Abiturzeugnisvergabe bei der deutschen Abteilung des Goethe-Kollegs

Abiturienten der 12C | Fotos: der Verfasser

Simone Udert verleiht Abiturzeugnisse.

Simone Udert (links) zusammen mit den Lehrern der Spezialabteilung

Elmar Wulff, Christian Plate, Simone Udert, Christoph Merz, der Koordinator der Oberstufe (im Hintergrund, v.l.n.r.)

Bukarest - Am Wochenende haben sich die zwei Spezialklassen des Bukarester Goethe-Kollegs in feierlicher Stimmung zusammen mit Lehrern, Freunden und Verwandten im Konferenzsaal des Hotels Marshal Garden zur Verleihung der deutschen Abiturzeugnisse versammelt. Zehn der insgesamt 50 Abiturienten haben es sogar mit der Bestnote 1,0 geschafft.

Eine feierliche und zugleich melancholische Stimmung hat dieses Jahr die Abiturzeugnisvergabe beherrscht. Vielleicht als Erinnerung an die Einsamkeit während der Pandemie, die einem andererseits erlaubt hat, sich selbst zu finden, wie einige der Schüler meinten, oder aber wegen der noch engeren Verbindung nach dem Wiedersehen im Präsenzunterricht – der Abschied der Schüler voneinander und von ihren Lehrkräften zeigte sich dieses Jahr etwas emotionaler als sonst, vielleicht auch wegen Petra Stoians musikalischer Klavierbegleitung. In ihren Reden erinnerten sich die zwei Klassensprecher an den weiten Weg, den sie zusammen mit ihren Kollegen in den letzten vier, teilweise sogar 12 Jahren gegangen sind, an die Freundschaften, die geknüpft wurden und an die Weltanschauung die sie sich, jeder für sich, aufgebaut und angeeignet habt. „Wir haben im Unterricht gelernt, wie man eine Meinung bildet, was ohne Argumente nicht möglich wäre. Eine Debatte wäre auch nicht möglich gewesen, ohne der anderen Seite zuzuhören und ihre Fragen zu beantworten“, erklärt Ioana Mancaș in ihrer Abschiedsrede und hofft, irgendwann einmal auch ein Vorbild sein zu können, so wie ihre Lehrer ein Vorbild für sie selbst waren. „Viele von uns begreifen es nicht, dass wir das letzte Mal das Schulgebäude verlassen haben“, meint sie etwas traurig. Auch ihre Kollegin Freya Popovici fühlt, dass sich im Herbst alle „einsam und allein“ fühlen werden auf ihrem Weg von Kindsein zum Erwachsenensein, in die Selbstständigkeit und „das väterliche Schloss“ verlassend.

In seiner Rede erinnerte der Leiter der Spezialabteilung Elmar Wulff an die Schönheit und die Besonderheit des menschlichen Wesens, dessen größter Unterschied zu Maschinen und der künstlichen Intelligenz die Möglichkeit der Fehler ist. „Wirkliche Dummheit schlägt jedes Mal künstliche Intelligenz“ war eines der Mottos, unter denen das gesamte Event stand und welches die Abiturienten daran erinnern sollte, dass sie menschlich, also empathisch, freundlich, liebevoll bleiben und reagieren sollen und dass sie auf ihrem Weg zur Selbstentwicklung auch Fehler machen dürfen.

Sowohl die Beauftragte der Deutschen Kultusministerkonferenz und Prüfungsleiterin Simone Udert als auch der Gesandte Botschaftsrat Christian Plate haben den Abiturienten in ihren Reden die weitläufigen Möglichkeiten des deutschen Sprachdiploms darzustellen versucht, welches die Tore zum Studium sowohl im deutschsprachigen Raum, als auch andersweitig eröffnet.

Nun sei es an der Zeit, „nicht nur Dinge zu erlernen, sondern auch zu erleben“, wünschte ihnen die Prüfungsleiterin, darauf aufmerksam machend, dass es trotzdem im Leben „nicht immer gerade aus“ gehen würde. Nachdem Udert eine Woche lang unter den Abiturienten verbracht hatte, war sie sich jedoch eines sicher: „Keiner von Ihnen wird davon aus der Bahn geworfen, es wird sie nur noch weiter beflügeln und bereichern“. „Sie sollten nie aufhören mutig zu sein, Sie sollten nicht aufhören, selbstbewusst und wissbegierig zu sein, Sie sollten auch kritisch bleiben und Dinge hinterfragen!“, wünschte auch Plate den Abiturienten, nachdem er denjenigen mit der „Traumnote 1,0“ kleine Präsente seitens der Botschaft übergab.

Schulleiterin Rodica Ilinca erinnerte sich an ihr Austauschjahr in Hamburg und an die Mentalitätsunterschiede zwischen den deutschen und den rumänischen Schülern und versuchte somit, diesen „idealen Schüler“darzustellen mit dem Vorteil, in den zwei Systemen aufgewachsen zu sein: „im Sinne der Disziplin, des kritischen Geistes und der Feinfühligkeit der deutschen Seite, sowie im Sinne der Leidenschaft, der Gelassenheit und der Entschlossenheit, alles durchzumachen von der rumänischen Seite“.

„Ihr habt eure Zeugnisse, das heißt, Ihr seid frei und wir dürfen euch nichts mehr sagen“ – waren Wulffs Schlussworte bei der Abiturzeugnisvergabe. 


Elmar Wulff:
„Es ist mir eine große Freude, mit diesen Schülerinnen und Schülern zu arbeiten, weil sie das Herz eines Lehrers erwärmen, wie es meine deutschen Schüler in den letzten Jahren, als ich in Deutschland unterrichtet habe, nicht mehr konnten.

Ich wünsche den Abiturienten, dass sie alle ihren eigenen Weg gehen und nicht einen Weg, den ihnen irgendjemand irgendwann einmal vorgezeichnet hat, dass sie entdecken, welche ihre eigenen Wünsche und ihre eigenen Pläne sind und dass sie somit glücklich werden. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass sie ein Teil der Lösung werden für all die Probleme, die wir derzeit haben – das traue ich ihnen zu! Es sind sehr kluge junge Erwachsene, die es tatsächlich schaffen können, die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Was die Zusammenarbeit mit der Schulleitung angeht wünsche ich mir, dass Frau Ilinca ihr Amt als Schulleiterin auch für die nächsten Jahre behält. Die Zusammenarbeit ist einfach großartig und basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Die deutsche Abteilung arbeitet an einigen Stellen nach eigenen Regeln, aber sie kann das nur, wenn die rumänische Schulleitung das unterstützt.“


Simone Udert, Beauftragte der Deutschen Kultusministerkonferenz und Prüfungsleiterin:
„Diese jungen Erwachsenen haben die Kombination aus sehr viel Fach- und Faktenwissen und das, was unser deutsches Schulsystem von anderen Ländern unterscheidet, und zwar zu überlegen was sie eigentlich gelernt haben und was ihre eigene Meinung dazu ist. Und natürlich auch zu wissen, dass ihre Meinung, ihre Einschätzung genauso viel bedeutet wie diejenige der Lehrkraft oder der anderen Schülern. Genau das hat sich für mich während der Prüfungen gezeigt: es gab sehr große Fachkenntnis, sehr reiches Wissen, aber auch die Fähigkeit, eine eigene Position einzunehmen. Deswegen wäre es schön, noch mehr Bezug zu Deutschland herzustellen, mehr direkten Kontakt, nicht nur aus Büchern, sondern auch die Möglichkeit, während der Schulzeit nach Deutschland zu fahren und das richtige Leben dort erfahren.“


Christian Plate:
„Ich finde es unglaublich beeindruckend zu sehen, wie toll diese Schülerinnen und Schüler sind. Die Botschaft wird auch weiterhin die deutsche Abteilung unterstützen, um die hohe Qualität der Ausbildung und die vielen Möglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler aufrecht zu erhalten.

Die Schüler haben ein sehr großes Potential, da sie sich ganz bewusst für einen besonderen Weg entschieden haben, der sie auch besonders fördert, bei dem sie sich besonders einbringen müssen und bei dem sie viel leisten müssen. Das sieht man auch an dem Ruf, den die deutschen Spezialabteilungen haben. Die Noten sind tatsächlich beeindruckend und ich glaube, dass alle Schüler, nicht nur diejenigen, welche die Traumnote 1.0 erhalten haben, mit einem fantastischen Rüstzeug die nächsten Schritte zu ihrer weiterer Ausbildung und ins Leben gehen.“


Rodica Ilinca, Schulleiterin des Goethe-Kollegs:
„Die Zusammenarbeit mit Herrn Wulff war dieses Jahr ausgezeichnet, auch wegen dessen Ernennung als Leiter der Spezialabteilung für die nächsten vier Jahre, was natürlich eine gewisse Stabilität mit sich bringt. Es dauert nämlich ziemlich lange, bis ein deutscher Lehrer sich einlebt und die Merkmale des rumänischen Systems versteht. Den Abiturienten wünsche ich, dass all ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Sie sind in einer speziellen Situation, da sie das Beste aus zwei Welten mitnehmen konnten. Gleichzeitig wünsche ich mir aber, dass sie die rumänischen Lehrer nicht vergessen, die ihnen die Aufnahme in die Spezialabteilung geebnet haben.“