Lia Bugnar ist eine der bekanntesten Theatermacherinnen aus Rumänien, die erfolgreiche Theaterstücke schreibt, selbst Theater spielt, Regie führt und es stets schafft, die Theaterliebhaber noch mehr vom Theater schwärmend nach Hause gehen zu lassen. Ja, Theater ist das Schlüsselwort in ihrem Leben. Ihre Stücke werden seit vielen Jahren mit vollem Saal in zahlreichen Schauspielhäusern in Bukarest, im In- und Ausland aufgeführt. Bei ihren Stücken wird gelacht und geweint, weil sie tiefgründig und dramaturgisch sehr gut aufgebaut sind, einen selten anzutreffenden Witz und originellen Stil, eine reichhaltige Palette an Nuancen und Anspielungen, klug ausgesuchte und spannende Wortspiele, sehr oft auch überraschende sprachliche, aber auch handlungsmäßige Wendungen aufweisen. Zu ihrer Truppe gehören klangvolle Namen wie Ofelia Popii, Carmen T²nase, Medeea Marinescu, Rodica Mandache, Maria Obretin, Ilinca Manolache, Tania Popa, Marius Manole, Andrei Hu]uleac u.a. Lia Bugnar hat auch mehrere Drehbücher geschrieben. In der rumänischen Theaterszene vonheute ist sie zweifellos ein Talent, ein Stern, ein Phänomen. Die Fragen stellt Mariana-Virginia Lăzărescu.
Sie haben 1993 die Akademie für Theater und Film, Abteilung Theater, bei Prof. Sanda Manu absolviert. Wann haben Sie begonnen, selber Theaterstücke zu schreiben und warum?
Ich merke mir keine Daten, bin ein Antitalent in Geschichte, vor allem in der eigenen. Irgendwann, einige Jahre nach Abschluss des Studiums, habe ich zu schreiben begonnen. Es fällt mir schwer zu sagen, warum, ich neige zu glauben, dass ich mit meiner Begabung als Schauspielerin unzufrieden war und dennoch das Gefühl hegte, etwas im Bereich des Theaters tun zu müssen. Zehn Jahre nach Absolvieren des Studiums habe ich zu spielen angefangen. Die ganze Geschichte mit dem Schreiben und der Inszenierung meiner eigenen Stücke veranlasste mich, in die eine oder andere Gestalt hineinzuschlüpfen (jemand der Regie führt, handelt so, wenn er den Spielenden einen Tipp geben will) und schließlich habe ich auch für mich kleine Rollen zu schreiben begonnen. Ich musste feststellen, dass es keinen großen Schaden als Folge hatte, im Gegenteil, ich schlug mich ganz gut durch, sodass ich dann auch das Spielen wiederaufnahm.
Haben Sie jemals auch Gedichte oder Prosa geschrieben?
Mir fehlt komplett die dichterische Ader. Freunde von mir verstehen es, alles in Dichtung umzuwandeln. Ich nicht. Es kann aber gut sein, dass sich in meinen Stücken auch Verse finden, die ich niemals als „Gedichte“ bezeichnen würde, besten-falls als gereimte Repliken der Gestalten. Manchmal kommen in meinen Stücken auch Lieder vor, aber auch dort zeige ich keine dichterische Ader, es sind bloß nette, hie und da einfallsreiche Reime. Was die Prosa angeht - Roman, Kurzgeschichte, Essay - nein, ich habe mich nicht in diese Richtung gewagt.
Wie treffen Sie die Auswahl der Themen für die Stücke? Spielt die Autobiografie dabei eine Rolle?
Ich treffe gar keine Wahl. Ich schreibe ganz einfach die erste Replik nieder und diese wird die nächste herbeirufen. In vielen Fällen weiß ich gar nicht, wie es weiter gehen wird, bis ich zur letzten Replik gelange. In dem Maße, in dem wir alle die Summe unserer Begegnungen und die Summe der Geschichten sind, die an uns vorbeiziehen, ja, in dem Maße kann ich behaupten, dass die Autobiografie eine gewisse Rolle spielt. Wenn Sie mich fragen, ob ich mein Leben in die Stücke einfließen lasse, nein, das tue ich nicht. Ich denke, mein Leben ist um nichts besser als das anderer Menschen.
Kann es sein, dass Sie im Vorhinein eine Gestalt mit einem bestimmten Schauspieler oder einer bestimmten Schauspielerin in Verbindung setzen? Oder legen Sie die Besetzung erst bei der Inszenierung des betreffenden Stückes fest?
Ja, in den meisten Fällen habe ich die Darsteller, die spielen werden, in meinem Kopf.
Welche Theatermacher gefallen Ihnen, welche nicht und warum?
Ich lese nicht Theaterstücke, weil ich der Meinung bin, dass das Theater ausschließlich im Theatersaal, vom Zuschauersitz aus, gesehen und erlebt werden muss. Und vom Zuschauersitz aus ist es schwierig, über den Theatermacher im engsten Sinn zu urteilen, denn sein Werk geht durch viele Hände, bis es den Zuschauer erreicht (Regisseur, Schauspieler, Bühnenbildner usw.). Also werde ich es nicht tun.
Wie schaffen Sie es, Ihre Tätigkeiten als Autorin, Schauspielerin, Regisseurin und Dozentin aufzuteilen?
Dozentin bin ich nicht. Die restlichen Tätigkeiten muss ich nicht aufteilen, denn sie überfordern mich nicht, sie kommen einfach in die Reihenfolge, in der ich sie zu bewältigen habe.
Was halten Sie von Ihrem Beruf in den heutigen turbulenten Tagen, in denen in unserer Gesellschaft und in der ganzen Welt bis vor Kurzem unbekannte Ereignisse stattfinden?
Mein Beruf (egal welcher, denn ich verzettele mich so ziemlich) steht nicht unter dem Einfluss dieser Tatsachen. Ich gehöre keines-wegs zu den Menschen, die Theater über das machen, was um sie herum passiert, dafür meine ich, gibt es die Tagesnachrichten, immer so frisch, dass es sich erübrigt, mit ihnen zu konkurrieren. Was sich um uns herum ereignet, stört mich nicht in dem, was ich tue. Zumindest noch nicht. Ich hoffe, die Welt wird nicht so verrückt, dass alles über die Ufer tritt. Seit etwa 25 Jahren, seit ich mich mit Theater beschäftige, habe ich, egal was passiert ist, weitergemacht und die Leute sind weiterhin ins Theater gekommen und haben dort ihren Sitzplatz eingenommen.
Welches ist für Sie die größte Herausforderung, wenn Sie spielen oder schreiben?
Es gibt keine Herausforderung. Es ist etwas, was ich recht entspannt tue und ich betrachte es als einen Vorteil, so zu leben, wie ich lebe. Ich suche mir die Leute aus, mit denen ich arbeiten möchte, ich suche mir die Orte aus, wo ich arbeiten möchte, ich suche mir die Rollen aus, die ich spielen möchte. Ich bin ein Glückspilz.
Wenn Ihre Stücke im Ausland gespielt werden, haben Sie ein rumänisches Publikum oder werden Ihre Texte in die Sprache des Gastlandes übersetzt? Empfinden Sie im Ausland dieselbe Empathie des Publikums wie zu Hause?
Im Ausland spielen wir für ein rumänisches Publikum. Wir verkomplizieren nicht die Lage mit Untertitelungen, weil es technisch schon kompliziert genug ist, und diese unsere Tourneen sind ziemlich gut durchdacht. Wir können für diejenigen, die diese Aufführungen möglich machen, nicht große Kosten verursachen, da sie sie sonst nicht mehr organisieren würden, sie hätten ja ernsthafte Verluste. Es hätte keinen Sinn für die paar Besucher, die der rumänischen Sprache nicht mächtig sind und zufällig zu unseren Aufführungen erscheinen würden, da wir nur mit Müh und Not die Säle mit rumänisch Sprechenden füllen können. In den meisten Fällen gelingt es uns nicht. Es ist sehr schwer, die Infos den rumänischen Gemeinschaften in den verschiedenen Ländern, in die wir fahren, zukommen zu lassen. Und es ist nicht leicht, diese zu überreden, es auf sich zu nehmen, Karten zu kaufen und ins Theater zu kommen. Uns gefällt es, für die ausgewanderten Rumänen in aller Welt zu spielen, weil wir merken, dass sie eine sehr große Freude empfinden. Es ist ein besonderes Gefühl, eine Sehnsucht, die sich mit Heimweh, Erinnerungen, Entfremdung verbinden lässt. Deshalb setzen wir unsere Reisen dahin fort, obwohl es meistens mehr kostet, als dass es sich lohnt und die Anstrengung, Karten zu verkaufen, enttäuschend ist.
Wenn Sie ein Motto fürs Leben aussuchen müssten, welches wäre das?
Eines der Gesetze von Murphy: „Wenn es dir egal ist, wo du dich befindest, kannst du dich nicht verlaufen.“
Vielen Dank für das Gespräch!