Das Nationale Kunstmuseum Rumäniens in Bukarest präsentiert derzeit aus eigenen Beständen rund hundert aus Zinn gefertigte Objekte, die in zwei Räumen des ehemaligen königlichen Palastes zusammen mit alten Truhen, Kredenzen, Schränken, Standuhren, Sesseln, Porzellantellern, Fayencekrügen und mehreren Radierungen (u. a. von Jacques Callot und Paolo Veronese) stimmungsvoll ausgestellt sind.
Im Mittelalter war der angesehene Beruf des Zinn- oder Kannengießers in Zünften organisiert, die sich vor allem in reichen und wirtschaftsstarken Städten bildeten. Dazu zählten in Deutschland etwa Nürnberg, Ulm oder Frankfurt, in der Schweiz zum Beispiel Zürich, Bern oder St. Gallen, in Böhmen Prag und Karlsbad und in Schlesien Schweidnitz und Neiße.
In Siebenbürgen gab es etwa ab dem Ende des 14. Jahrhunderts Meister des Zinnhandwerks, insbesondere in den Städten Schäßburg, Kronstadt und Hermannstadt. Durch den Brauch der Gesellenwanderung kam es, was Siebenbürgen angeht, zu einem regen Austausch mit den europäischen Zinnzentren, insbesondere natürlich mit den deutschen Städten, in denen die Zinngießerei florierte. So war beispielsweise das Zunftemblem der Kannengießer aus Kronstadt nahezu identisch mit dem der Kannengießer aus Nürnberg.
Der Schwerpunkt der Bukarester Ausstellung liegt hierbei weniger auf Objekten aus dem Mittel- und Spätmittelalter, zumal aus Zinn gefertigte Gegenstände jener Zeit oftmals später eingeschmolzen wurden, um das wertvolle Schwermetall zur Herstellung von Waffen wiederverwenden zu können. Hingegen ist das 17. und 18. Jahrhundert, die Blütezeit des Zinnhandwerks, in der Ausstellung gut vertreten, ebenso das 19. Jahrhundert, obwohl sich in jener Zeit, aufgrund des Aufschwungs der Glas- und Porzellanindustrie, der Niedergang des Zinnhandwerks bereits bemerkbar machte.
Zu den in der Ausstellung präsentierten Objekten zählen Alltags-, Kult- und Erinnerungs- und Zeremonialgegenstände, bei denen der Aspekt des Dekorativen und Ornamentalen gegenüber demjenigen des Gebrauchs tendenziell überwiegt. Man sieht Kannen, Becher, Humpen, Krüge, Karaffen, Kelche, Pokale, Teller, Kerzenständer und vieles andere mehr, zumeist reich verziert, weniger für den alltäglichen Gebrauch bestimmt als vielmehr zum Zwecke prunkvoller Präsentation.
So findet man in der Ausstellung beispielsweise einen zinnernen Jägerhumpen aus dem 19. Jahrhundert, auf dessen Scharnierdeckel mit Daumenruhe die Aufschrift „Eberhard Ludwig Herzog von Würtemberg 1697“ angebracht ist. Darunter sieht man das württembergische Hirschstangen-Wappen und einen Blätterkranz. In einer Nische, die sich in den Körper des Humpens hineinbildet, steht eine vollplastische Männerfigur mit Armbrust, während weiter unten, am Fuß des Humpens, sich ein Hirsch mit Geweih herauswölbt, medaillonartig umfasst von einem kreisrund geschwungenen Jagdhorn.
Beeindruckend ist ein hoher hölzerner Kredenz-Schrank aus dem 16. Jahrhundert, auf dessen Kredenzfläche nicht nur wertvolle Zinnpokale ausgestellt sind, sondern in dessen eine Schranknische außerdem ein Zinnwaschbecken in Muschelform und eine zinnerne Aiguière inkorporiert sind: Ein nach unten hängender Delphin, auf dem ein Putto reitet, spendet Wasser, das oben in ein hinter seiner Schwanzflosse verstecktes Einfüllrohr eingegossen wird und das ihm unten aus dem Schnabel mittels eines Wasserhahns wieder entnommen werden kann.
Zahlreiche aus Zinn gefertigte Hochzeitsteller sind in der Bukarester Ausstellung zu sehen: So etwa ein zinnerner Hochzeitsteller der durch die Heirat ihrer Kinder miteinander verbundenen Familien Topheuer und Czech, im 17. Jahrhundert in Hermannstadt gefertigt, geschmückt mit der Gravur eines Hochzeitspaares, umrahmt von Spielleuten mit Blasinstrumenten und einer Geige spielenden Katze; so auch ein Hochzeitsteller aus Bistritz aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit den Namen Marcus Paul und Marcell Bamfi sowie mit Abbildungen von Hirschen und einem umschlungenen Brautpaar.
Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören zwei Teller aus Nürnberg: der gravierte Teller von Albrecht Preissensin aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, mit der Darstellung einer geflügelten Göttin mit Füllhorn auf dessen Boden und Vögeln und Rankenwerk auf dessen Rand; und der Auferstehungsteller aus dem 17. Jahrhundert mit der Erscheinung des Auferstandenen und den von der Erscheinung Christi geblendeten Grabwächtern und, auf dem Tellerrand, mit zwölf Engeln, die die Marterwerkzeuge Jesu einzeln präsentieren.
Interessant sind auch verschiedene Zunftembleme, die man in der Bukarester Ausstellung bewundern kann: So zum Beispiel das Zunftemblem der Wiener Kannengießer mit der Aufschrift „Die ehrsam Zingieser Gesellen Beischaft zu Wienn An. 1709“ in Medaillonform mit Krone oben, Tellerrändern rechts und links, Feuer unten, sowie Krug, Löffel, Hammer und Meißel in der Mitte; so auch das im 19. Jahrhundert in Nürnberg gefertigte Zunftemblem der Schlosser von Hamburg in Form eines Kruges mit Untersatz, dessen herzförmiger, von einem Porträt geschmückter Bauch die Räute des Schlüssels darstellt, während der Hals des Kruges das Rohr und der Henkel den Bart des Schlüssels verkörpert.
In der Ausstellung, die noch bis zum 25. März dieses Jahres besichtigt werden kann, vermisst man nur eines: den standhaften Zinnsoldaten oder einen seiner Artgenossen, wobei, wenn man Hans Christian Andersens Märchen Glauben schenken mag, nicht auszuschließen ist, dass das zinnerne Herz vielleicht doch in einem der in Bukarest gezeigten Exponate aufgegangen ist und dort auf märchenhafte Weise unhörbar weiter schlägt.