Temeswar (ADZ) – Ein 27-jähriger Assistenzarzt wurde am Sonntag in Temeswar tot aufgefunden. Er hatte monatelang auf der Intensivstation im Temescher Kreiskrankenhaus für Notfälle auch Patienten mit Covid-19-Erkrankungen behandelt. Am Wochenende hatte er noch Bereitschaftsdienst, jedoch auf der Non-Covid-Station. Seine Mutter fand ihn am Sonntagabend tot zu Hause auf. Die Todesursache ist noch nicht abschließend geklärt, der Polizei nach liege jedoch der Verdacht nahe, dass sich der Arzt selbst Beruhigungsmittel gespritzt haben soll. Der Leiter des Kreiskrankenhauses Dr. Raul Pătrașcu sagte der Presse, Ärzte seien auch nur Menschen und es sei auch durch diesen Fall bewiesen, dass Beschäftigte auf Intensivstationen ATI auch hierzulande, nicht nur weltweit, wegen der hohen Belastung die höchste Rate an Suizidversuchen, Toxikomanie und psycho-emotionalen Störungen aufweisen. Dr. Dorel Săndesc, Leiter des ATI-Beirats im Gesundheitsministerium und Prorektor der Temeswarer Medizin-Universität, lobte den jungen Mann als Jahrgangsbesten, er sei ein begeisterter und vielversprechender Arzt gewesen, der in der Intensivtherapie seine Berufung gefunden haben sollte.
Inzwischen hat das Temeswarer Spital für Infektions- und Lungenkrankheiten seine Studie bezüglich des psychischen Befindens seines Personals, nach einem Jahr im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie abgeschlossen: Mehr als die Hälfte zeigt klare Symptome des Burnout-Syndroms, eine physische und psycho-emotionale Belastungsstörung. Die Befragung von rund 250 Angestellten (400 hat das Spital insgesamt) hatte in der Zeit von Februar bis März stattgefunden (die ADZ berichtete). Die Ergebnisse sind jedoch laut Studienleiterin, Psychologin Dana Biriș schlimmer ausgefallen als erwartet: Bei 56 Prozent der Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und sonstigem Personal konnten mäßige bis schwere Burnout-Symptome festgestellt werden. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer klagten über emotionale Überlastung, rund 67 Prozent gaben ein hohes Stressniveau an, sind allgemein besorgter als sonst und haben zu wenig Zeit für sich selbst, weil sie sehr müde sind. Auch konnte festgestellt werden, dass jeder Dritte unter ihnen an erhöhten Angstzuständen und Panikattacken leidet. Bei der Studie, die als landesweites Pilotprojekt gilt, wurde eine repräsentative Charge aus jeder Abteilung befragt. Der Leiter des Victor-Babeș-Infektionsspitals, Dr. Cristian Oancea sagt, dass die Studie viele Vermutungen bestätigt, leider aber auch übertroffen habe: „Die Angestellten sind sowohl beruflich als auch persönlich ausgelaugt. Viele hatten kaum Urlaub, weil Not an Mann und Frau war. Wer hätte noch entspannen können, als unsere Intensivstationen aus allen Nähten platzten? Wir leiten unsere Studienergebnisse an das Gesundheitsministerium weiter, denn ich bin überzeugt, dass ähnliche Antworten in allen Krankenhäusern zusammen kommen, in denen Covid-Patienten behandelt werden“
Inzwischen gibt es eine zweite Etappe des Pilotprojekts: Man trifft sich individuell aber auch in Gruppen mit Psychotherapeuten und Psychologen, denn einer von zehn Angestellten leidet mittlerweile auch an Depressionen, die sowohl auf die erhöhte Müdigkeit, lange pausenlose Arbeit zurückzuführen sind, aber besonders, weil die vielen oft unerwartet raschen Todesfälle die behandelnden Ärzte und Pfleger gezeichnet haben. Angedacht ist nun auch, in bestimmten Abteilungen die Arbeitseinteilung zu ändern und auch öfter Ruhepausen zu schaffen.
Der deutsch-amerikanische klinische Psychologe und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger hat den Begriff „Burnout“ 1974 in die wissenschaftliche Diskussion gebracht und das Syndrom definiert. Er beschreibt Burnout als „das Nachlassen bzw. Schwinden von Kräften oder Erschöpfungen durch übermäßige Beanspruchung der eigenen Energie, Kräfte oder Ressourcen“. Überforderung, Erschöpfung und letztlich auch psychische und psychosomatische Erkrankungen können die Folge dieses Syndroms sein. Die Lebensqualität von sich als ausgebrannt erlebenden Menschen ist drastisch reduziert. Aus gedrückter Stimmung bzw. aus verschiedenen, als körperlich oder seelisch erlebten Symptomen, reduzierter Arbeitsleistung, innerer Kündigung und zunehmenden Konflikten kann letztlich ein Teufelskreis resultieren, der von den Betroffenen alleine nicht mehr durchbrochen werden kann. Da helfen Maßnahmen am Arbeitsplatz aber auch psychotherapeutische Betreuung.