Hermannstadt – Die am Montag im Hermannstädter Begegnungs- und Kulturzentrum „Friedrich Teutsch“ eröffnete Ausstellung „Ein Weg wie hundert Leben“ ist eine sehr persönliche Offenbarung. Renée Renard verarbeitet in der komplexen Ausstellung aus Texten und digital bearbeiteten Bildern sowie Fotografien und Grafiken ihre eigene, von Trennung, Entwurzelung und Heimweh gezeichnete Familiengeschichte. Die Urgroßeltern wurden in die Bărăgan-Steppe deportiert, die Großväter in die Sowjetunion, der Vater zum Bau am Donau-Schwarzmeer-Kanal gezwungen und die Mutter der Universität verwiesen. Es ist die Leidensgeschichte vieler Familien im Banat und darüber hinaus, das Schicksal einer ganzen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Entwurzelt und fern der Heimat verpflanzt, Baumstämme ohne ihre Wurzeln, zu Zehntausenden in die Weiten der Sowjetunion. Symbolisiert auf einer Leinwand durch einen dichten Wald nackter Baumstämme, einem Wald aus dem nicht alle Deportierten wieder zurückfanden. Ein Großvater beging Selbstmord in einem sowjetischen Arbeitslager. Es ist eben doch viel mehr eine sehr private Erinnerung an die eigene Familie. Ein bedrückendes Familienporträt.
Im 18. Jahrhundert siedeln sich die Vorfahren, aus Lothringen und dem Schwarzwald stammende Kolonisten, im Banat an. Sie gehören zu den ersten Einwohnern von Triebswetter/Tomnatic, einer 1772 gegründeten französischen Insel, und schlagen Wurzeln in der neuen Heimat. Renard macht dies durch Familienfotos deutlich, welche in Wurzeln und Bäume übergehen. Es sind diese beiden Symbole, welche die Ausstellung durchziehen. Ihren Stammbaum, am Eingang der Ausstellung, kann sie teilweise bis ins Jahr 1620 zurückverfolgen. Den Einschnitt bildet das Ende des Zweiten Weltkrieges. Viele Einwohner Triebswetters können dank des Pfarrers ihre französische Abstammung belegen. Die deutsch-französische Familie Renard hat nicht so viel Glück. Sie zerreißt es. Viele Jahre können die Großeltern nur Briefe austauschen. In den sowjetischen Arbeitslagern mangelt es an allem, selbst an Papier. Einige Briefe schreibt der Großvater auf Pergament. Sie bleiben für lange Zeit die einzige Verbindung in die Heimat, sorgfältig in einer kleinen Holzschachtel von der Großmutter aufbewahrt. Über Jahre findet Renard nicht den Mut das Erbstück zu öffnen, hält die Briefe und Fotos unter Verschluss. Zu groß ist die Angst vor den Erinnerungen. Erst 2013 offenbart sie die Familiengeschichte dem Publikum in Temeswar/Timişoara. Dabei klagt Renard nicht an, ihr Wunsch ist es, das Geschehene zu verarbeiten und der eigenen Familie ein Denkmal zu setzen. Noch bis zum 15. Januar 2016 ist die Ausstellung im Teutsch-Haus jeweils montags bis freitags in der Zeit zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet.