnet wurde die Konzertreihe von einem begabten Drittklässler, der vor Kurzem vom George-Enescu-Museum prämiert wurde. Man konnte die prachtvollen Räumlichkeiten des Cantacuzino-Palastes bewundern und sich zugleich die Musik anhören. Um sieben Uhr abends konnte man schon erkennen, dass sich der Besucherstrom (nicht nur Bukarester) vergrößert hatte. Es war also höchste Zeit, den nächsten Punkt auf der Karte anzusteuern, der sich ebenfalls auf der Calea Victoriei befand.
Noch vor neun Uhr abends war schon die erste Schlange in der Ferne in Sicht und der Ştirbei-Palast erreicht. Freundliche Volontäre und ein unartiger, blonder Knabe haben aber dafür gesorgt, dass man die etlichen Minuten vor dem Gebäude mit den kunterbunten Fenstern brav wartete, ohne die Geduld zu verlieren. Die Ausstellung hieß „Romanian Design Week Preview” (Wochenvorschau des rumänischen Designs), in der Exponate aus verschiedenen Bereichen zur Schau gestellt wurden – Architektur und Raumgestaltung, Mode, digitales und grafisches Design, Fotografie und Werbung.
Auf dem Weg zum nächsten Ziel, dem Cotroceni-Museum, das etwas entfernter liegt, wurde im Cişmigiu-Park haltgemacht, da man vermutete, was sich später als falsch herausstellen sollte, dass man dort die Menschenmassen vermeiden könnte. Ein wenig Zeit am Ufer des Sees zu verbringen, war aber erfrischend, auch wenn um einen herum die Leute in Tretbooten, Booten fahren oder zu Fuß schwärmten.
Vor dem Museum erwartete einen zu später Stunde, gegen halb elf, die längste und dickste Schlange des Abends – außer jener beim Antipa-Museum für Naturwissenschaften, wo gerade die sensationelle Ausstellung über den menschlichen Körper zu sehen ist. Aber auch in Cotroceni blieben die Leute gelassen, sie waren freundlich und gesprächig, Schritt für Schritt berichteten sie über die von ihnen besichtigten Museen und fragten nach Museen, die man noch besuchen könnte. Die Ausweise wurden vom Sicherheitsdienst fotokopiert – ohne diese Maßnahme darf kein Besucher das Museum betreten, welches in unmittelbarer Nähe zum Präsidentschaftssitz liegt. Der Besuch verlief ziemlich hastig. Schnell wurde man durch den ersten Stock gewunken, wo der Ehren-, Jagd-, Empfangs- und Blumensaal, aber auch die Bibliothek zu sehen war. Die Erholungspause zur mitternächtlichen Stunde im königlichen Garten des Präsidenten lohnte sich allerdings.